Dem Laubfrosch auf der Spur: Audienz im Königreich der Raudaubrüder

Laubfrosch-Fortpflanzungsgewässer am Südostrand des Brücker Waldes. Das Stillgewässer ist als Ausgleich für Siedlungserweiterungen der Stadt Stadtallendorf entstanden (Foto: Leif-Erik Zaschke, 14.05.2011)
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  • Laubfrosch-Fortpflanzungsgewässer am Südostrand des Brücker Waldes. Das Stillgewässer ist als Ausgleich für Siedlungserweiterungen der Stadt Stadtallendorf entstanden (Foto: Leif-Erik Zaschke, 14.05.2011)
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Stadtallendorf / Amöneburg: Am 13.05.2011 fand in Rüdigheim und Niederklein eine Informationsveranstaltung über den in Hessen vom Aussterben bedrohten Laubfrosch statt, die von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf sowie den Städten Amöneburg und Stadtallendorf ausgerichtet worden ist. An einen Vortrag von Diplom-Biologe Ronald Polivka schloss sich eine Exkursion zu einem Laubfrosch-Rufstandort am Brücker Wald bei Niederklein an. Anlass der Veranstaltung waren die sechsten Naturschutz-Erlebnistage in Hessen.

Der Laubfrosch - Froschkönig und Radaubruder
Der Laubfrosch gehört zu den bekanntesten heimischen Amphibien und kann auf eine lange Medienkarriere zurückblicken. Als „Froschkönig“ hat er bereits Eingang in Grimms Märchen gefunden. Auch das Bild vom im Einmachglas mit einer Leiter sitzenden Wetterfrosch ist allgemein bekannt. Mittlerweile tritt der Laubfrosch als Stoffpuppe Kermit in der Sesamstraße und als computeranimierter Co-Moderator „Fridolin“ in der Wettervorhersage eines regionalen Fernsehsenders auf. Das mittlerweile sehr selten gewordene „Original“ kennen nur wenige nur wenige Bürger aus eigener Anschauung.
Der grasgrün gefärbte Laubfrosch sieht von oben aus, wie mit dem Leuchtmarker angemalt. Zwei dunkle Seitenstreifen trennen die grüne Oberseite von der weißlich-grauen Bauchseite. Die zu Saugnäpfen aufgeweiteten Zehen sind unter den mitteleuropäischen Froschlurchen einmalig. Mit einer Körperlänge von 3,5 bis 5 cm und einem Gewicht von 4 bis 6,5 g ist unser der Froschkönig eher ein Zwerg. Doch in der In der Paarungszeit verwandeln sich die Männchen der Winzlinge zu nächtlichen Radaubrüdern: Der Ruf der Laubfrosch-Männchen kann Lautstärken bis zu 90 Dezibel erreichen. Bezüglich der Lautstärke kann der Laubfrosch mit einem in fünf Meter Entfernung vorbeifahrenden LKW mithalten. Gruppen rufender Männchen sind bis zu einen Kilometer weit hörbar.
Zur Fortpflanzung werden sehr unterschiedliche Gewässer aufgesucht. Das Spektrum reicht von Tümpeln und Teichen bis zu den Verlandungsbereichen größerer Seen. Aber auch technische Strukturen wie die Betonbecken von Panzerwaschanlagen werden angenommen. Geeignete Fortpflanzungsgewässer sind pflanzenreich und müssen voll besonnt sein und sich schnell erwärmen. Die Larven des wärmeliebenden Laubfrosches baden gern lau und bevorzugen Wassertemperaturen von 24-28°C. Die Landlebensräume müssen strukturreich und mit Bäumen, Hecken und Gebüschen ausgestattet sein, die als Sitzwarten und zur Jagd nach Insekten genutzt werden. Die Überwinterung erfolgt an frostfreien Orten wie Erdhöhlen, Baumstubben oder Laubhaufen, die sich möglichst nahe am Laichgewässer und Landlebensraum befinden sollen.
Laubfrosch-Gemeinschaften bilden Metapopulationen: Zwischen eng beieinander liegenden Laichgewässern besteht ein reger Individuenaustausch.
Die natürlichen Lebensräume der Laubfrösche lagen in den Auen der größeren Flüsse, in denen bei den regelmäßigen Hochwässer immer wieder Kleingewässer entstanden sind.

Verbreitung des Laubfrosches in Hessen
In Mittel und Nordhessen besitzt der Laubfrosch einen Verbreitungsschwerpunkt in den zentralen Niederungen, zu denen die Horloffaue, die Niddaaue, die Wetterniederung bei Lich und Hungen, die Schwalmaue bei Treysa und die Erderaue bei Felsberg, Fritzlar; Wabern und Felsberg gehören. Die höher gelegenen Mittelgebirgslagen werden von der wärmeliebenden Art gemieden. In den hessischen Rheinauen fehlt der Laubfrosch.
Im Ostkreis Marburg Biedenkopf befindet sich ebenfalls ein Schwerpunktvorkommen des Laubfrosches. Hier ist die Mehrzahl der Vorkommen am Süd- und Südostrand des Brücker Waldes und in der Gleen- und Joßkleinaue nördlich Niederklein konzentriert. Zu dem Bereich zählen aber auch die Kuhteiche bei Emsdorf, ein neu angelegtes Stillgewässer am Kreuzborn bei Erksdorf und die im Herrenwald gelegene Freifläche des Standortübungsplatzes Kirtorf, die bereits im Vogelsbergkreis liegt.

