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Selbsthilfegruppe für Haustyrannen

  • Machos sind keineswegs eine aussterbende Rasse....
  • hochgeladen von Sophia Sommer

Ich dachte, die härtesten Nüsse wären in Spanien, Italien und gelegentlich auch in Mexiko zu knacken, doch ich wurde eines Besseren belehrt. "Mach das Bett, bring mir das Essen, putz das Bad" – viel mehr sagt ein klassischer japanischer Haustyrann gewöhnlich nicht zu seiner Ehefrau. In einer Zeit, da Japan als Inbegriff des industriellen Fortschritts, des High-Tech-Booms und brillanter Computer-Innovationen gilt, verharren die japanischen Männer noch immer im tiefsten Mittelalter. Wie ist es nur möglich?
Die Antwort heißt Tradition und Ehre.
Die größte Angst des Japaners ist, sein Gesicht zu verlieren. Die Worte "Entschuldigung" und "Danke" einer Frau gegenüber kommen einem japanischen Chauvinisten nicht über die Lippen – eine Schande wäre das, würdelos und ganz und gar unannehmbar... Nach der Hochzeit glauben viele, dass sie sich nicht mehr um ihre Frau kümmern müssen – seien wir ehrlich, diese Überzeugung vertreten auch unsere europäischen Göttergatten gelegentlich mit Inbrunst. Jetzt weiß ich auch, wo sie diese wahnwitzige Fehleinschätzung her haben – vom selben Hersteller, der auch schon ihren Plasma-Fernseher geliefert hatte. Doch nun schlagen die Frauen nach jahrzehntelanger Demütigung zurück und drohen, ihre Männer zu verlassen. Und die japanischen Tyrannen sind voller Angst...

Die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit haben im Beruf alles erreicht, sie haben Japan zu einer führenden Industrie gemacht und werden jetzt nacheinander in Ehren pensioniert. Doch wohin soll sich ein traditionsbewusster Japaner ab 55 begeben? Was tun mit all der Freizeit? Einen Zen-Garten anlegen und seine Frau terrorisieren – mehr hat er nicht im Sinn. Und die Ehefrau fürchtet sich vor der Möglichkeit, ihren Gatten 24 Stunden am Tag um sich zu haben: viele betroffene Gemahlinnen klagen über tiefe Depressionen, chronische Herzbeschwerden und permanente Panikzustände. Ihr Leben lang waren sie von früh bis spät allein im Haus, erwarteten ihren Gatten an der Tür, sich demütig verbeugend, wenn er heim kam, saßen schweigend daneben, wenn er das Essen einnahm, putzten um ihn herum den Boden und ließen ihm auf Befehl ein Entspannungsbad ein. Nun haben sie die Nase voll – die größte Scheidungswelle der japanischen Geschichte rollt auf das Land zu! Und Seniorenpaare, die zum Teil mehr als 40 Jahre miteinander verbracht haben, trennen sich, weil die Frauen es nicht mehr ertragen, wie Sklavinnen behandelt zu werden.
Und die Männer? Sie haben ihren Halt im Beruf verloren, sie gehören zum alten Eisen, das Einzige, was ihnen noch im Leben bleibt, ist ihre Dienstmagd daheim – und die will sie plötzlich verlassen! Der einzige Ausweg – eine Selbsthilfegruppe für ehemalige Haustyrannen, wo sie lernen, ein besserer Ehemann zu sein.

