Null Toleranz bei Gewalt

Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Vorstand Krankenversorgung der Bezirkskliniken Schwaben und Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Augsburg.
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Vorstand und Gesamtpersonalrat der Bezirkskliniken Schwaben unterzeichnen eine Grundsatzerklärung. Drohungen, Sachbeschädigungen oder Übergriffe sollen konsequent verfolgt und zur Anzeige gebracht werden.

Vorstand und Gesamtpersonalrat der Bezirkskliniken Schwaben haben eine Grundsatzerklärung gegen Gewalt am Arbeitsplatz unterzeichnet. Klare Botschaft: Die Kliniken, Stationen und Einrichtungen der Bezirkskliniken Schwaben müssen gewaltfreie Orte sein. „Wir, Vorstand und die Gesamtpersonalvertretung, weigern uns, jegliche Form von Gewalt am Arbeitsplatz zu tolerieren“, heißt es in dem Papier. Übergriffe – jede Form körperlicher Gewalt, Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Ausdruck von Gewaltfantasien, sexuelle oder verbale Belästigungen, Stalking oder Mobbing – würden rigoros zur Anzeige gebracht.
Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Vorstand Krankenversorgung der Bezirkskliniken Schwaben und Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses (BKH) Augsburg, berichtet von einer „gefühlten Zunahme der Gewalt“. Das würden nicht nur Rückmeldungen aus den eigenen Standorten ergeben, sondern auch Berichte aus anderen Kliniken und Einrichtungen. „Das können eine Videoaufnahme ohne Erlaubnis des Beschäftigten sein, ein eingeschlagenes Fenster oder in schweren Fällen Übergriffe auf die Mitarbeitenden sein“, sagt Prof. Hasan. In den allerwenigsten Fällen handelt es sich um heftige Übergriffe mit Verletzungen oder gar Traumatisierung des Personals – „aber sie kommen leider auch vor“. „Man muss sich keine Sorgen machen, in der Psychiatrie oder in der Notaufnahme eines Allgemeinkrankenhauses zu arbeiten. In der Summe geht es häufig um kleinere Ereignisse. Dennoch ist diese Entwicklung nicht zu unterschätzen. Sie ist ein Thema in der Medizin geworden und auch eines der Psychiatrie und Psychotherapie“, so der Ärztliche Direktor.
Drei Dinge wollen Vorstand und Gesamtpersonalrat der Bezirkskliniken mit der Erklärung erreichen: „Erstens: Wir haben das Thema erkannt und wollen was tun. Zweitens: Wir möchten uns moralisch dazu verpflichten, etwas zu tun, und klar sagen: Die Psychiatrie ist kein rechtsfreier Raum. Und drittens wollen wir die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Problem lenken“, zählt Prof. Hasan auf.
Wolfgang Heinlein, Vorsitzender des Gesamtpersonalrates, sagt, dass das Thema Gewalt am Arbeitsplatz in den Krankenhäusern allgemein und zum Teil auch bei den Bezirkskliniken lange Zeit ein Tabuthema gewesen sei. „Manche Leitung hat einen Übergriff, eine Belästigung oder eine Bedrohung in ihrem Bereich nicht ernst genommen“, erläutert Heinlein. Eine Auswertung der Bayerischen Bezirke habe ergeben, dass es vor allem im Akut- und Suchtbereich viele Übergriffe gibt. Man wolle jetzt eine „klare Linie“ ziehen und zeigen: Der Arbeitgeber steht hinter seinen Beschäftigten. „Ich bin mir sicher, dass das Bewerberinnen und Bewerber nicht abschreckt, in der Psychiatrie zu arbeiten – ganz im Gegenteil: Sie sehen: Auch dafür ist gesorgt“, sagt der Sprecher der Gesamtpersonalvertretung. Mittlerweile zählen die Bezirkskliniken Schwaben mit ihren neun Kliniken und 14 Standorten, zu denen auch der außerklinische Bereich „Wohnen und Fördern“ gehört, konzernweit 5000 Beschäftigte.
Ob und was die Beschäftigen melden, sollen sie selbst einschätzen und subjektiv entscheiden. Heinlein ist sich sicher, dass das Verhältnis untereinander – zwischen Mitarbeitenden und Patienten – nicht leidet. Gerade in der Psychiatrie und Psychotherapie als „sprechende Disziplin“ sei das gegenseitige Vertrauen eminent wichtig für eine erfolgreiche Therapie. „Aber es muss Grenzen geben und die Regeln müssen klar sein. Im Übrigen können auch andere Patienten betroffen sein“, sagt der Vorsitzende. Mit der Grundsatzerklärung soll jedem versichert werden: „Wir stehen hinter Euch!“ Werden durch bestimmte Handlungen Beschäftigte geschädigt oder Straftaten begangen, „wird die jeweilige Krankenhausleitung die konsequente Ahnung einleiten“, heißt es in der Erklärung.
Nach Angaben von Prof. Hasan wollen die Bezirkskliniken künftig alle Übergriffe unabhängig von der Schwere erfassen. „Die Sicherheit und das Wohlbefinden der Patienten steht für uns an vorderster Stelle. Ein häufiges Problem bei schweren Übergriffen auf Personal sind die nicht ausreichend behandelten psychotischen und manischen Erkrankungen, sowie Intoxikationen. Hier gibt es vielerorts Unsicherheiten in Fällen der fehlenden Behandlungsbereitschaft, so dass notwendige medizinische Maßnahmen wie in seltenen Fällen auch eine Behandlung gegen den Willen zu spät eingeleitet und dann verzögert genehmigt werden“, versucht der Vorstand Krankenversorgung mögliche Erklärungen zu finden. Personalmangel als weitere Ursache von Gewalt ist ein Thema des gesamten Gesundheitssystems – hier bemühen sich die Bezirkskliniken Schwaben, jede freie Stelle umgehend nachzubesetzen.
Opfer von Gewalt am Arbeitsplatz können bei den bestehenden, spezialisierten Teams oder eine durch den Arbeitgeber organisierte, professionelle Hilfe/Nachsorge erhalten. „Wir bieten hierzu Fortbildungen an und wollen die Schnittstellen zur ambulanten Angeboten, der Polizei, Gerichten und dem Krisendienst Bayern verbessern“, sagt Prof. Hasan. Man versuche alles, um das Auftreten von Gewaltvorfällen und Gefährdungen von Beschäftigten und Patient:innen/Bewohner:innen im eigenen Verantwortungsbereich frühzeitig zu erkennen, zu verhindern und zu vermeiden. Auch wenn es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, wollen die Bezirkskliniken das Problem nicht totschweigen.

Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Vorstand Krankenversorgung der Bezirkskliniken Schwaben und Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Augsburg.
Wolfgang Heinlein, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Bezirkskliniken Schwaben.
Bürgerreporter:in:

Georg Schalk aus Augsburg

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