Zur Erinnerung an einen Menschen

Gerd

Ende November nähert sich der 5. Todestag eines Menschen, den ich nur, mit seinem Vornamen, als Gerd kannte. Der aber jahrelang, bis zu seinem Tod im Jahre 2006, zum Stadtbild von Marburg gehörte. Sein Markenzeichen war der Lederhut, der die totale Glatze bedeckte. Man konnte ihn oft vor dem Kaufhaus Ahrens oder auf dem Tegut-Parkplatz in Cappel sehen. Viele bezeichnen solche Menschen grausam als Penner. Ganz gewiss, ein Penner war der Gerd bestimmt nicht. Er wohnte mit seiner Mutter in einem Einfamilienhaus, das sein Vater gebaut hatte. Er war Jahrgang 1953, von Beruf Elektriker.
Ich habe ihn 2005, ein Jahr vor seinem Tod, kennengelernt. Das war ein Ehrenmensch, von der Sorte, die man nur selten trifft. Aus irgendeinem Grund, sei es die Scheidung oder die beruflichen Probleme, griff er zum Alkohol. Dann ging es leider nur bergab. Als ich ihn kennen lernte, konnte er nicht mehr viel Alkohol vertragen. Ein paar Bierchen am Tag, meistens Marke Braumeister, war alles, was er bei seiner Leberzirrhose verkraften konnte.
Der Sommer 2006, war für den Menschen mit seiner Krankheit, sehr grausam. Viel Sonne und Hitze. Es ging ihm immer schlechter. Er suchte zwar Schatten, wurde aber dennoch immer schwächer. Ende November, vor dem Kaufhaus Ahrens, wohin er jeden Tag ging um die „Bonbons“ - wie er sie nannte - zu kaufen (die in Wirklichkeit die Zigarettenkippen waren, die er aus den Aschenbechern vor dem Kaufhaus, herauspickte), brach er zusammen und verstarb.
Ich denke oft an ihn. An den Ehrenmensch Gerd, der nie nach Zigaretten oder Bier gebettelt hat. Er liegt irgendwo anonym, auf dem Marburger Friedhof, begraben.

Bürgerreporter:in:

Jan Hetzig aus Marburg

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