Gorilla-Trekking und Pygmäen im Bwindi Nationalpark

Blut vom Speer ablecken
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Als wären Nashörner in 25 Meter Entfernung, eine Beute schleifende Löwin, ein Albino-Hippo und turnende Schimpansen noch nicht genug Gründe für eine Safari durch Uganda, bietet das Land noch eine ganz besondere Begegnung: Gorillas in ihrer natürlichen Umgebung! Die Berggorillas im Bwindi Nationalpark sind zweifellos der Höhepunkt einer Uganda-Reise.

Doch bevor wir unsere entspannten, haarigen Verwandten aufspüren, besuchen wir die Batwa. Die Batwa sind Pygmäen, die bis 1991 im Urwald lebten, der nun aber für Gorillas und Touristen reserviert ist. Daher haben die Batwa ein waldnahes Territorium zugewiesen bekommen. Dort leben sie in ihrem Dorf und haben sich zumindest noch einige Traditionen bewahrt. Der König, der Dorfälteste und der jüngste erwachsene Mann empfangen uns vor einer Brücke, an der ihr Reich beginnt. Sie demonstrieren uns unter anderem, wie sie einst Waldschweine gefangen haben. Die Falle bauen sie im Miniaturformat nach, das (imaginäre) Tier wird dabei in der Praxis von einem Baumstamm erschlagen. Anschließend leckt sich der Jüngste das (fiktive) Blut vom Speer. Ein Performer durch und durch, der kleine Mann, der aussieht wie 16, aber schon 33 ist.

Die Batwa sind angeblich wegen des Vitamin-D-Mangels so klein. Im Wald bekamen sie über Generationen hinweg zu wenig Sonne. Jetzt leben sie außerhalb ihres ursprünglichen Lebensraums, viele von ihnen außerhalb des Dorfs, verstreut in der Nähe. Anstatt Honig von Bäumen zu kratzen, imkern sie jetzt. Da ihnen das Jagen nicht mehr erlaubt ist, halten sie Hühner, Schweine und Ziegen. Verspeist werden diese aber nur zu besonderen Anlässen. Ganz unter sich sind die Batwa nie. Aktivisten, die hier auch eine Dorfschule für die Kinder, die nicht in die kommunale Schule gehen können, sammeln spenden, um mehr Land und Nähmaschinen zu kaufen. Damit sollen sich Batwa-Frauen ein Einkommen erwirtschaften können und die Gemeinschaft mehr benötigten Platz erhalten. Auf der Anschaffungsliste steht zudem eine Toilette für Touristen. Hm, so ganz authentisch leben die Pygmäen wohl doch nicht mehr. Und um ehrlich zu sein: Auf der Liste stehen ein paar grundlegende Dinge (wie Landerwerb), für die eindeutig die ugandische Regierung zuständig sein müsste und nicht Touristen.

Nachdem wir ein paar Höhenmeter durch landschaftlich interessante Pfade gestapft sind und Fallen vorgeführt bekommen haben, treffen wir auf den Hüter der Quelle. Nur er gibt das heilende Wasser des Dorf nahen „Wasserfalls“ aus. Beim Rundgang im Dorf sehen wir, wie der Schmied „Sicheln“ für die Gorilla-Führer (keine Batwa) herstellt. Der König stellt uns Heilpflanzen vor. Die Bevölkerung zeigt uns Tänze, wie man Feuer macht und die Schule. Die Kinder singen auf Englisch, skandieren Körperteile und fragen nach unseren Namen. Unsere Antworten erzeugen Ratlosigkeit. Im Hochsitz, genannt King's Paradise oder Honey Moon Lane, heiraten dort angeblich Angehörige des Königs und bleiben dort für eine Woche einschließlich der Geburt. Der Höhepunkt der Begegnung ist das Essensritual. Fleischstücke werden am Spieß gegrillt und vom Grillmeister ausgegeben. Die Anwesenheit von Touristen zählt als besonderer Anlass. Zuerst kriegen die Kinder ein Stück. Meiner Mitreisenden war der Ausflug zu den Batwa zu wenig authentisch. Ein Beigeschmack bleibt schon allein dadurch, dass wir von einem bewaffneten ugandischen Guard begleitet werden (mussten). Unsicher fühlten wir uns zu keinem Zeitpunkt. Das gilt aber auch für Waldelefanten und Gorillas.

Bei den Berggorillas im Regenwald

Für das Gorilla-Trekking werden wir in Kleingruppen zu maximal acht Touristen aufgeteilt. Geleitet wird jede Gruppe von einem Guide der UWA (Ugandan Wildlife Authority), einem Azubi und zwei Militärs. Diese sind, wie schon unser Guard bei den Batwa, mit einem Maschinengewehr ausgerüstet. Einer von ihnen geht vorneweg, der andere bildet die Nachhut. Die Waffen haben sie nicht wegen der friedlichen Menschenaffen dabei, sondern falls agressive Waldelefanten unseren Weg kreuzen. Der Weg ist übrigens nur am Anfang ein richtiger Weg. Es geht irgendwann ins Unterholz und die Militärs setzen ihre andere Waffe ein: die Machete. Uns begleiten zudem Gepäckträger, die auf Wunsch die Ausrüstung (Fotoequipment, Rucksäcke) einiger Teilnehmer tragen.

