Zahnärztliche Betreuung von Pflegebedürftigen - eine Herausforderung für die Zukunft

Mit gesunden Zähnen alt werden. Zahnärztinnen und Zahnärzte helfen ihren Patienten. | Foto: Initiative proDente e. V. Köln
  • Mit gesunden Zähnen alt werden. Zahnärztinnen und Zahnärzte helfen ihren Patienten.
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Im Patientenmagazin „Lückenlos“, das von den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in Deutschland herausgegeben wird und bei allen Zahnärzten erhältlich ist, erschien ein Beitrag, der sich mit der zahnärztlichen Betreuung von Pflegebedürftigen beschäftigt. Da dieses Thema durch die demographische Entwicklung in Deutschland immer größere Bedeutung erlangt, möchte ich den Lesern von MyHeimat gern die Gelegenheit geben, das Interview zu lesen.

Frage: „Herr Dr. Mittermeier, wie ist die Betreuung von Pflegebedürftigen zur Zeit geregelt?“

Dr. Mittermeier: „Geregelt ist zur Zeit gar nichts. Handelt es sich um Pflegebedürftige, die eine zahnärztliche Praxis aufsuchen können, unter Umständen mit Begleitung, wird eine Betreuung und Behandlung durchgeführt wie bei allen anderen Patienten auch. Probleme gibt es immer dann, wenn die Mobilität der Patienten eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden ist. Dann ist eine Betreuung und eingeschränkt auch eine Behandlung nur dadurch möglich, dass die Zahnärztin/der Zahnarzt „Hausbesuche“ macht. Dies ist nur mit großem Personal- und Zeitaufwand möglich, dies auch nur in einem eingeschränkten Rahmen. Eine grundsätzliche „aufsuchende Betreuung“ durch die Zahnärztin/den Zahnarzt ist im System der GKV zur Zeit nicht verankert.“

Frage: „Wird der Wunsch nach einem Zahnarzt-Hausbesuch oft an Sie heran getragen?“

Dr. Mittermeier: „Hauptsächlich nur in akuten Einzelfällen, d.h. beschwerdeorientiert. Nur etwa 30 % der Pflegebedürftigen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, leben in entsprechenden Pflegeinrichtungen. Natürlich ist eine präventive Betreuung und ggf. eine Behandlung hier leichter zu organisieren und durchzuführen. Die große Mehrheit der Pflegebedürftigen lebt jedoch zu Hause und wird von Angehörigen oder ambulanten Pflegediensten betreut. Eine regelmäßige Betreuung durch einen Zahnarzt mit dem Ziel einer weitgehend Gesunderhaltung der vorhandenen Zähne , bzw. zahnprothetischen Versorgungen, findet nur in Ausnahmefällen statt. Es gibt in verschiedenen Bundesländern Betreuungs-Projekte, die mit den Trägern der Pflegeeinrichtungen oder mit einzelnen Krankenkassen vereinbart und durchgeführt werden.“

Frage: „Welche Aufgaben kommen bei der Mundgesundheitsbetreuung dem geschulten Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen und bei ambulanten Pflegediensten zu?“

Dr. Mittermeier: „Zugegeben, die Zahn- und Mundgesundheit stellt nur einen kleinen Bereich der weitgehenden täglichen pflegerischen Aufgaben dar. Es ist an dieser Stelle die Aufgabe des Pflegepersonals, die ihnen anvertrauten Pflegebedürftigen bei den täglichen Hygienemaßnahmen zu unterstützen, diese ggf. für sie durchzuführen.
Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass das Pflegepersonal häufig nicht ausreichend über Informationen zur Zahn- und Mundgesundheit verfügt. Hier könnten regelmäßig kurze Schulungen zu diesen Themen angeboten werden, sowohl für das Personal in den Einrichtungen, aber auch für die Mitarbeiter/Innen von ambulanten Pflegediensten. Leider muss in vielen Fällen ein mangelndes Interesse der Heimleitungen an der Mundgesundheit festgestellt werden. Darüber hinaus fehlt es größtenteils an einer Finanzierung des zahnärztlichen Engagements an dieser Stelle, auch fehlende Ausbildungsinhalte zur Mundhygiene in der Pflege werden bemängelt. Der leider zu oft begangene Weg, „Wenn die letzten Zähne weg sind, wird das Essen eben püriert“ ist dabei der schlechtere Weg“. Besser ist: Bei Eintritt in eine Pflegeeinrichtung / bei Aufnahme in einen ambulante Pflegebetreuung wird der Zahnstatus festgestellt, der dentale Pflegebedarf festgelegt und beschrieben und eine regelmäßige prophylaktische Betreuung organisiert. Oftmals sind in Vorjahren aufwändige prothetische Versorgungen bei den Patienten durchgeführt worden. Diese gilt es durch zahnmedizinische Betreuung ebenfalls langfristig zu erhalten.“