"Teishu Kanpaku" – "Chauvinistenschweine" – nennen sich die Männer des Vereins selbstironisch. Der 54-jährige Vereinsgründer Shuichi Amano berichtet: "Vor etwa sieben Jahren wurden meine Freunde einer nach dem anderen geschieden. Ich habe davon Zuhause meiner Frau erzählt. Da hat sie mir gesagt: 'Du bist als nächster dran.'"
Seitdem befolgen Amano und seine Leidensgenossen mit eiserner Disziplin das verdammt anspruchsvolle 10-Stufen-Programm zur Besserung:
Stufe eins, seine Frau nach drei Jahren Ehe immer noch zu lieben. Eine einfache Aufgabe, finden die Mitglieder, denn im Grunde ihres Herzens tun sie es wirklich, nur ihre Gefühle auch zu zeigen, das fällt ihnen noch ziemlich schwer.
Stufe zwei: der Mann hilft im Haushalt mit. Das Bad mal selber putzen, die Teller nach dem Essen mal in die Küche tragen – das ist für Kazuya Washizaki ein echter Fortschritt. Er ist stolz auf seine Urkunde, die man nach Erreichen jeder Stufe feierlich ausgehändigt bekommt: "Als Ehemann musste ich zunächst anerkennen, dass die Frau sich nach ihrem Maßstab Mühe gibt", sagt der 43-jährige bei der Preisverleihung, "danach habe ich gesehen, dass andere Frauen nicht besser sind als meine. Das beruhigte mich."
Stufe drei hat erreicht, wer öfters "Bitte" und "Danke" sagen kann, ohne sich wie ein Schwächling vorzukommen: jeden Tag mindestens drei Mal, so besagen die Regeln.
Stufe vier bedeutet, seiner Frau den Vortritt zu lassen. "Ladies first" heißt hier die Devise: Tür aufmachen, Einkaufstüten ins Haus tragen, ohne zu murren – das ist für viele Männer ein schwer verdientes Brot.
Wer mit erhobenem Kopf fähig ist, mit seiner Frau Hand in Hand spazieren zu gehen, hat dann auch gleich Stufe fünf erreicht. Auch dafür gibt es eine Urkunde und Beifall der Kollegen – Zusammenhalt ist den Männern wichtig. Hier erfahren sie Unterstützung, jeder erfolgreiche Ex-Chauvie ist ein Vorbild für die anderen Mitglieder.
Bis Stufe sechs ist es dann auch nicht mehr allzu weit: seiner Frau gut zuzuhören. Dabei lernen die Männer auch, seine Frau nicht für dumm zu verkaufen: sie hat all die Jahre den Haushalt organisiert und die Kinder erzogen – diese Mühe müssen die Männer anerkennen. Und das gilt nicht nur für Japan, wohlgemerkt.
Stufe sieben: ein Problem mit der Schwiegermutter innerhalb eines Tages zu beseitigen. Da ist auch das richtige Verhalten beim Streitgespräch von größter Wichtigkeit: nicht gegenüber der Frau sitzen, sonst schaukeln sich die Emotionen nur hoch. Besser ist es, neben ihr Platz zu nehmen, da fällt die Versöhnung ja gleich viel leichter.
Wer Stufe acht erreicht hat, kann ohne Scham mit seiner Frau essen gehen und sie dabei in aller Öffentlichkeit zärtlich anlächeln. Emotionale "Entgleisungen" dieser Art fordern dabei von einem japanischen Mann einen Muskeleinsatz, der ihm nicht nur seelische Schmerzen verursacht.
Die neunte Stufe – und die höchste, die unter bisher rund 250 Mitgliedern des Vereins erreicht wurde – hat Yoshimichi Itabashi, ein pensionierter 66-jähriger Unternehmer, schon gemeistert: er kann sich ohne Angst bei seiner Frau entschuldigen: "Seitdem ich im Verein der Chauvi-Männer bin, spreche ich mehr mit ihr, höre auf sie und unternehme etwas mit ihr. Dadurch habe ich meine Scheidung abgewendet", sagt er stolz.
Nur die letzte, die zehnte Stufe, hat noch keiner der verbesserungswilligen Haustyrannen erobern können – nämlich, seine Liebe zu bekennen, ohne dabei vor Scham rot zu werden. Anders als Europäern fällt japanischen Männern nämlich ein Liebesgeständnis so richtig schwer: sie befürchten, ihre Frauen könnten hinter ihren Wortübungen eine Geliebte vermuten. Der 59-jährige Kazuyoshi Sato probiert es deshalb als Vorübung, "Du bist niedlich" zu sagen, aber auch für diesen Satz braucht er gelegentlich schon mal einen großen Schluck Sake, um sich etwas Mut anzutrinken. Doch bis zum schmerzlich-peinlichen Liebesgeständnis ist es noch ein sehr weiter Weg...

