Corona-Proteste als Angriff auf die Demokratie? 

Die zunächst friedlichen Corona-Proteste sind am Ende doch noch entgleist. Wir alle haben Bilder gesehen, die wir nie wieder sehen wollten.
Der Versuch, das Reichstagsgebäude zu stürmen und die Tatsache, dass vor dem Heiligtum des deutschen Parlamentarismus die schwarz-weiß-rote Fahne des deutschen Kaiserreichs geschwenkt wurde, muss jeden Demokraten verstören. Der Rechtsstaat wirkte wie weggeduckt. Da, wo drei tapfere Polizisten vor der Eingangspforte die Stellung hielten, hätten 300 hingehört. Einen wehrhaften Staat stellt man sich anders vor.

Bei allem Respekt vor dem Demonstrationsrecht, dürfen die Demonstranten diese Ereignisse nicht einfach verharmlosen. Es ist nämlich ihr Rand, der da nicht mehr bunt, sondern bräunlich schimmert. Extremisten darf es nicht gelingen, die Proteste für ihre antidemokratischen Ziele zu instrumentalisieren. Die Demonstranten, sollten im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit alles tun, sich von braunen und roten Extremisten, antisemitischen und fremdenfeindlichen Gruppen zu distanzieren. Man nennt das Demonstranten-Pflicht!

Bei aller Hässlichkeit der Fernsehbilder darf allerdings nicht verkannt werden, dass sich hier Menschen artikulieren, die teils unmittelbar und hart von den Corona–Einschränkungen betroffen sind. Weil ihre Geschäfte und Kulturbetriebe geschlossen bleiben und sie herbe Einbußen hinnehmen müssen. Weil sie die Milliardenhilfen für große Wirtschaftsunternehmen andererseits als ungerecht empfinden. Auch weil ganze Familien quasi unter Hausarrest gestellt werden. Und weil sie nicht von Virologen und deren medizinischer Weltsicht regiert werden wollen, sondern von Politikern mit der Fähigkeit zum Interessenausgleich.

Wer durch die Menschenmassen, Pappen und Fahnen hindurchsieht übersieht bei der Mehrheit der Demonstranten leicht einen, wenn auch oft nur rudimentär erkennbaren demokratischen Urtrieb: Nämlich den, von den im Grundgesetz verbrieften Rechten auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Auch wenn dabei schnell der Eindruck entsteht, dass es einer Vielzahl der Demonstranten einzig darum geht, einer Mehrheit ihre coronakritische, oft rücksichtslose Einstellung quasi meinungsdiktatorisch aufzuzwingen. Es geht eben nicht nur darum, dass demokratische Freiheitsrechte einer Minderheit von der Mehrheit respektiert wird, sondern umgekehrt auch die Freiheitsrechte der Mehrheit vor einer Minderheit zu schützen. Das bleibt in den Tumulten auf der Straße dann auf der Strecke. Rücksichtslosigkeit ist kein Freiheitsrecht!

Auch wenn der optische Eindruck oft täuscht, was wir also momentan erleben, ist noch sehr optimistisch ausgedrückt, weniger als Angriff auf die Demokratie zu bezeichnen, sondern als ihre Inanspruchnahme. Aber das kann sich auch sehr schnell ändern.

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Töpfer aus Marburg

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