Ein Blick in die Vergangenheit fördert nicht nur schöne Ereignisse an die Oberfläche.

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Der Air-France-Flug 447 (AF 447) war ein Linienflug der Air France von Rio de Janeiro nach Paris, bei dem in der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni 2009 ein Airbus A330-203 über dem Atlantik abstürzte. Alle 228 Insassen kamen ums Leben. Es handelt sich um den bisher schwersten Unfall in der Geschichte der Air France und den schwersten Unfall eines Airbus A330.[1] Der Abschlussbericht der Unfalluntersuchung wurde am 5. Juli 2012 veröffentlicht.

Das Flugzeug startete am 31. Mai 2009 um 19:03 Ortszeit (22:03 UTC) vom Flughafen Rio de Janeiro-Antônio Carlos Jobim mit Ziel Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle, auf dem es um 11:15 Ortszeit (09:15 UTC) eintreffen sollte. Das Flugzeug flog in eine Gegend mit bekannten schweren Gewittern,[A 4] wie sie in der innertropischen Konvergenzzone üblich sind. Hätte das Flugzeug einen Umweg geflogen, um dem Wetter auszuweichen, so hätte es womöglich den Direktflug nach Paris nicht geschafft, sondern zwischenlanden müssen. Um 01:50 UTC verließ die Maschine nördlich der Inselgruppe Fernando de Noronha den Abdeckungsbereich des brasilianischen ATC-Radars. Innerhalb der nächsten 10 Minuten überließ der Kapitän seinen Platz und seine Rolle als beisitzender und nicht aktiv steuernder Pilot dem ersten Kopiloten, während der zweite Kopilot wie seit dem Start das Flugzeug flog.

Zwischen 02:10 und 02:14 UTC übermittelte das Flugzeug über ACARS 24 automatisch generierte Wartungsmeldungen an die Zentrale von Air France. Die Analyse dieser Meldungen ergab, dass die meisten als Folge von Widersprüchen zwischen den verschiedenen Geschwindigkeitsmesssystemen gedeutet werden können. Aufgrund der unterschiedlichen Messwerte wurde unter anderem der Autopilot um 02:10:05 UTC durch den Bordcomputer deaktiviert und die Steuerungscomputer schalteten um auf „Alternate Law“, was heißt, dass gewisse Parameter nicht mehr von der Elektronik überwacht wurden.

Neben Korrekturen um die Rollachse hatte der steuernde Pilot in den ersten Sekunden auch den Anstellwinkel erhöht, schon innerhalb dieser ersten Sekunden ertönte zweimal eine Warnung vor Überziehen aus der Überziehwarnanlage. Beide Piloten waren in der Folge mit dem Versuch beschäftigt, die Fehlermeldungen der Anzeigen zu analysieren. Innerhalb der ersten 30 Sekunden stellte der nichtfliegende Pilot ein Steigen fest und forderte den fliegenden Piloten auf, zu sinken. Die Steigrate nahm darauf etwas ab, das Flugzeug befand sich jedoch weiterhin im Steigflug und war schon um 2.000 Fuß auf 37.000 Fuß gestiegen.

Die ausgefallene Geschwindigkeitsangabe war nach 29 Sekunden wieder etabliert und nach deren Angabe hatte das Flugzeug in den 31 Sekunden seit dem Ausfall des Autopiloten um rund 50 Knoten an Geschwindigkeit eingebüßt. Elf Sekunden später wurde der Schub leicht reduziert und weitere vier Sekunden später ertönte die Überziehwarnung andauernd. Der Schub wurde auf TOGA eingestellt, gleichzeitig stieg der Anstellwinkel. Das Höhenleitwerk bewegte sich innerhalb einer Minute bis auf +13°, wo es bis zum Ende des Fluges verblieb.

Etwa eine Minute nach dem Abschalten des Autopiloten befand sich das Flugzeug in einem Bereich außerhalb eines möglichen sicheren Betriebs aufgrund von Höhe und Geschwindigkeit und erlitt einen Strömungsabriss.

