Impfgegner vs. Befürworter

Ich weiß, Impfgegner können ganz schön nerven, und ich spreche aus eigener Erfahrung. Ich habe mich in der Vergangenheit öfter spöttisch über Menschen geäußert, die sich partout nicht impfen lassen wollen und dafür viel Shitstorm geerntet. Vermutlich verfügen sie ja tatsächlich über ein überlegenes Immunsystem. Häufig folgten angeblich wissenschaftliche Abhandlungen in epischer Länge, warum die Impfung lange nicht so sicher sei wie ich und andere glaubten und vor allem, was sich in Wahrheit hinter all den Maßnahmen verbirgt. Verschiedentlich wurde sogar auf den “Nürnberger Kodex“ verwiesen. Das ist eine Übereinkunft von 1947, die Menschenexperimente verbietet. Sie ahnen, wie es argumentativ weitergeht, wenn man sich auf diese Leute einlässt.

Bei allem Unverständnis über Ignoranz, Egoismus und fehlender gesellschaftlicher Verantwortung und Solidarität bei den Impfgegnern sträubt sich dennoch etwas in mir. Denn wenn ein Ministerpräsident in einer Talkshow sitzt und sagt, dass man Ungeimpften jetzt die Botschaft erteilen müsse, dass sie raus aus dem gesellschaftlichen Leben seien. Oder wenn eine namhafte Politikerin erklärt, wir müssten dafür sorgen, dass die Luft für Ungeimpften dünner werde. Oder eine Gesundheitssenatorin dazu ermuntert, seinen Freundeskreis danach auswählen, ob jemand geimpft ist oder nicht.

Es gibt ca. 23 Millionen Ungeimpfte in Deutschland. Rechnet man alle unter 18 Jahren heraus, bleiben zwölf Millionen Erwachsene, die sich bislang gegen eine Impfung entschieden haben. Auch unter den Impfgegnern finden sich Verschwörungstheoretiker, Okkultisten, Spinner, Nazis und Schwachköpfe jeder Couleur. Aber alle zwölf Millionen zu Spinnern und Nazis zu erklären? Ich weiß nicht, ob das so schlau ist.

Noch habe ich großes Zutrauen in die politischen Künste unseres neuen Bundeskanzlers. Aber wenn er sagt, er sähe in der Gesellschaft keine Spaltung, habe ich den Eindruck, dass er dringend einen Termin beim Augenarzt vereinbaren sollte. Wenn wir jetzt nicht aufpassen, kommen wir an einen Punkt, an dem die Dinge soweit auseinandergetrieben sind, dass man sie selbst mit dem größten politischen Vermögen nicht mehr zusammengefügt bekommt.

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Töpfer aus Marburg

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