Bundestagswahl 2021: Frieden mit Russland

Am 26. September sind Bundestagswahlen. In loser Folge werde ich einige Themen besprechen, die in meinen Augen für die Wahlentscheidung wichtig sind.

Für mich ist die Frage von Krieg und Frieden von entscheidender Bedeutung. Willy Brandt sagte einst: „Frieden ist nicht alles. Aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Diesem Satz sollten sich auch künftige Bundestagsabgeordnete verpflichtet fühlen.

Die Beschlüsse des Europäischen Rates vom letzten Freitag  (25.6.2021) über das Verhältnis zu Russland dienen keinem friedlichen Miteinander. Vergessen der Geist der Enstpannungspolitik, vergessen die Buchstaben des 2+4 Vertrages und vergessen, wer letztendlich die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichte. Die Idee von 1990 – ein gemeinsames Europa von Lissabon bis Wladiwostok – wurde wohl endgültig ad acta gelegt. Damit setzen sich in Europa die konservativen, transatlantischen Kräfte durch, die dem US-Imperium bedingungslos folgen.

Diese Entwicklung ist nicht zufällig entstanden. Sie wurde von langer Hand geplant. Dies belegt unter anderem ein Brief von Willy Wimmer aus dem Jahr 2000 an den damaligen Bundeskanzler Schröder, den ich nachstehend aufführe (Quelle: NachDenkSeiten - Wie der Westen die Welt ins Chaos stürzte):

Willy Wimmer, Mitglied des Bundestages,
Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Niederrhein,
Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE

Herrn Gerhard Schröder, MdB,
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland,
Bundeskanzleramt, Schlossplatz 1, 10178 Berlin
Berlin, den 02.05.00

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

am vergangenen Wochenende hatte ich in der slowakischen Hauptstadt Bratislava Gelegenheit, an einer gemeinsam vom US-Außenministerium und American Enterprise Institute (außenpolitisches Institut der republikanischen Partei) veranstalteten Konferenz mit den Schwerpunktthemen Balkan und NATO-Erweiterung teilzunehmen.

Die Veranstaltung war sehr hochrangig besetzt, was sich schon aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der Region ergab. Von den zahlreichen wichtigen Punkten, die im Rahmen der vorgenannten Themenstellung behandelt werden konnten, verdienen es einige, besonders wiedergegeben zu werden:

1. Von Seiten der Veranstalter wurde verlangt, im Kreise der Alliierten eine möglichst baldige völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Staates Kosovo vorzunehmen.

2. Vom Veranstalter wurde erklärt, dass die Bundesrepublik Jugoslawien außerhalb jeder Rechtsordnung, vor allem der Schlussakte von Helsinki, stehe.

3. Die europäische Rechtsordnung sei für die Umsetzung von NATO-Überlegungen hinderlich. Dafür sei die amerikanische Rechtsordnung auch bei der Anwendung in Europa geeigneter.

4. Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren. Eine Stationierung von US-Soldaten habe aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden müssen.

5. Die europäischen Verbündeten hätten beim Krieg gegen Jugoslawien deshalb mitgemacht, um de facto das Dilemma überwinden zu können, das sich aus dem im April 1999 verabschiedeten “Neuen Strategischen Konzept” der Allianz und der Neigung der Europäer zu einem vorherigen Mandat der UN oder OSZE ergeben habe.

6. Unbeschadet der anschließenden legalistischen Interpretation der Europäer, nach der es sich bei dem erweiterten Aufgabenfeld der NATO über das Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den sich jeder jederzeit berufen könne und auch werde.

7. Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.

8. Dazu müsse Polen nach Norden und Süden mit demokratischen Staaten als Nachbarn umgeben werden, Rumänien und Bulgarien die Landesverbindung zur Türkei sicherstellen, Serbien (wohl zwecks Sicherstellung einer US-Militärpräsenz) auf Dauer aus der europäischen Entwicklung ausgeklammert werden.

9. Nördlich von Polen gelte es, die vollständige Kontrolle über den Zugang aus St. Petersburg zur Ostsee zu erhalten.

10. In jedem Prozess sei dem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des Völkerrechts zu geben.

11. Die Feststellung stieß nicht auf Widerspruch, nach der die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen jede internationale Regel und vor allem einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts verstoßen habe.

Nach dieser sehr freimütig verlaufenen Veranstaltung kommt man in Anbetracht der Teilnehmer und der Veranstalter nicht umhin, eine Bewertung der Aussagen auf dieser Konferenz vorzunehmen.

Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewusst und gewollt die als Ergebnis von 2 Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der Zweite Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.

Mit freundlichen Grüßen
W. Wimmer

Vor wenigen Tagen wurde an den Beginn des Vernichtungskrieges erinnert, den Nazideutschland gegen die damalige Sowjetunion begann. Bundespräsident Steinmeier gedachte mit bewegenden Worten, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte, der 27 Millionen toten Sowjetbürger. Er erinnerte an den ungeheuren Beitrag der Frauen und Männer, die in den Reihen der Roten Armee gegen Nazideutschland kämpften.

Er sagte wörtlich:

Erinnerung an Vergangenes heilt nicht die Wunden, die in der Gegenwart geschlagen werden – aber die Gegenwart tilgt auch niemals die Vergangenheit. So oder so lebt Vergangenes in uns fort: entweder als verdrängte Geschichte, oder als eine Geschichte, die wir annehmen. Zu lange haben wir Deutsche das mit Blick auf die Verbrechen im Osten unseres Kontinents nicht getan. Es ist an der Zeit, das nachzuholen.
...
Arbeiten wir für eine andere, für eine bessere Zukunft. Es liegt in unser aller Hände.

Wenn das keine leeren Worte bleiben sollen, brauchen wir im Bundestag Menschen, die für Kooperation statt Konfrontation unter den Völkern und Nationen in Europa und in der Welt stehen. Die auf Verhandlungen setzen und anderen Nationen mit Respekt entgegentreten, und sie nicht als „Reich des Bösen“ dämonisieren.

Welche Parteien sich in der Vergangenheit bei Fragen von Krieg und Frieden wie entschieden, kann in der Datenbank des Deutschen Bundestages zum Beispiel bei den namentlichen Abstimmungen nachgesehen werden. Wie sie sich in Zukunft verhalten wollen, steht mehr oder weniger verklausuliert in den Wahlprogrammen.

Das Thema Frieden schaffte es nur bei einer Partei auf die Titelseite:

Zeit zu handeln:
Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!

Ich werbe dafür, sich dieses Programm näher anzuschauen. Und am 26. September - oder vorher per Briefwahl - sich konsequent für diese drei Ziele zu entscheiden.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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