nicht nur zur Fastenzeit: das Opferlamm

schiefgesichtige Alte aus Manching in Niederbayern
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Mitten in die Bautätigkeit und den Generalumbau des Maskenmuseums hinein wieder mal die Ankündigung: Das Fernsehen kommt: MDR –Sendereihe: Außenseiter - Spitzenreiter.
Zwischen Maurerarbeiten und Anstreichen wieder die Hände aufmotzen, um einigermaßen gepflegt zu wirken. Gar noch den Boden von Bauschutt , die Masken von dicken Staublagen für die paar wenigen Drehstunden reinigen: Nein das muss so nicht sein.
Was wollen die denn überhaupt nur von mir in so einer Fernsehsendung?
Bin ich wohl Außenseiter und Freakdarsteller oder ist das nur wegen dem Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde: Spitzenreiter?? Letzteres schmeichelt, ersteres ist dagegen wohl eher die Erfahrungsrealität.
Haben wir es nicht erst wieder erlebt: Der Fernsehseher will genauso wie sein mittelalterlicher Verwandter öffentliche Zurschaustellung von bemitleidenswerten Außenseitern, Missgeschicke und Unfälle, öffentliche Folter und Hinrichtung. Im Jugendkanal des Fernsehens freuen sich unsere Kinder nicht nur mehr über die Torte, die ins Gesicht fliegt, gierig schauen sie nachmittagelang, wenn sich Halbstarke absichtlich vor laufender Kamera gegenseitig die Glieder verrencken oder nach dem Genuß(?) von 40 Hamburgern den Finger in den Mund stecken. Im römischen Kolosseum wird dieses armselige Häuflein Christen an die Löwen verfüttert. Das bringt Zuschauer und Einschaltquoten.
Aber zu mir zurück: Sammler sind psychopatische Freaks, weiß die Psychoanalyse zu berichten. Sammler sind Leute, denen in Kindheit und Erwachsenenalter gemeinschaftliche Bezüge fehlen. Könnte schon stimmen. Ja ich war allein aufwachsendes Einzelkind, das sich seine Langeweile ohne viel Spielkameraden mit dem Suchen von Versteinerungen im nahen Steinbruch vertrieben hat. Nach 50 „ Donnerkeilen“ war immer noch nicht Schluss. Jetzt sind es 6000 Masken.
Nun Außenseiter sind aber auch nützliche und notwendige Glieder kleiner Dorfgemeinschaften. Wer outen kann, wird besser in der Gemeinschaft integriert. Am Außenseiter, am Fremden erlebt man Gemeinsamkeit. Das ist für den Zusammenhalt wichtig.
In den Faschingszügen des Inntals war der aus dem Italienischen hergewanderte Kraxengänger und Gelegenheitshändler, der Vogelfänger als Karner oder Kranewitter hässlich karikiert. Darüber konnte man lachen, wogegen der ernsthafte Scheller und jugendlich schöne Roller gesellschaftlich und mythologisch fixierte Rollen darstellten . Den böhmischen Kesselflickern, Messerschleifern, Störern und Tagelöhner sagte man in Niederbayern nach, dass sie lange Finger machten, wenn die Bauersfrau, der Hofherr mal wieder etwas verlegt hatten.
Im Schweizer Lötschental sind die Rothschäggaten, die mit wenig zusammen passenden Lumpen bekleideten Passgänger echte Gruselmasken zum Winteraustreiben geworden.
Wurde der Fremde, der Außenseiter, das schwarze Schaf in die Wüste verjagt, hatte sich Gruppenneid und –Hass kanalisieren können und die Gemeinschaft war wieder homogen zusammen geschweißt. Einer zum Wohl der Gemeinschaft geopfert, das ist zu verkraften.
Große rheinländische Karnevals-umzüge waren früher undenkbar ohne die großen Schwellköpfe aus Pappmaschee aus Thüringer Fabrikation. Der wohlgenährte und bürokratisch arrogante preußische Polizist mit Pickelhaube, der feiste Fabrikbesitzer mit Zigarre und Monokel wurden als Karikaturen Ziel des Volksspotts.