Amano, der Gründer des Chauvinistenschweine-Vereins, vergleicht den Moment, als seine Frau das Wort "Scheidung" aussprach, heute noch mit einer Nahtod-Erfahrung: plötzlich erkannte er sich selbst als Haustyrannen, der seine Frau nur herumkommandierte. Seitdem strengt er sich Zuhause richtig an, und hat einen guten Tipp für alle Männer, die es ihm nachtun wollen: "Wichtig ist, das der Ehemann sich ändert, ohne von der Frau zu verlangen, dass auch sie sich ändern soll. Sonst wird er kein Lächeln bekommen." Er muss es ja schließlich wissen, wo ihm doch selbst so schnell damals das Lachen vergangen war. Und auch unsere europäischen Männer sollten sich das Verhalten der Ex-Tyrannen aus Japan zum Vorbild machen. Doch wir Frauen profitieren nicht immer vom unkoordinierten Eifer unserer Machos, die sich urplötzlich in ein Schoßhündchen des trauten Heims verwandeln.

Mein Ex-Freund hatte damals, wenn auch rein zufällig und ohne sich dessen im Grunde wirklich bewusst zu sein, wohl auch im Sinn, mich nach japanischem Beispiel wieder zu erobern und schoss dabei blauäugig über das Ziel hinaus, ohne den eigentlichen Sinn der Übung erkannt zu haben: wie eine Rakete düste er selbstzufrieden innerhalb der Rekordzeit von zwei Wochen durch das komplette Programm, bevor er den elften Schritt frei erfunden hatte, um am Gipfel seiner Bemühungen förmlich zu explodieren:
Eines Montags gegen kurz nach zwei bimmelte das Telefon auf meinem Büroschreibtisch.
Ich hob den Hörer ab und lauschte verblüfft den Worten meines einst so selbstverliebten und überaus eitlen Machos, dessen Stimme sich plötzlich vor Rührung fast überschlug:
"Schatz, mir ist langweilig! Wann kommst du endlich nachhause?"

In diesem Leben wohl nicht mehr, mein Lieber,
Servus,
Sophia Sommer

8 Kommentare

ich möchte den Gedanken noch etwas radikalisieren:
ich glaube, es ist kein beziehungsmäßiges problem, sondern ein individuelles. ab grob geschätzt anfang mitte 30 verlieren viele ihren drang (sofern er jemals vorhanden war), sich neuen dingen auszusetzen, sich immer wieder persönlich herauszufordern, zu lernen, sich zu verändern. und das führt meines bescheidenen einschätzungsvermögens nach direkt in den abgrund der a) ehe-/beziehungslangeweile und b) in die midlife crisis. ich weiss nicht, welchen reiz es ausübt, sich es in einem komplett sorglos paket gemütlich zu machen, aber ich denke, es ist immer der falsche weg. denn leben ist veränderung, stetiges weiterentwickeln, an sich arbeiten, lernen...
wer es bei sich selbst nicht tut, wird es in der beziehung wohl auch nicht tun.
aus amen äpfel.