Frage: „Warum ist die Mundhygiene gerade auch im fortgeschrittenen Alter und bei Behinderten so besonders wichtig?“

Dr. Mittermeier: „Der Erhalt der Kaufähigkeit und das Erreichen eines keimarmen Mundmilieus ist nicht nur ein Teil der allgemeinen Körperhygiene. Neben den direkten Auswirkungen von Karies und Parodontopathien, wie Zahnschmerzen und Zahnentzündungen, ist die Zahngesundheit für den genannten Personenkreis auch von großer allgemeinmedizinischer Bedeutung: Hohe Keimbelastung der Mundhöhle, Parodontitis, Zahnverlust mit Verlust der Kaufunktion haben Auswirkungen auf bestehende Allgemeinerkrankungen wie Diabetes, Herz-, Kreislauferkrankungen, Magenerkrankungen (Fehl- oder Mangelernährung) und belasten eine angegriffene Allgemeingesundheit zusätzlich.“

Frage: „Was kann die Zahnärztin/der Zahnarzt an Maßnahmen leisten, wenn der Pflegebedürftige in seinem aktuellen Umfeld –Bett, Rollstuhl, Sessel- betreut oder gar behandelt werden muss?“

Dr. Mittermeier:“ Betreuung ist immer möglich, d.h. mit dem geeigneten Equipment (Stirnlampe o.ä. zur Ausleuchtung der Mundhöhle) können Befunde aufgenommen werden, der Zustand der Zähne/ des Zahnersatzes beurteilt werden, ggf. Abformungen für Prothesenreparaturen vorgenommen werden. Der umfassende Leistungskatalog der GKV ist sicherlich nur zu einem kleinen Teil mit Hilfe „mobiler Behandlungseinheiten“ in Kofferformat zu erbringen. Die Devise lautet dabei: „Die Behandlungsnotwendigkeit soll nicht nur die zwingende Indikation berücksichtigen, sondern auch die Durchführbarkeit (Kooperationsfähigkeit) und Bereitschaft zur Behandlung“. Dabei kann aber dieser Einsatz unter Umständen weitergehende Maßnahmen wie umfangreiche Füllungstherapie oder gar Zahnextraktionen auch verhindern durch Früherkennung von Problemen.“

Frage: „Wie soll Ihres Erachtens eine zukünftige zahnmedizinische Betreuung von Pflegebedürftigen in der Zukunft organisiert werden?“

Dr. Mittermeier: „Die beschriebene Versorgungslücke unterstellt, wird sich diese vor dem Hintergrund einer erwarteten demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren noch verschärfen. Insofern ist ein Handeln notwendig. Bei der Organisation sind aber meines Erachtens vorrangig regionale Besonderheiten zu berücksichtigen, aus diesem Grund können auf der Bundesebene lediglich Rahmenbedingungen geschaffen werden."

Ich bedanke mich bei Herrn Dr. Dirk Mittermeier, dass er mir den Text zur Verfügung gestellt hat.

Kontakt bei uns in Hessen:
Landeszahnärztekammer Hessen
Annette C. Borngräber
Rhonestr. 4,
60528 Frankfurt
069 427275-114
E-Mail: borngraeber@lzkh.de
Internet: www.lzkh.de

Bürgerreporter:in:

Herbert Köller aus Stadtallendorf

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