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Altstadtfest „Friedberger Zeit“: Das Gewand

Alle drei Jahre begibt sich die Stadt Friedberg auf eine Reise ins 17. und 18. Jahrhundert, in der die Stadt mit ihrer Uhrmacherkunst eine Blüte erlebte. Was unser Fest so einmalig macht, sind neben den Handwerkern, Vereinen, den Gruppen, Schulen und nicht zuletzt der Kirche vor allem auch die Friedbergerinnen und Friedberger selbst, die sich historientreu einkleiden.

Die Frauen und Mädchen mit ihren schönen Gewändern und Hauben sind eine Augenweide, aber auch die Männer, Jung und Alt, alle ziehen mit ihren stilvollen Gewändern und passenden Hüten bewundernde Blicke auf sich, so wie sich Familie Albrecht, Großmutter Viktoria Albrecht, Tochter Jasmine Albrecht, Enkeltochter Ramona Czogalla und Enkelsohn André Kromer glanzvoll gewandet auf dem Foto zeigen. Vorbilder dazu liefern Fresken in Kirchen, auf Votivtafeln und auf Tafelbildern aus dem 18. Jahrhundert. Man sieht auf ihnen nicht nur Leute aus dem Volk, sondern auch vornehme Bürger, ja sogar Adelige. In Friedberg wetteiferten vor allem die Uhrmacherinnen und Uhrmacher und die Wirte um die prächtigsten Gewänder, wie es Joseph Hazzi schildert.
So haben sich zum Beispiel Francisca Steinhart und ihre Söhne Joseph Dominikus und Georg Anton 1770 von Sigismund Reis in ihrem schönsten Sonntagsgewand malen lassen. Maria Francisca Steinhart, als Maria Francisca Riegg am 5. März 1734 aus der nicht unbedeutenden Gerberfamilie Simon und Anastasia Riegg, der mehrere in ganz Bayern wichtige Nachkommen entstammten, in Friedberg geboren, heiratete am 28. Mai 1759 den Kleinuhrmacher Joseph Anton Steinhart, der später auch das Bürgermeisteramt inne hatte. Der Eintrag im Hochzeitsbuch von St. Jakob lautet: „Honestus Josephus Antonius Steinhart Solutus horologiarius Fridbergensis cum pudica Virgine Maria Francisca Riegin de Fridberg“. Sie wohnten im Haus Nr. 245 in Friedberg, heute Ludwigstraße 5 nahe der Pfarrkirche. Dem Paar wurden fünf Kinder geboren. Nur die zwei Buben überlebten. Im Alter von 36 Jahren ließ sich Maria Francisca Steinhart malen. Sigismund Reis präsentiert die Uhrmacherin als jugendlich schöne Frau und bedient sich dazu des Springbrunnens und des Granatapfelbaumes als Reminiszenz an ihre liebliche Gestalt. Sie trägt einen leuchtend roten Rock aus einem edlen Stoff. Die Schürze ist aus feinem, weißen Tüll mit eingewebten Muster. Das schwarze Mieder läuft zur Taille eng zu. Beim Miedergeschnür sind die silbernen Miederhaken mit den Zierblättern besonders schön. An den Enden der silbernen Gollerkette hängt eine vergoldete Gollermasche und eine silberne Traube. Am Rock sind eine Spindeluhr mit einem Silberband, der Uhrenschlüssel und die Petschaft an je einer eigenen Kette befestigt. Das i-Tüpfelchen zum prachtvollen Gewand der Maria Francisca Steinhart bildet die Haube aus goldbroschiertem Material, seitlich gewölbt herabgezogen und mit einem gefälteten Spitzenbesatz ausgestattet.
Viktoria Albrecht zeigt ihr Gewand zur Friedberger Zeit. Der Rock ist aus edlem Stoff, die Schürze aus feinem, weißen Tüll mit eingewebtem Muster. An die Stelle des Gollers ist die Bluse mit gefältetem großen Kragen und weiten Ärmeln, ebenfalls aus feinem Tüll, getreten. Auf einen Reifrock hat sie verzichtet. Die kunstvoll gestaltete Haube macht das Gewand erst zum „Friedberger Gewand“.

Joseph Dominikus und Georg Anton sind als Kinder eines begüterten Uhrmachers und geachteten Bürgermeisters ebenfalls ganzfigurig gemalt. Sie präsentieren sich als galante Kavaliere mit höfischen Umgangsformen. Der achtjährige Georg Anton hat den Dreispitz mit der rechten Hand abgenommen, hält die linke Hand vor die Brust und stellt das linke Bein zurück, damit er eine artige Verbeugung machen und den Betrachter grüßen kann. Der vierjährige Joseph Dominicus hat ebenfalls seinen Hut abgenommen, scheint auf die Betrachterin zuzugehen und ihr galant eine Rose überreichen zu wollen.
Auch André Kromer präsentiert sich in seinem Gewand als Kavalier. Seinen jugendlichen Hut hat er mit der rechten Hand abgenommen, hält die linke Hand vor seine Brokatweste und stellt das linke Bein zurück, um den Betrachter zu grüßen.

Zum Gewand der Friedberger Zeit gehören die Hauben für die Frauen und Hüte für die Männer (Dreispitz, breitkrempige Hüte, berufsbezogene Kopfbedeckungen). Zur „Friedberger Zeit“ gingen die Frauen und Männer nur „behütet“ außer Haus. Eine Bürgerin besaß mindestens ein Dutzend Hauben. Auch weiße Hauben waren üblich, wie Votivbilder zeigen. Die ordentliche Kopfbedeckung war ein „Muß“, ohne sie war eine Person nicht denkbar, nicht richtig „angezogen“. Sogar ins Bett trug die Frau eine Betthaube. Kränzchen aus Buchs oder Blumen sind und waren bei keiner historischen und auch keiner neuen Tracht gebräuchlich. Sie entwerten unser historisches Altstadtfestgewand.

Wie man schöne Hauben für die Friedberger Zeit fertigt, können alle in den Kursen der Stadt Friedberg bei Jasmine Albrecht und ihrer Mutter Viktoria Albrecht lernen. Jede der Hauben wird zu einem Unikat. Dabei wird der breite Haubenrand aus steifem Etamin-Stoff, den die beiden Kursleiterinnen schon in die richtige Form gebracht haben, mit Stoff überzogen und mit seitlich weit nach vorne gezogenen Rüschen versehen. Die große, steife Schleife schließt den gefälteten Haubenboden ab. Die Verzierung mit Borten bleibt der Fantasie überlassen.

Wir hoffen, dass es Juli 2022 wieder so weit ist, dass viele Friedberger Frauen jeglichen Alters mit ihren kunstvoll gestalteten Hauben, aber auch die Männer mit ihren Hüten, unser Stadtfest „Friedberger Zeit“ so einmalig machen wie bisher.
Text: Gabriele und Dr. Hubert Raab, historische Berater der Friedberger Zeit
Fotos: Dr. Hubert Raab

  • Joseph Dominikus Steinhart
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  • Hauben zur Friedberger Zeit
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  • Hauben, Pompadours und Florschnallen zur Friedberger Zeit
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  • Jasmine und Viktoria Albrecht
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1 Kommentar

Tolle Fotos und toller Beitrag :) zufällig habe ich die Familie Steinhart (Steinhardt) aus Friedberg nach Mies in meiner Familienforschung: https://gedbas.genealogy.net/person/show/131296488...
Liebe Grüße aus Kempten (Allgäu), Matt Kessler

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