Glattwangige Fabrikbesitzer mit Nickelbrille sind auch in den Röllimasken der Schweizer March als Masken zu finden. In der Rhön wurden aus früher unliebsamen jüdischen Viehhändlern, die als blaue „Joid“ im Fasching die Rathäuser stürmen, beliebte Faschingsmasken.
Ohne Maske, aber mit Ruß geschwärzt und unkenntlich gemacht, verfolgen die Miesbacher Haberer die unliebsamen Großgrundbesitzer und Regionalpolitiker, lesen ihnen die Leviten und treiben sie übers Haberfeld.
Letztendlich aber trennt alle jene doch noch eine ganz gehörig hohe Stufe vom Kukluxclan mit seinen rassistischen Verfolgungen . Hexen-inquisition gegen Kräuterweiblein und alles Weibliche in der christlich Männerwelt, Steinigung von Frauen in der islamischen Sharia . Rassismus und Religionskriege singen ein Halleluja für das Opferlamm, das die Sünden der hermetischen Kleingruppe übernehmen soll.
War nicht auch dieser Johannes der Täufer, dieser mithräisch angehauchte Wiedertäufer, dieser Jesus von Nazareth, ein Außenseiter im patriarchalisch ausgerichteten Judentum? War es nicht auch dieser Echnaton, der diese mithräische Religion der Verehrung des goldenen Stierkalbs und dem Glauben an die Wiedergeburt einführen wollte und diese Religion den Juden beim Auszug mit auf den Weg gab. Das ist aber längst Vergangenheit.
Lassen Sie uns nun aber einige geographische Sprünge machen: In Indonesien treten im Tempeltheater Krankheitsmasken mit stark verzogenem Gesicht und offen liegendem fast zahnlosem Mund zur Belustigung der Zuschauer auf.
In vielen afrikanischen Kulturen sollen die Krankheitsmasken ob ihrer Hässlichkeit Krankheitsdämonen vertreiben. So hat sich z.B. beim Volk der Pende eine schiefgesichtige halb schwarz-, halb weiß-gesichtige Maske herausgebildet, die für die Entstehung der modernen, kubistisch ausgerichteten abstrakten Kunst bei Picasso und anderen Künstlern von eminenter Bedeutung war.
Jetzt habe ich aber wieder schon so lange von mir abgelenkt.
Bin ich Außenseiter ? Natürlich –nur so gelingt es einem Einzelnen ein Projekt durch zu setzen, worüber andere vielleicht verständlich ihre Köpfe schütteln. Ohne Murren muss man sich dann weiter kämpfen, auch wenn einem bürokratische Hürden und Knüppel zwischen den Beinen landen - Knüppel der Bürokratie, der gesetzlich fest geschriebenen und von realen menschlichen Wünschen weit entfernten Form des sogenannten Allgemeingutes.
„Ich bin“, das einzige überregionale Museum internationaler Maskenkultur im kleinen Provinznest Diedorf. „Augsburg ist“, eine Stadt, die Ihrer einstigen Blüte, Ihrem Einsatz für die Kultur längst nur mehr hinterher trauert, steuerzahlende Industrie verjagt und als Hauptproduktionsgut heute außer ein bisschen Einzelhandel tatsächlich fast nur Bürokratie produziert. Ist kein Geld da ,kann nicht , braucht nicht gefördert werden. Dann werde ich, will ich eben auch allein trotz Förderverein, als Außenseiter mein internationales Maskenmuseum vorantreiben.
Ach ja, das war ja ein ganz nettes Aufnahmeteam vom MDR, das spontan und keinesfalls bürokratisch so ganz schnell mal und einfach eine interessante Sendung gemacht haben. Ausstrahlung Montag , 18. April 2011, 20 Uhr 15.

Bürgerreporter:in:

Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf

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