Etwa eineinhalb Minuten nach dem Ausfall des Autopiloten übernahm der bis dahin nicht steuernde Pilot das Steuer („Controls to the left“), was nicht bestätigt wurde und der rechts sitzende Pilot übernahm fast augenblicklich wieder die Steuerung. Fünf Sekunden später kam der Kapitän in das Cockpit zurück. Zu diesem Zeitpunkt sank das Flugzeug mit einer Sinkgeschwindigkeit von 10.000 Fuß pro Minute, also rund 50 Meter pro Sekunde, was einem Anstellwinkel gegenüber dem Luftstrom von 40° entsprach und immer noch einer Fluglage mit der Nase nach oben.

Die Situation blieb für alle drei Piloten unklar, erst zwei Minuten nach seiner Rückkehr ins Cockpit bemerkte der Kapitän, dass der fliegende Kopilot das Höhenruder die ganze Zeit bis an den Anschlag gezogen hatte.

Die letzte ACARS-Meldung wurde um 02:14 UTC abgesetzt und betraf den Luftdruck in der Kabine.

Gemäß einer Pressemitteilung der französischen Untersuchungsbehörde für Sicherheit der zivilen Luftfahrt (BEA) wurde die letzte bekannte Position um 02:10 UTC über ACARS übermittelt. Extrapoliert man den Flugweg, so ergibt sich für den Zeitpunkt der letzten Fehlermeldung die Position ♁4° N, 30° W. Die nächste Positionsmeldung bei der Bezirkskontrolle wäre um 02:20 UTC fällig gewesen, blieb jedoch aus. Der mitgeführte Treibstoff hätte bis circa 11:00 UTC gereicht.

Am 2. Juli 2009 veröffentlichte die BEA den ersten Zwischenbericht und am 17. Dezember 2009 einen zweiten. Darin wurde festgehalten, dass die Unfallursache ungeklärt sei. Die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des zweiten Zwischenberichts vorliegenden Untersuchungsergebnisse ließen folgende vorläufige Schlüsse zu:

Das Flugzeug war bis zum Aufschlag auf dem Wasser weitgehend intakt. Ob eventuell kleine Beschädigungen vorhanden waren, ließ sich nicht mehr feststellen.
Das Flugzeug schlug in nahezu horizontaler Lage auf dem Wasser auf, mit der Nase leicht über dem Horizont und ohne Querneigung.
Das Flugzeug schlug mit hoher Vertikalgeschwindigkeit auf dem Wasser auf.
Das Flugzeug befand sich in Reiseflugkonfiguration.
Vor dem Aufschlag gab es keinen Druckabfall in der Kabine.
Es wurden keine Vorbereitungen für eine Wasserung getroffen.

Im Jahr 2011 konnten die Flugdatenschreiber ausgelesen werden. Der Abschlussbericht vom 5. Juli 2012 kam zu folgenden Schlussfolgerungen:

Für den Unfall waren folgende Ereignisse ursächlich: Die die Geschwindigkeit des Flugzeugs messenden Pitot-Sonden fielen zeitweise aus, was wahrscheinlich durch Verstopfung durch Eiskristalle hervorgerufen wurde. Als Folge schaltete sich der Autopilot ab, und die Flugsteuerung schaltete in den Modus „Alternate Law“ um.

Obwohl die Piloten die Sidesticks nicht betätigten, rollte das Flugzeug innerhalb von zwei Sekunden um 8,4° nach rechts. In der folgenden Minute waren die Piloten vollständig davon in Anspruch genommen, das Flugzeug unter Kontrolle zu halten. Die Steuermanöver der Piloten waren in Anbetracht des Flugmodus „Alternate Law“ und der Flughöhe jedoch unangemessen und überzogen und bestanden in erster Linie aus einem Hochziehen des Flugzeugs. Dies kann durch mangelndes Training erklärt werden, wie dieses Flugzeug manuell in großer Höhe im Modus „Alternate Law“ geflogen werden muss. Erschwerend kam der Überraschungseffekt hinzu, plötzlich mit dieser Situation konfrontiert zu sein. Da das Abschaltsignal des Autopiloten eindringlicher war als das Signal, das den Verlust der Geschwindigkeitsanzeige kennzeichnet, suchten die Piloten zunächst instinktiv nach der Ursache des Abschaltens des Autopiloten und nahmen das Signal, das den Verlust der Geschwindigkeitsanzeigen markierte, möglicherweise nicht wahr. Die erste von der Überziehwarnanlage ausgegebene Warnung wurde von keinem der beiden Piloten als solche ernstgenommen. Diese Reaktion konnte auch in ähnlichen Situationen bei anderen Piloten beobachtet werden. In großer Flughöhe können schon geringe Änderungen der Flugparameter zu einem Überziehen führen.

