Wetterphänomen
Der Altweibersommer bedeutet den Abschied von der schönen Jahreszeit

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Als Altweibersommer wird der Nachsommer bezeichnet, eine vor allem in Europa und Nordamerika auftretende Schönwetterperiode, die in die zweite Septemberhälfte fällt und bis Anfang Oktober dauert. Da und dort sagt man heute noch „Fliegender Sommer“ oder „Flugsommer“ dazu.

Werfen wir einen Blick in ein altes Lexikon. Unter dem Stichwort „Altweibersommer“ erfahren wir, dass man darunter Sommerfäden oder Herbstfäden versteht, die als weiße Fäden die Luft durchziehen, ein Gespinst verschiedener Spinnen meist jugendlichen Zustands, die sich auf ausgestoßenen Fäden vom Winde forttragen lassen. An windbetriebenem Ort wird vom Spinnchen zwischen einer Befestigungsstelle und dem Spinnorgan ein Faden ausgestoßen, der dabei verwirrt wird und dadurch bald starken Forttrieb vom Wind empfängt. Dann trennt das Tierchen an der Befestigungsstelle ab und lässt seinen Fußpunkt los. So das Lexikon. Weiter erfahren wir an anderer Stelle, dass es sich bei den Spinnfäden des Altweibersommers um den von den Nornen gesponnenen Lebensfaden handelt. Denn in der germanischen Mythologie entscheiden die drei Schicksalsgöttinnen Urd (Vergangenheit), Werdandi (Gegenwart) und Skuld (Zukunft) bei der Geburt des Menschen über dessen Geschick. Mit dieser Herleitung wurde in alter, vergangener Zeit auch der Name „Mädchen - oder Frauensommer“ in Zusammenhang gebracht. Unter dem Christentum bezog man die Erscheinung auf Gott und Maria, weshalb heute noch die Fäden in Frankreich Fils de la Vierge, in Süddeutschland Mariengarn oder Marienfaden, in England Gossamer (Gottes Schleppe) genannt werden.

Dies alles vollzieht sich im Zeichen des Altweibersommers, der mit „alten Weibern“ eigentlich gar nichts zu tun hat, wenngleich sich auch diese über den schönen Nachsommer freuen. Jedoch behaupten böse Zungen, dass sich die jungen Luchs-, Kreuz-, Krabben-und Weberspinnen, um die es sich hierbei hauptsächlich handelt, mit Vorliebe in den Haaren vorwiegend alter Frauen festsetzen, die an sonnigen Tagen in dieser Jahreszeit die Bänke in den Parks und Anlagen bevölkern. Oder ist der wahre Grund in den meist noch schönen mittäglich warmen Tagen zu sehen, die uns noch einmal einen Sommer vorgaukeln scheinen, so wie manche Frauen in reiferen Jahren ihren eigenen Lebenssommer durch allerlei Mittelchen möglichst zu verlängern trachten?

Altweibersommer - das sind nicht nur unzählige Spinnenfäden zwischen Büschen und Gras, das ist warme Sonne im frühherbstlichen Wald, das ist der „stille Karfreitag der Natur“, wie Jean Paul ihn poetisch umschrieben hat. Und auch Theodor Storm empfand die seltsame Stimmung, die vom Altweibersommer ausgeht und bezeichnete diesen als „Brücke zwischen den Jahreszeiten“.

Wie dem auch sei - wir genießen noch diese nachsommerlich-herbstlichen Tage, solange wir können. Leider verabschiedet sich nunmehr das Schönwetter-Hoch, der Altweibersommer nimmt für diese Saison seinen Hut und schwenkt ihn, als wollte er damit auf ein baldiges Wiedersehen hindeuten. Denn nur zu schnell wird wieder Herbstbeginn sein und wieder wird der Altweibersommer seine Zeichen in Wald und Flur stecken. Dann nämlich, wenn der Tau noch in Gräsern, auf Blättern und eben auf jenen charakteristischen Spinnfäden liegt und die ersten Sonnenstrahlen aus dem Frühnebel heraus die Millionen und Abermillionen Perlen darauf zum Glitzern bringen.

(Text: Karl J. Zwierlein)

Bürgerreporter:in:

Florian Handl aus Augsburg

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