„Lesen wird meiner Meinung nach nie ‚altmodisch‘ werden“: Interview mit der Lehrerin Anja Miller-Beigel von der Neusässer Volksschule Am Eichenwald zum Thema Lesekompetenz

"Lesen kann man alles überall": (v.l.) Lehrerin Anja Miller-Beigl mit ihren Schülern Burcu Oguzturak, Rhody Ntuatolo, Dominik Ditschek und Sinem Kütük
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Spätestens seit dem PISA-Schock ist der Begriff „Lesekompetenz“ in aller Munde. Zusammen mit Schreiben und Rechnen gilt Lesen als einer der drei wichtigsten Schlüsselkompetenzen, um am gesellschaftlichen Leben im vollen Umfang teilzunehmen. Doch steht es um die Lesekompetenz der heutigen Schüler wirklich so schlecht, wie ihnen oftmals unterstellt wird? Wir befragten die Mittelschullehrein Anja Miller-Beigl von der Grund- und Mittelschule Am Eichenwald dazu.

mh-bayern-Team: Sie unterrichten bereits seit 13 Jahren als Lehrerin an der Haupt- bzw. Mittelschule. Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Lesekompetenz der „kleinen“ Fünftklässler und der Schulabgänger?

Anja Miller-Beigl: Da kann ich kein Pauschalurteil abgeben. Nach wie vor gibt es begeisterte Leseratten unter den Schülern der Mittelschulen und sicher auch Wenig-Leser bei den Gymnasiasten. Unbestritten ist aber, dass Schüler, die gerne und gut lesen, geringere Probleme in der Schule haben. Die Fünftklässler kommen mit ganz unterschiedlichen Leseleistungen zu uns. Gerade in den unteren Klassen versucht man durch Individualisierung und Differenzierung im Unterricht vorhandene Defizite zu verkleinern. Dazu bietet sich spielerisches Lesetraining an, z.B. mit Lesequizzen oder Zungenbrechern. Auch bei den älteren Schülern kann man damit noch punkten und Erfolge im Sinne von besserer Lesekompetenz erzielen, denn den meisten Abgängern ist klar, dass der Schulabschluss nicht „nie mehr lesen müssen“ bedeutet.

mh-bayern-Team: Ist Lesen im Zeitalter von Computern überhaupt noch ein zeitgemäßes Hobby? Wie sind Ihre Erfahrungen als Lehrerin?

Anja Miller-Beigl: Lesen wird meiner Meinung nach nie „altmodisch“ werden. Das Erlebnis, gemütlich auf der Couch liegend in einem spannenden, mitreißenden und /oder auch informativem Buch zu schmökern, kann der PC nicht vermitteln, auch die modernen Ebooks nicht. An unserer Schule gibt es eine prall gefüllte Schülerbibliothek mit Romanen und Sachbüchern, die gut angenommen wird und viele Schüler besuchen regelmäßig öffentliche Büchereien. Aber auch die Nutzung moderner Medien kann die Lesekompetenz fördern. Gerade im WWW ist es nötig, aus der Fülle der Informationen die richtigen herauszu „lesen“, deswegen wird sich wohl kein Lehrer verschließen, wenn Schüler Arbeitsaufträge online bearbeiten oder sich Texte aus dem Internet ziehen. Insgesamt kann ich jedoch feststellen, dass durch die verkürzte Sprache beim SMSen, Chatten und Twittern eher die Schreibkompetenz gelitten hat.

mh-bayern-Team: Haben Sie einen Ratschlag an Eltern, die ihren Kindern Freude am Lesen vermitteln wollen?

Anja Miller-Beigl: Kinder – meine eigenen eingeschlossen – lesen meist dann gerne, wenn es die Eltern auch tun. Bücher sollten zu Hause nicht nur zur Dekoration im Regal stehen, sondern Teil des Alltags sein und auch mal herumliegen dürfen. Schade, dass das Vorlesen in vielen Familien durch den Einsatz elektronischer Medien abgelöst wurde, denn das gemeinsame Lesen und sich Austauschen über die Personen und Ereignisse in den Büchern schafft Nähe und macht doppelt so viel Spaß.

Zugang zu klassischen Kinderbüchern finden Kinder auch über Verfilmungen wie z.B. Krabat. Dann sollten Eltern aber auch bereit sein, sich den Film mit ihren Kindern anzuschauen und hinterher über Unterschiede zwischen Geschriebenem und Verfilmten zu sprechen.

mh-bayern-Team: Ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche überhaupt lesen, auch wenn die Lektüre - z.B. Comics - von Erwachsenen kritisch beäugt wird?

Anja Miller-Beigl: Wortschatz, Sprachgebrauch und Konzentrationsfähigkeit sind wichtige Faktoren, die durch Lesen gebildet und gefördert werden. Ausdrucksmöglichkeiten und Kommunikationsvermögen werden auch dann trainiert, wenn das Kind „nur“ Comics oder Sachbücher liest. Je besser die Lesekompetenz dann wird, desto eher wagt sich das Kind auch an schwereren Stoff, sprich umfangreichere Bücher, also im Zweifel lieber die Fernsehzeitung lesen lassen als gar nichts.

mh-bayern-Team: Was ist Ihr persönliches Lieblingsbuch?

Anja Miller-Beigl: In meiner Kindheit war das „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren, heute lese ich gerne deutsche und norwegische Krimis zum Abschalten. Lustig fand ich „Sag bloß Mama nichts davon“ von Charles Carillo als Ferienlektüre.

Übrigens: Neusäß hat zwar keine städtische Bücherei, aber insgesamt sieben Pfarrbüchereien. Einen Überblick verschafft die Homepage der Stadt Neusäß.

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Anja Miller-Beigl | Foto: Anja Miller-Beigl
myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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