Die Besatzung reagierte auf den signalisierten Verlust der Geschwindigkeitsanzeige nicht mit der dafür vorgesehenen Prozedur. Der nicht fliegende Pilot (PNF=Pilot non-flying) erkannte zu spät, dass der fliegende Pilot (PF=Pilot flying) das Flugzeug überzog. Nachdem der nicht fliegende Pilot den fliegenden Piloten gewarnt hatte, korrigierte dieser zwar, jedoch war dieses Manöver unzureichend. Der bevorstehende Strömungsabriss wurde durch die Besatzung nicht erkannt, eine sofort erforderliche Reaktion durch die Besatzung unterblieb. Folglich wurde die Grenze des Bereiches überschritten, innerhalb dessen das Flugzeug betrieben werden durfte. Die daraus resultierende Strömungsabrisssituation wurde von den Piloten auch nicht erkannt. Als Folge unterblieben Aktionen, die es ermöglicht hätten, diesem entgegenzuwirken.

Als Erklärung hierfür wird die Kombination der folgenden Faktoren angegeben: Die Piloten erkannten nicht, dass sie dem bei Geschwindigkeitsanomalien anzuwendenden Verfahren nicht folgten, und konnten daher auch keine Abhilfe schaffen. Die für die Sicherheit zuständigen Stellen hatten in ihrem Gefahrenmodell das Risiko, das aus einer Vereisung der Pitot-Sonden erwächst, und die damit verbundenen Konsequenzen nicht ausreichend berücksichtigt. Es fehlte eine Ausbildung für manuelle Steuerung in großer Höhe und wie auf Geschwindigkeitsanomalien zu reagieren ist.

Die Zusammenarbeit zwischen den Piloten wurde gestört, weil die aus dem Abschalten des Autopiloten resultierende Situation nicht verstanden wurde. Daneben führte der aus dem Abschalten des Autopiloten resultierende Überraschungseffekt zu einer hohen emotionalen Belastung der beiden Piloten. Die von den Rechnern identifizierte Unstimmigkeit der Geschwindigkeitssensoren im Cockpit wurde für die Piloten nicht klar erkennbar vermittelt.

Die ausgegebene Überziehwarnung wurde von der Besatzung ignoriert. Dies kann eine Folge mehrerer Umstände sein: Die Art des akustischen Alarms wurde nicht identifiziert. Alarmsignale am Anfang des Ereignisses wurden als irrelevant betrachtet und nicht beachtet. Daneben fehlten visuelle Informationen, die eine Bestätigung des bevorstehenden Strömungsabrisses nach dem Verlust der Geschwindigkeitsanzeige ermöglicht hätten. Möglicherweise verwechselten die Piloten die vorliegende Flugsituation einer zu niedrigen Geschwindigkeit mit der einer zu hohen Geschwindigkeit, denn die Symptome beider Zustände ähneln einander. Daneben befolgten die Piloten Angaben der Flugkommandoanzeigen, die die Besatzung in ihren Aktionen bestätigten, obwohl sie falsch waren. Die Folgen der Neukonfiguration durch den Wechsel der Steuerelektronik in die sogenannten „Alternate Laws“ ohne jedes Anstellwinkel-Schutzsystem wurden von den Piloten nicht erkannt und verstanden.

(Quelle WIKIPEDIA)

Bürgerreporter:in:

Thomas Ruszkowski aus Essen

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