Seelze 1696 [Teil5] - Nimm die Hand von der Magd.

Zu Tode erschreckt...
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Wir schreiben das 1692, der große Krieg war beendet. Der 30-jährige Krieg wie man ihn heute nannte, ging von 1618-1648, eigentlich hätten Übergriffe auf die Landbevölkerung längst der Vergangenheit angehören müssen. Aber auch bei uns im Calenberger Land waren immer noch dunkle Gestalten unterwegs und hielt weder ihrem Herrn noch einem guten Gesetz die Treue. Solche Leute fanden sich auch in dem Ort Seelze ein. Sie ließen sich erst als harmlose Wanderer im Krug nieder. Sie zahlten ihre Zeche mehr oder weniger pünktlich. Aber dafür aßen sie mehr als ihnen zu stand und tranken so manchen Krug des Nachbarn leer. Was ihnen immer wieder eine ‚harte Faust‘ einbrachte oder sie kurzer Hand vor die große Holztür des Kruges gesetzt wurden. Doch schon bald meist am nächsten Abend, waren sie wieder in der Schänke.

Es war schon fast soweit des der alte Marcus seinen Gang durch Dorf machen wollte. Marcus war ein Söldner aus dem dänischen. Der großgewachsene blonde Kerl, war in den Söldnertruppen Tillys bekannt geworden. Seine rechte Hand konnte er nicht mehr zur Faust ballen, ein Schwerthieb traf ihn im Kampfe. Auch zog er das linke Bein ein wenig nach. Im Kampfgetümmel war ihm ein Reiter oder besser gesagt sein Ross auf den Fuß gestiegen. Wer aber glaubte Marcus konnte sich nicht wehren der hatte sich getäuscht. Wenn Not am Mann war sprang er auf und hinkte behänden Schrittes auf seinen Widersacher zu verpasstem dem verdutzten Kontrahenten einen kräftigen Schlage mit der Außenkante seiner Hand. Wie vom Blitz getroffen schnellte er danach zu Boden. Die Kraft und seine sonst aber sehr ruhige Wesensgestalt brachte den Vogt dazu ihn als eine Art Nachtwächter zu besolden. Trotz seines er geringen Lohnes machte er seine Arbeit sehr gut, fanden besonders die Amme und der Pastor wenn sie spät abends von ihren Hausbesuchen heimkehrten.

Inke die Jungmagt am Hof der Halbmeier Christian Meyer, war auf dem Weg vom Fährmanns Haus zum heimatlichen Hof. Der Hof befand sich am Kreuzweg. So nannten die Leute den Weg, der den Postweg von Hannover nach Luthe, dem Amtssitz des Landvogts, kreuzte. Sie war aber noch nicht bei den Kirchhöfnern angekommen. Kichhöfner waren zum sehr einfach Leute die sich rund um St. Martin angesiedelt hatten. Für kleinen Hütten und ihren kleiner Gemüsegarten brauchten sie dort keinen Zehnt zu entrichten. Dafür halfen sie in ihrer Freizeit dem Pastor. Auch waren sie für kleine Gefälligkeiten da. Sie ging durch das kleine Hainstück zwischen Leine und Kirchhof. Es war dunkel und schon frisch, denn der Herbst zeigte schon sein Kommen an. Nicht ganz wohl war ihr in diesem Waldstück im dem die Zimmerleute schnellwachsende Bäume für ihre Arbeiten holten. Plötzlich, es war still und ruhig geworden. Verdächtig ruhig. Hörte man doch sonst mal das letzte Zappeln der Beute der alten Eule aus dem Kirchturm. Sie wie sie lautlos durch die Bäume schoss wenn sie ihrer Jagt nachging. Aber heute war es still und schon recht bewölkt das man den Mond auch nicht sehen konnte. Doch dann ganz unvermittelt, zwei Augen und ein schmierig, zerfurchtes und vernarbtest Gesicht erschien vor ihr. Gerade als ihr die Hand an die Schulter greifen wollte, konnte sie einen schnellen Schritt zur Seite tun. Die Angst und ihre jungen Jahre brachten ihr einen guten Vorteil. Sie sprang über die Wurzel der gefällten Bäume. Mit angsterfülltem Gesicht rannte sie über den Kirchhof in Richtung zum Wirtshaus zu. Doch die Schritte hinter ihr waren deutlich zu hören. Er schnaufte und ratschte durch die Zweige des Untergehölz. Lange würde der Abstand zwischen ihnen nicht halten. Schon war auch er auf dem Kirchhof und seine Schritte wurden schneller. Ihr Herz raste förmlich. Und die Angst in ihr wurde immer größer. Konnte sie doch nicht hoffen, dass dieser Kerl ihr nur mal so auf den Allerwertesten klatschen wollte. So wie es die besoffenen Kerle im Wirtshaus machten, wenn sie mal wieder den Bauern abholen musste. So manchen Sonntag schaffte dieser es, nach der Sonntäglichen Predigt, nicht am Krug vorbei. Wenn er dann auch in den Nachmittagsstunden nicht ankam schickte die Bäuerin sie, ihn zu holen.

