Kleiner Umweg auf dem Weg zum Einsatz
Fregatte HESSEN besucht die "Feuerrutsche"

Fregattenkapitän Volker Kübsch | Foto: Foto: Deutscher Marinebund
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„Gegen Mitternacht hat die Fregatte Hessen die Straße von Gibraltar passiert und fährt bis zur Suez Kanal Passage im sogenannten Associated Support für die NATO Operation Sea Guardian. Die Besatzung bereitet sich weiter auf den Beginn der Operation EUNAVFOR ASPIDES vor“, meldete die Deutsche Marine am Mittwoch bei Twitter.

Was sie noch nicht meldete:
Heute Nacht änderte die Fregatte HESSEN vor Tunesien ihren Kurs und steuerte das Thyrrenische Meer an, ein Seegebiet, das sich von Sizilien bis an die Nordspitze Korsikas ausbreitet. Der Name leitet sich von dem Volk der Etrusker ab, die im Gebiet der heutigen Toscana lebten.

Die Kursänderung der HESSEN kam nicht so ganz überraschend: Noch liegt kein Bundestagsmandat vor, so dass die 124er Fregatte nicht unter Zeitdruck steht. So bietet sich Gelegenheit, vor dem fordernden Einsatz im Roten Meer auch die schöneren Seiten der Seefahrt zu genießen. Das Schiff passiert aktuell die Insel Stromboli mit ihrem gleichnamigen Vulkan, der seit 1930 durchgängig aktiv ist. In unregelmäßigen Abständen (wenige Minuten bis stündlich) kommt es aus mehreren Krateröffnungen zu größeren und kleineren Eruptionen. Das ausgeworfene Material fällt meist in den Krater zurück oder es rollt teilweise über die Sciara del Fuoco (Feuerrutsche) ins Meer. Ein Schauspiel der besonderen Art, das nachts beeindruckende Bilder liefert. Stromboli gehört mit seinen Nachbarinseln Lipari, Salina, Vulcano, Panarea, Filicudi und Alicudi zur Inselgruppe der Äolischen oder Liparischen Inseln im Tyrrhenischen Meer.

Danach steuert die Fregatte HESSEN die Straße von Messina an, der Meerenge zwischen Sizilien und dem kalabrischen Festland Italiens, die sie vermutlich zwischen 18 und 19 Uhr passieren wird, würde sie sich jetzt auf südlichen Kurs begeben. Mit etwas Glück "erwischen" wir die HESSEN in der Höhe der Hafeneinfahrt von Reggio di Calabria. Dort befindet sich eine Webcam. Wer Zeit und Lust hat, kann ja mal schauen, ob er das Schiff sieht (Screenshot wäre prima!).

Update 18:15 Uhr: Die Fregatte HESSEN hat soeben die Hafeneinfahrt von Messina passiert und wurde von der Webcam erfasst (siehe Fotos).

Unterdessen mehren sich die Berichte über das Schiff im deutschen Blätterwald. Nicht, dass es da ständig neues zu berichten gäbe, aber ein deutsches Kriegsschiff, das in einen Einsatz fährt, um sich dort beschießen zu lassen- welcher Chefredakteur will sich ernsthaft vorwerfen lassen, so etwas zu verpassen? Also steigt die Quantität der Berichterstattung, die die Qualität latent überbietet. So erfuhr der geneigte Leser der Onlineausgabe des Münchener Merkurs, dass „Fregatten die kleinsten Schiffe der Marine“ seien. Erstaunlich. Wie riesig sind dann nach bayerischer Einschätzung wohl Minenjagdboote und Korvetten? Aber vielleicht denkt der gemeine bayerische Chefredakteur ja noch wehmütig an das Großlinienschiff SMS PRINZREGENT LUITPOLD, benannt nach dem gleichnamigen bayerischen Prinzregenten. Das war in der Tat um 30m länger als die HESSEN, brauchte aber auch fünfmal so viel Personal.

Dann folgt im Merkur- Artikel eine Aufzählung der an Bord befindlichen Waffensysteme, die das Schiff „besonders“ machen würden. Knapp daneben. Das wirklich Besondere, die Fähigkeiten der Luftraumüberwachung mittels ihrer Sensoren Smart-L und APAR, wurden leider mit keinem Wort erwähnt. Abschließend zeigt der Merkur fünf Fotos über Fregattenklassen, von denen drei falsch bezeichnet waren. Immerhin: Keines der abgebildeten Schiffe gehörte noch der Kaiserlichen Marine an. Soweit die drolligen Begleiterscheinungen des Einsatzes.

"Die Bedrohung dort ist nun nicht mehr abstrakt, sie ist ganz konkret und besteht aus einer Vielzahl an Waffen, die dort regelmäßig zum Einsatz gebracht wurden", sagte der Kommandant der Fregatte HESSEN, Fregattenkapitän Volker Kübsch. "Ich weiß nur zu gut um die Fähigkeiten des Schiffs und der Besatzung und möchte daher allen Freunden und Angehörigen der Besatzung ein wenig die Sorgen um uns nehmen. Sie können sich in jeder Hinsicht auf uns verlassen."

Auch Experten warnen vor Risiken. "Bei der Operation Aspides ist die Eskalationsgefahr groß. Es ist eine Illusion, dass die Fregatte der Bundeswehr nicht unter Beschuss geraten wird und sich nicht verteidigen muss", sagte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der Welt. "Das ist ein äußerst gefährlicher Einsatz für unsere Soldaten und Soldatinnen."

Natürlich hat Markus Kaim Recht. Und doch ist anzumerken, dass der Beschuss durch die Huthis aktuell nachgelassen hat. Hauptgrund dürfte der Umstand sein, dass westliche und asiatische Reedereien erst gar nicht den gewohnten Weg via Rotes Meer einschlagen, sondern die ungeliebte Route um das Kap der Guten Hoffnung nehmen. Will sagen: Das Risiko für die Fregatte HESSEN ist dadurch schon ein wenig geringer geworden, ohne die Bedrohungslage dadurch klein reden zu wollen. Aber Kommandant Kübschs beruhigende Worte darf man wörtlich nehmen:  Die Technik der HESSEN fasziniert und funktioniert. Und die Frauen und Männer im "Darkroom" der Operationszentrale an Bord wissen damit umzugehen. 

Hoffen wir, dass die Fregatte HESSEN erst gar nicht gefordert wird und Schiff und Besatzung wieder heil und gesund zurückkehren werden. Nach meiner Einschätzung dürfte diese Fahrt übrigens der letzte große Einsatz für Fkpt. Volker Kübsch an Bord der HESSEN sein. Er ist bereits seit September 2021 Kommandant dieser Einheit und nun dürften andere Aufgaben auf ihn warten.

Bürgerreporter:in:

Peter Gross aus Bochum

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