Erfolge im Artenschutz
Unter den Laubfrosch-Vermehrungsgewässern bei Stadtallendorf befinden sich drei Flächen (Südostrand Brücker Wald, ehemaliges Lager Drausmühle und Kreuzborn), die seit Mitte der neunziger Jahre im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen für kommunale Bauvorhaben angelegt entstanden sind. Ein weiteres Kleingewässer ist in diesem Frühjahr am Saurasen bei Schweinsberg angelegt worden. Am Brücker Wald ist der Bau weiterer Kleingewässer geplant.

Weitere Maßnahmen erforderlich
Trotz dieser Erfolge befinden sich die Laubfrosch-Vorkommen bei Stadtallendorf noch nicht in einem optimalen Zustand. Die Teilpopulationen sind zu klein und zwischen einzelnen Vermehrungsgewässern bestehen zu große Abstände. Der Verbund zwischen den einzelnen Lebensräumen ist nicht gewährleistet. Im Artenhilfskonzept für den Laubfrosch sind für den Bereich Ohmtal / Brücker Wald die Vergrößerung der Laubfrosch-Bestände (Ausbildung einer Metapopulation), die Neuanlage von geeigneten Gewässerkomplexen und die Wiederbesiedlung der Auenlandschaft an der Ohm als Ziele formuliert.
Eine Daueraufgabe bleibt auch die Pflege der von Natur aus kurzlebigen Kleingewässer. Stark wüchsige Wasserpflanzen wie der Rohrkolben oder Schilf führen innerhalb weniger Jahre zur Verlandung von Tümpeln. Außerdem siedeln sich an den Ufern rasch Gehölze an, die die verbleibenden Wasserflächen verschatten.

Biotoppflege mit dem Bergepanzer
Die im FFH-Gebiet „Herrenwald östlich Stadtallendorf“ gelegene Freifläche des Standortübungsplatzes Kirtorf ist aus Naturschutzsicht ein besonderer Pflegefall: Seit der Umstrukturierung und Verkleinerung der Bundeswehr sind in Stadtallendorf keine Kampfpanzer mehr stationiert, die bei den regelmäßigen Übungen auf der Freifläche für die Entstehung von Tümpeln und mit Wasser gefüllten Fahrspuren sorgen. Eine Pflege oder Neuanlage von Kleingewässern mit „normalen“ Arbeitsmitteln ist jedoch nicht möglich, da das Areal seit der Bombardierung des ehemaligen Feldflugplatzes am 24.03.1945 und der unsachgemäßen Sprengung von Munition in den Nachkriegsjahren hochgradig mit Blindgängern verseucht ist und nicht betreten werden darf. Auf dem Hessentag in Stadtallendorf wurde bei der Ausstellung „Bundeswehr und Umweltschutz“ ein rund 40 Tonnen schwerer Bergepanzer präsentiert, der nach dem Landesfest die Freifläche des Standortübungsplatzes nach den Vorgaben der Pflegeplanung „beackert“ hat.

Gefährdung durch Lebensraumverlust und Killerkarpfen
In vielen Landesteilen Hessens ist der Laubfrosch zu einem König ohne Reich geworden. Viele Flüsse und größere Bäche sind begradigt und eingedeicht, die Auen werden entweder intensiv landwirtschaftlich genutzt oder sind bebaut. Kleingewässer können in diesen naturfernen Kulturlandschaften nicht mehr entstehen. Als weitere Gefährdungsursachen sind die Zerstörung und die unzureichende Pflege von Laichgewässern oder die Entwässerung von Lebensräumen und die Zerschneidung von Lebensräumen durch Verkehrswege anzuführen.
Fische haben Laubfrösche bzw. ihre Larven zum Fressen gern. Daher werden Gewässer mit Fischbesatz in der Regel nicht von Laubfröschen besiedelt. In den naturnahen Kleingewässern im Hußgeweid im FFH-Gebiet Brücker Wald konnten Naturbeobachter in den vergangenen Jahren beim Blick auf die Wasserfläche Rot sehen: Immer wieder sind von Unbekannten Goldfische ausgesetzt worden. Die aus dem Gartenteich entsorgten Killerkarpfen haben sich mit gesundem Appetit über Libellenlarven, Laich und Kaulquappen der Amphibien hergemacht und damit geschützte und gefährdete Arten vernichtet. Zudem wird durch die Ausscheidungen der gefräßigen Fremdlinge die Wasserqualität beeinträchtigt.
Laubfrosch und andere Wassertiere werden aber auch durch die vermeintliche „Bereicherung“ der Pflanzenwelt durch Seerosen, Nadelkraut, Wasserpest oder Krebsschere beeinträchtigt, da diese ehemaligen Gartenteichbewohner die einheimischen Wasserpflanzen verdrängen und die Verlandung der Tümpel stark beschleunigen. Das Abfangen der Fische und die vorzeitige Entkrautung und Entschlammung der Kleingewässer ist zudem mit hohen Kosten verbunden.
Anfang Mai 2011 hat das für die Betreuung des FFH-Gebietes „Brücker Wald und Hußgeweid“ zuständige Regierungspräsidium Gießen an den Tümpeln Hinweistafeln aufstellen lassen, die Besucher auf die Gefährdung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt durch das Aussetzen exotischer Tiere und Pflanzen hinweisen.

Weitere Informationen
Artenschutzinfo 8: Der Laubfrosch in Hessen
Ein König sucht sein Reich – Das Laubfroschprojekt in Hessen (NABU Hessen)
Vorträge zum Artenhilfskonzept für den Laubfrosch (Naturschutz-Akademie Hessen)

Bürgerreporter:in:

Leif-Erik Zaschke aus Stadtallendorf

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