Geld verschenken – ist das Schwabenart?

Nachfrage- und Produktionssteigerung
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Erinnern wir uns zurück. Mitte der achtziger Jahre ordnete Umweltminister Klaus Töpfer das Sammeln von Altpapier gesetzlich an. Jeder Bundesbürger hatte dieses Gesetz zu befolgen. Altpapier ist recyclingpflichtig. Die Folge war, die Preise für Altpapier sausten in den Keller. "Wir wußten überhaupt nicht, wohin mit den Mengen", berichtete Hubert Neuhaus, Sprachrohr des Altpapier-Verbandes. Die Papierfabriken nahmen das Altpapier Anfang der neunziger Jahre nur noch gegen Zuzahlung an. Folglich mußten die Bürger für das Zwangsrecycling ihres Altpapiers zahlen, als ob es Hausmüll wäre. So begehrt wie heute war Altpapier noch nie. Die Älteren unter uns werden es noch wissen. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen Lumpensammler mit Leiterwagen durch die Straßen. Sie sammelten Rohstoffe, denn die waren knapp. Auch Papier ist ein Rohstoff. Reich wurden sie damit nicht. Damals verbrauchte jeder Bürger gerade mal sieben Kilo Papier pro Jahr, heute sind es 250 Kilo. Als später Vereine, Kirchen und gemeinnützige Organisationen ihren Nachwuchs zum Sammeln losschickten, sicherte ihnen das kein sicheres Einkommen. Mal zahlten die Papierfabriken gut, mal wenig, mal gar nichts. Die Preise schwankten stark.

Eine Zeitung ist eine Zeitung. Bis man sie ausgelesen hat, dann ist sie Altpapier, recyclingpflichtig. So war das bis vor kurzem. Heute ist eine ausgelesene Zeitung ein Rohstoff. Ein wertvoller Rohstoff, wohlgemerkt. Die Papierindustrie zahlt bis zu 90 Euro pro Tonne Altpapier, das ist doppelt so viel wie vor zwei Jahren. Altpapier ist jetzt knapp und teuer. Der Markt bestimmt den Preis. Ist die Nachfrage hoch und das Angebot knapp steigen die Preise für das nachgefragte Gut. Kein Wunder, nun ist der Wettbewerb ausgebrochen. Lokale Anbieter gegen nationale, kleine Müllkutscher gegen Großkonzerne, wie Remondis und Veolia/Sulo. Vielerorts kommt die neue Konkurrenz Pfarreien, Schützenvereinen und Fußballklubs in die Quere, die sich mit den Sammlungen bisher ihre gemeinnützige Arbeit finanziert haben. Manche Pfarrei hat bis 10.000 Euro im Jahr eingenommen. Vor kurzem aber hat der Müllentsorger Sulo den Bürgern im Landkreis Unterallgäu Tonnen vor die Tür gestellt. Sulo holt die Ware kostenlos ab - den Pfarreien und den Vereinen fehlt das Geld. So tobt nun ein Häuserkampf ums Papier. Landauf, landab. In Berlin, Augsburg und Nürnberg, im Unterallgäu und dem Emsland, überall stellen gewerbliche Müllsammler neuerdings blaue Tonnen auf. Das erzürnt die Kommunen, die entweder eigene Wertstoffhöfe betreiben oder das Geschäft exklusiv an private Unternehmer vergeben haben.

Kommen wir nun, nach der langen Vorrede auf das eigentliche. Wenn Sie lieber Leser eine Zeitung kaufen, dann zahlen Sie mit dem Kaufpreis nicht nur die gedruckte Information, sondern – auch das Papier. Die Prospekte, die Ihnen Mittwochs und Samstags in Haus flattern, zahlen Sie auch. Nämlich Druck und Papier sind in der Kalkulation der Produktpreise enthalten. Sie aber geben das gebraucht Papier zu den Sammelstellen oder werfen es in die Blaue Tonne. Andere Personen, Vereine und Unternehmen nehmen dieses Papier entgegen und verkaufen es teuer. Mit gutem Gewinn, denn die Beschaffung, der Einkauf kostet nichts, weil Sie es verschenken. Warum sehen Sie davon keinen Cent? Warum halten Sie nicht die Hand auf?

Werfen wir einen Blick zu unseren Schwestern und Brüder in den neuen Bundesländern. Dort bringen die Bürger den Rohstoff Papier zur Papierbank. Fürs Kilo erhalten sie dort fünf Cent. Damit kann so mancher Rentner den Riesterfaktor wieder ausgleichen. Niemand muß die wertvolle Ware in die Tonne werfen, wenn er sie, gut beraten zu einer Sammelstelle (Papierbank) bringt - und dort sogar Geld dafür kassiert. Vergessen Sie nicht, das Papier, daß Sie zukünftig kaufen wird auch teurer. Denn die Papierhersteller müssen den Rohstoff zur Produktion des Papiers teuer einkaufen.

Wer ist Schuld am steigenden Papierpreis. Die Chinesen. Der Papierverbrauch steigt in aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien ungebremst. Er ist ein Gradmesser für das Bildungsniveau, den Wohlstand und technischen Fortschritt. Die Nachfrage auf dem Weltmarkt wächst von Jahr zu Jahr. Und die ökologisch korrekten Deutschen sind die Sammelweltmeister. 15,8 Millionen Tonnen trugen sie voriges Jahr zusammen. Mehr als 70 Prozent des Papieraufkommens wurden recycelt. Mehr geht nicht. Die Chinesen haben zwar die größten Papiermaschinen der Welt, den dazu nötigen Rohstoff Altpapier haben sie nicht. Den aber schiffen Europäer und Amerikaner dorthin. In den nächsten 10 Jahren wird der Altpapierpreis weiter steigen. Schöne Aussichten für Papiersammler und Papierdiebe.

Wann werden wir im Landkreis Augsburg die erste Papierbank haben? Wo sind die findigen Unternehmer?

Bürgerreporter:in:

Jürgen Dippe aus Neusäß

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