Doch dieses Mal war das was ganz anderes. Wollte der Kerl doch ganz was anderes mit ihr Treiben. Und ob sie dann ihre jungfräuliche Ehre noch inne hatte, wer konnte das sagen. Diese besondere Ehre wollte sie doch, wie es Sitte und Anstand wäre, ihrem Bräutigam geben. Jetzt wo auch ihr die Luft langsam knapp wurde, griff eine starke genarbte Hand nach ihr und riss sie zu Boden. Jetzt ist es aus dachte sie noch mit weit aufgerissenen Augen. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Kein Laut drang aus ihrem Mund. Nur die Adern am Hals die pochten wie wild. Schützend die Hände vors Gesicht lag sie auf dem Rücken. Spürte sie doch die zerfurchte Wegeinfahrt zum Krug. Sollte man ihr doch noch helfen können. Aber nein das war nicht möglich. Das Licht im Krug war längst gelöscht und die Bauer und Knechte waren längst auf ihren Höfen und Schuppen. Doch wie sie auch wartete, es kam keine Hand die nach ihr griff. Keine dreckigen Lippen die nach ihr gierten. Was war geschehen? – Sie hörte nur einen knallenden Schlag an den Kopf einen Mann. Ein Tritt der ihn offensichtlich in den Hintern traf. Recht schmerzhaft wohl. Wie die schnell weghumpelnden Schritte erahnen ließen. Zu vor hörte sie noch das zerreißende Geräusch, wie es entsteht wenn man einen Leinenlumpen zerteilt.
Einen Augenblick später, griff ruhig und vorsichtig eine Hand aus der Dunkelheit nach ihr. Ein Hand die sie kannte. Denn war es doch eine Hand die sich nicht vollständig schließen ließ. Es war die Hand des alten Marcus, dem Nachtwächter. Mochte sie doch sonst seine Raue und ein wenig undeutliche Sprache nicht gerne hören. Auch verstand sie nicht alles was es ihr sagte. Waren doch immer wieder dänische Wortfetzen darin verstrickt. Aber heute, heute Abend wollte sie dem Alten Manne um den Hals fallen und ihn küssen. Dieser merkte von ihrem Vorhaben und lachte. Lachen sah sie den raubeinigen Kriegsgesellen eigentlich noch nie. Doch heute lachte er ihr freundlich zu und sagte ihr: „Diese freundliche und liebevolle Wesen, wie du es bist, gehört doch dem Michel. Hebe die Zärtlichkeiten für deinen zukünftigen Bräutigam auf.“ Mit diesen Worten hob er sie auf und strich er vorsichtig ihre Schürze glatt. Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen gab er ihr einen Lederbeutel. Das war also das Geräusch was sie vorhin vernahm. Hatte er dem Strolch seinen Geldbeutel abgerissen, während er ihn aus dem Dorf verjagte. Und vermissen würde der den Inhalt sich nicht lange. Doch der Nachtwächter gab ihr den Beutel mit den Worten: „Nimm ihn hin, für den Schrecken. Nutz den Inhalt für deine Zwecke. Er wird so bald hier nicht auftauchen.“ Er der alte Marcus, bräuchte so viel Silberstücke nicht mehr in seinem Leben. Aber ihr und ihrem Michel würden sie den Start in ihr gemeinsames Eheleben erleichtern. Was er damit meint sollte ich er am nächsten Morgen bewusst werden. Sie erzählte ihrem Michel von dem schändlichen Verlangen des Narbengesichtes und von den Schlägen die er dafür vom Nachtwächter einstecken musste. Auch sagte sie, mit einem leichten Augenaufschlag, wie dankbar sie dem alten Marcus sei. Doch als das junge Paar einen Blick in den Lederbeutel tat, wurden ihre Augen groß wie die Hände des Nachtwächters. Waren doch in dem Beutel gut und gerne 20 Silberlinge und der gute alte Marcus wollte nicht eine Münze für sich haben.

So war es dann knapp zwei Wochen später, dass man in Seelze die Glocken, von St. Martin, hörte und ein frisch vermähltes Paar aus der Kirche schritt. Der alte Marcus bekam von dem Brautpaar an jedem Sonntag nach dem Gottesdienst einen Krug des süffigen Starkbier im Dorfkrug. Er ward es glücklich und freute sich über jeden Tag an dem das verliebte Paar die Dorfstraße entlang schritt.

Heute sieben Jahre danach, kann man ein schlichtes Holzkreuz auf dem Kirchhof erblicken. Ganz einfach mit einem DANKE verziert und immer mit frischen Blumen verschönert. Blumen vom Hof des jüngsten Bauern in Seelze…

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Bürgerreporter:in:

Andreas Schulze aus Seelze

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