Ponader - oder die normale Partei.

Der politische Geschäftsführer der Piratenpartei bietet seinen Rücktritt an - das ist die Meldung heute morgen im Radio und im Web.
Johannes Ponader, an ihm scheiden sich die Geister. Künstler, Hartz IV Empfänger, Hartz IV Verweigerer, BGE Vorkämpfer, Talkshow Twitterer und Pirat.
Er gibt auf - endlich wie die sagen, die den Umfrageabsturz der NerdPartei alleine ihm in die Schuhe schieben wollen. Von 13 auf 2 Prozent in nur 6 Monaten, das schafft sonst nur die FDP.

Da ich mich nun seit einigen Jahren im Umfeld der Piratenpartei bewege möchte ich das aus meiner persönlichen Sicht kommentieren.

Bei den Piraten war man immer ein stolz anders zu sein als die Etablierten.
Die Piraten haben neue Politikfelder entdeckt und besetzt. Ob es nun Urheberrecht, Open Access oder die vielbeschworene Transparenz sind - auf diesen Gebieten waren die Altparteien nicht vertreten.
Sie wurden kalt erwischt. Da gab es ein politisches Leben neben SPD/CDU/CSU/Grüne/Linke!

Zugleich waren die Piraten spätestens seit der Berlinwahl sexy. Denn Erfolg macht sexy. Es kamen unverbrauchte, neue Gesichter auf den Schirm.
Und die Aussage "Einfach mal Dinge anderes angehen, wir wissen zwar nicht ob es funktioniert, aber die anderen kriegen es seit 20 Jahren nicht gebacken, also lasst es uns machen" kam bei den Leuten an, die die Nase voll hatten vom Rettungsschirmgehampel in Berlin, von den ewigen Streitereien innhalb der Wunschkoalition und den ewig gleichen ergebnislosen Debatten im Parlament. Von einer Politik die lautet: Hauptsache man blockiert die Meinung des anderen.

Jetzt waren sie also in einem Landesparlament die Piraten. In Berlin unserer teuren Hauptstadt und dann?
Dann beginnt der Alltag, oder wie der Tagesspiegel schreibt: "Berliner Piraten tagen hinter verschlossenen Türen - Die 15 Politiker haben sich zur Klausur zurückgezogen, Parteimitglieder und Öffentlichkeit müssen draußen bleiben".

Es folgten noch drei weitere Erdrutschsiege im Soge des Berlinhypes.
Diese Siege weckten Begehrlichkeiten auf Posten im Landtag oder im Bundestag.
Der Ton wurde rauer. Von den Grünen und der FDP stiessen Leute dazu - die Mitgliederzahl explodierte auf 33.000.
Mit allen Konsequenzen bei einer MitMachPartei.
Aus dem Schwarm wird online schnell ein Lynchmob und ein Shitstorm folgte auf den nächsten.
Vieles davon passierte und passiert abseits der Öffentlichkeit. Die Piraten beschäftigten sich vorallem mit sich selbst, verloren sich in ihrer Sprache und waren ganz verwundert, dass in Niedersachsen der Jubel ausblieb. Zwei Prozent!?!

Schon vorher drehte sich der Wind in den Medien - zu Beginn getätschelt, wurden die Piraten immer kritischer angegangen.
Plötzlich war das fehlende Partei Programm ein Manko. Eine Partei ohne Programm! - das geht doch nicht.
Dabei war man doch stolz darauf flexibel zu sein, Themen zu besetzen wenn es notwendig wird - "Themen statt Köpfe" war eine Kernaussage.
Aber jetzt muss ein Programm her - der Wähler will das - sagt die Presse. Ihr braucht Köpfe - sagt die Presse. Ihr braucht Strukturen - sagt die Presse. Ihr braucht Quoten - sagt die Presse zu einer Partei die einmal geschlechter neutral sein wollte. Sie können für "Presse" auch "politische Gegner" oder "die Öffentlichkeit" einsetzen.
Und die Piraten haben beigedreht und sich von der Medienmeinung übers Wasser aufs Riff zu wehen lassen.
Und der BuVo, wie man den Bundesvorstand liebevoll nennt? Der hat noch mehr Segel aufgezogen, konnte es kaum erwarten.
Plötzlich hiess es "Köpfe statt Themen" - Transparenz war immer mehr die Transparenz des anderen und die Themen und Prinzipien wurden über Bord gekippt um noch mehr Fahrt aufzunehmen.

Die Umfragewerte wurden nicht besser, also musste ein Schuldiger her.
Schuld kann nur jemand sein, den auch die Öffentlichkeit kennt. Das sind nicht viele Piraten. Und so musste aus meiner Sicht Ponader herhalten.
Ich bin kein Fan von ihm aber er ist konsequent, er ist präsent und er arbeitet hart für seine Ziele. Und wer etwas macht ruft immer auch Kritiker auf den Plan die dies oder jenes nicht so toll finden.
Aber eine Partei, die angetreten ist mit Werten wie Toleranz, Integration, neues Miteinander, Teilhabe und niederschwelligem Zugang - so eine Partei sollte auch einen Ponader integrieren können.

Ja, Ponader lebt von Hartz IV - ja und? Darf sich ein Hartz IV Empfänger nicht politisch betätigen? Hat niemand begriffen, dass Ponader an einer aus seiner Sicht besseren Welt arbeitet, die dann letztendlich uns allen zu Gute kommt?
Ob diese gerechtere, bessere Welt den Menschen gefällt wird dann bei Wahlen entschieden.
Ja, Ponader twittert während er bei Jauch sitzt - so nutzt er wenigstens diese sinnfreie Zeit. Er hat Sandalen an - oh Gott. Da wähle ich lieber einen von der FDP, die haben immer so schöne gelbe Krawatten umgebunden, meist sehr fest.
Also reibt man sich an Ponader auf.
Hat man sonst was vom Rest des BuVo gehört? Bernd Schlömer, Beamter im Verteidigungsminsiterium und Chefpirat versucht sich an der Politik der ruhigen Hand.
Nerz und Barenhoff? Googeln Sie einfach.

Jetzt lässt man Ponader über die Planke gehen und hofft dass das Piratenschiff genug Auftrieb bekommt um vom Grund loszukommen. Dabei dümpeln schon genug einstige Werte im Wasser herum.

Der Berliner Vorzeigepirat Christopher Lauer brachte es mit seiner SMS an Ponader auf den Punkt: "Lieber Johannes, wenn Du bis morgen 12:00 Uhr nicht zurück getreten bist, knallt es ganz gewaltig. Ich seh mir nicht mehr länger schweigend und untätig an, wie Du meine Partei gegen die Wand fährst."
… meine Partei gegen die Wand fährst… das bringt es auf den Punkt, die Partei gehört jetzt einzelnen die wissen was am besten ist. Der Schwarm und die Basis haben ihre Schuldigkeit getan und sind nur als Stimmvieh weiterhin willkommen.

Ponaders Rauswurf ist ein Kniefall vor der den Medien, dem politischen Gegner, persönlichen Eitelkeiten und den Umfrageergebnissen. Die Partei die sich danach wieder erheben wird ist eine andere. Die Piraten sind eine normale Partei geworden - eine von vielen. Wählbar? Das müssen Sie entscheiden.

G
ChB

Bürgerreporter:in:

Christian Baumeister aus Neusäß

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