Sollte "aus, amen, äpfel" den Schluss der Diskussion einläuten?
Mitnichten, sage ich und möchte ebenfalls eine Radikalisierung ins Feld führen und einen undankbaren Part des Widerspruchs übernehmen:
selbstverständlich verändert sich unser Leben und man muss sich mit verändern, jedoch bestehe ich darauf, dass die Familie bzw die Ehe oder auch eine Beziehung einen "Ruhepol" darstellen sollte und da sind mir größtenteils in geregelten Bahnen verlaufende Komponenten, die Vertrauen und Verlässlichkeit ausstrahlen, extrem wichtig. Der Mann in meinem Leben ist eine (wünschenswerte) Konstante: er muss berechenbar bleiben, wenn das auch natürlich keinesfalls heißen soll, dass es uns beiden langweilig ist. Mit Anfang 30, da ist man schon recht eingefahren oder zumindest als eine Persönlichkeit gefestigt und daher möchte ich mich auf bestimmte Charakter- und Handlungszüge meines Liebsten verlassen können. Wenn ich ihn als einen bedachten, konsequenten Partner kennen- und lieben gelernt habe, dann möchte ich nicht eines Morgens davon überrascht werden, dass er anstatt seinem "Muster" zu folgen und unser Geld sinnvoll zu investieren auf einmal ein Risikogeschäft anleiert, um möglichst schnell, aber eben unbedacht an viel Geld zu kommen, oder plötzlich auf die Idee kommt, Skydiving extrem zu betreiben, um seiner Midlifecrisis entgegen zu arbeiten, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich Todesängste daheim ausstehe, weil ich mit der Möglichkeit rechnen muss, er könnte bei jedem seiner Abenteuerausflüge abstürzen und mich so grausam verlassen. Hier, wie überall, ist dann doch Relation angebracht: wenn Veränderung bedeutet, er interessiert sich für neue vegetarische Küche oder möchte, um Ausgleich für seinen Job im Büro zu schaffen, sich mit der Malerei des 18. Jahrhunderts zu befassen, hat er meinen Segen. Wenn er jedoch gedankenlos dabei auch meine Zukunft aufs Spiel setzt, nur um seinen angestauten Frust zu bewältigen, dann fürchte ich, nicht besonders amüsiert zu sein: Man ist immer noch ein Paar – sich radikal zu verändern, ohne den anderen in diese Veränderung mit einzubeziehen, und wenn es nur heißen soll, in Ruhe darüber zu reden, halte ich nicht für besonders rücksichtsvoll.

ich weiss nicht, ob das einen gegenpol darstellt zu dem was ich gesagt habe.
ich meine mit veränderung ja nicht unbedingt extreme. ich halte es eh für sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand ohne vorankündigung von einem gemütlichen mensch ohne sportliche ambitionen zu einem fallschirmspringer entwickelt.
entwicklungen können ja in die verschiedensten richtungen gehen. und sind meist in der grundnatur des menschen angelegt. richtig, man schliesst mit partnerschaften kompromisse. richtig auch, dass das bedeutet sich nicht egoistisch auszutoben und keine rücksicht auf den anderen zu nehmen.
aus meiner persönlichen erfahrung heraus liegt das problem aber viel seltener darin, dass ich einer in eine so extreme richtung weiterentwickelt, dass er den anderen abhängt (wo man sich zudem fragen kann, ob die partnerwahl von anfang an richtig glücklich war). vielmehr ist es wohl schwierig, sich in dem kompromissgeflecht (was ja das schöne der beziehung ausmacht, das soll nicht negativ klingen), weiterhin persönlich auch weiterzuentwickeln (in der richtung, die meist eh schon von natur aus angelegt ist).
und es gibt menschen, da ist vielleicht die entwicklung vom klettern zum skydiven angelegt, und welche wo es vom karrieresprung zum familienvater geht, welche, die den sprung aus der karriere zum sozialen engagement machen, oder vom fleischessen zum vegetarier.

Die Fähigkeit und der Willen zu Änderung ist eine andere sache. dort möchte ich meinen, dass es eine veranlagung ist, die bei menschen unterschiedlich ausgeprägt ist, und leider nur die wenigsten eine konstante (nachvollziehbare) entwicklung durchmachen.

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