Verschrottung beendet - eine Glosse

Nie mehr Nokia?

Zeitweise konnte man sich vor lauter Verschrottungsaktionen für Nokia-Handys nicht mehr retten. Jetzt ist es ruhig geworden. Die veralteten Modelle, die irgendwo in den hintersten Schubladen herumlagen, sind alle entsorgt. Der Alltag ist wieder eingekehrt. Und mit ihm die Erkenntnis, dass es keine in Deutschland hergestellten Alternativen gibt. Es sei denn, man trennt sich vollkommen von den lästigen, aber ach so unverzichtbaren Störenfrieden.

Der Gedanke hat was. Schnell werden die Mobilfunkmasten überflüssig und die entsprechenden Nachbarstreitigkeiten werden eingestellt. Jetzt ist sowieso keine finanzielle Beteiligung im Verhältnis der erhaltenen Strahlendosis mehr herauszuholen. Viele Hausbesitzer müssen sich nach anderen Einkommensquellen umsehen. Die ÖDP verliert ein wichtiges Wahlkampfthema und viele Gutachter ihre Aufträge.

Das Handy im Bett, Markenzeichen für unersetzbare Arbeitnehmer, kann endlich gegen angenehmere Gesellschaft ausgetauscht werden. Das würde sich möglicherweise positiv auf die Bevölkerungsentwicklung auswirken. Auch die Sitzungen auf einem gewissen Örtchen gehen wieder störungsfrei vonstatten. Der gute alte Einkaufszettel erlebt eine Renaissance. Wie werden uns die hilflosen Männer in den Supermärkten fehlen mit ihrem "Hallo Schatz, ich stehe hier vor der Kühltheke. Wieviel Liter von welcher Milch soll ich mitbringen?" Im Bus gibt es keine Ankunftsankündigungen mehr, wie z.B. "Ich brauche nur noch zwei Haltestellen, dann bin ich da". Oft nicht klar, ob die Anmeldung als Drohung gewertet werden kann, übte sie auf den Sitznachbarn manchmal einen unwiderstehlichen Reiz aus, darüber nachzudenken, was der Anrufer oder die Anruferin wohl ohne Ankündigung zu Hause vorfinden würde.

Es werden mehr öffentliche Telefonzellen gebraucht, oder das, was von ihnen übrig geblieben ist. Wir warten zu Hause wieder auf den Anruf unserer Lieben, dass sie gut an ihrem Urlaubsort angekommen sind. Bitte um Geduld. Wenn es bis spät in die Nacht dauert, ist das überlastete Festnetz schuld.

Das Schlimmste ist, wir dürfen nicht mehr auf die kleinen, zu kleinen Tasten drücken und Nachrichten schreiben. Eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist dahin. Wie werden die Jugendlichen die dafür benötigte Zeit in Zukunft ausfüllen? Saßen sie doch während der Simserei wenigstens nicht vor dem Fernseher oder vor dem Computer. Ein tiefes Loch tut sich auf. Spontane Treffen können nicht mehr organisiert werden. Gähnende Langeweile droht.

Stichhaltige Gründe, Bequemlichkeit, Ausreden, essentielle Notwendigkeiten und nicht zuletzt wirtschaftliche Interessen werden dafür sorgen, dass wir nicht einmal im Traum daran denken, in das kommunikative Steinzeitalter des letzten Jahrhunderts zurückzufallen. Ich habe mein Handy vorsorglich behalten.

Bürgerreporter:in:

Brigitte John aus Königsbrunn

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