Jede Gruppe wird einer Gorilla-Familie zugeteilt. Und damit wir nicht stundenlang vergeblich durch den Wald stapfen, werden die Menschenaffen von menschlichen Spähern begleitet. Diese „Tracker“ bleiben in der Nähe einer Gorilla-Familie und stehen per Funk mit der UWA in Verbindung. Kurz vor dem Ziel treffen wir sie und lassen jegliches Gepäck außer unsere Kameras von den Trägern bewacht zurück. Die letzten Meter durch den Dschungel haben nichts mehr mit einem Pfad zu tun, es ist unbetretenes Grün. Und da ist er, der erste Gorilla. Mitten im grünen Gestrüpp frisst ein Weibchen. Ein UWA-Mitarbeiter vergrößert das Sichtfeld für die fotogeilen Touristen mit der Machete immer weiter. Neun Meter Abstand sollen wir mindestens halten. Zwei davon schon allein wegen Corona. Wir haben ungefähr fünf Meter Abstand, aber wo sollen wir auch hin? Hinter uns ist dichtes Gestrüpp.

Nebenbei bemerkt: Für die eine Stunde, die wir mit den Gorillas verbringen dürfen, herrscht Maskenpflicht. Auf dem körperlich anstrengenden Weg dorthin durften wir die Maske zumindest beim Laufen unter Einhaltung des geforderten Abstands unter die Nase schieben. Minimalrisiko einer sehr unwahrscheinlichen Covid-Übertragung (es wird praktisch in fast jedem Hotel und an touristischen Hotspots Fieber gemessen) oder kollabierende Touristen?

Ausweichmanöver und ein ziemlich fotogener Silberrücken


Zurück zur Gorilladame, hinter der plötzlich ein Kleinkind hervorlugt. Die Machete saust weiter auf ihr Gebüsch nieder. Irgendwann hat Mama genug – und wechselt die Örtlichkeit. Dabei sucht sie sich eine Route aus, an der sie praktisch durch mich hindurch muss. Ich kann gerade noch ausweichen, ein Foto gelingt dabei nicht mehr. Mehr als zwei, drei Schritte gingen gar nicht, da sich um mich herum „unerforschtes“ Terrain und hinter mir andere Zweibeiner befanden. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Die Situation war keineswegs gefährlich, die Gorillamama mit ihrem Spross sehr friedlich. Aber sie fühlte sich nach fünf Minuten Geknipse offenbar (und völlig zurecht) gestört und wollte einfach ganz gemütlich woanders hin. Wer kann schon behaupten, dass ein Gorilla in freier Wildbahn praktisch direkt an einem vorbeispaziert ist. Hätte ich die Hand verbotenerweise ausgestreckt, hätte ich die Gorilladame berührt.

Das anstrengene Trekking hat sich zwar bereits gelohnt, aber es wird noch besser. Keine Gorilla-Familie ohne Silberrücken. Was für ein entspannter Performer. Er futtert in einer Tour – und wirft sich dabei für uns in Pose. Nachdem wir ihn einige Minuten lang ausgiebig beim Mampfen geknipst haben, verändert er genüsslich seine Position und bietet uns damit ein neues Motiv. Das macht der fotogene Silberrücken glatt mehrfach. Um ihn herum schwirren die Fliegen. Doch irgendwann verliert Papa die Aufmerksamkeit der Besucher an seinen Nachwuchs. Zwei Babys, angeblich 6 und 8 Monate jung, turnen ihm den Rang ab. Ein Gorillababy klettert einen dünnen Stamm hinauf, doch das Gewächs ist nicht stark genug. Die Krone gibt nach und der kleine Tollpatsch fällt weich. Klettern lernen Gorillas schnell, aber ich sag mal so: Andere Tierbabys müssen eine wesentlich höhere Lernkurve an den Tag legen, um zu überleben. 

Fünf Stunden Gorilla-Trekking haben sich gelohnt. Drei Stunden bis zu den Berggorillas, eine Stunde bei ihnen, eine weitere zurück zum Basislager. 13.000 Schritte, 9 Kilometer, 700 Höhenmeter. Die Strecken sind übrigens immer unterschiedlich. Es kann sein, dass man bereits nach einer Stunde auf einem unbeschwerlichen Weg auf Gorillas trift – oder aber doppelt bis dreimal so lang wie wir unterwegs ist. Touristen mit gesundheitlichen oder physischen Einschränkungen können sich im Vorfeld für die nächstgelegene Gorilla-Gruppe anmelden. Alternative: Die Gepäckträger müssen nicht zwangsläufig Ausrüstungsgegenstände schleppen. Angeblich transportieren sie auch erschöpfte Touristen auf einer Bahre durchs Unterholz. Das sei aber kein Schnäppchen.

Alle Bilder dieses mehrteiligen Uganda-Reiseberichts unterliegen dem Urheberrecht (C) Michael Stauner und dürfen nicht ohne Genehmigung des Fotografen verwendet werden. Die letzte Etappe führt zu Zebras, knutschenden Impalas und krassen Hörnern.


Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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