Die Mühlen im Norden sind schon lange verschwunden: Kreuz und quer zog der Müller durch die hannoversche Nordstadt

Keine Getreidemühle, mehr eine Pumpmühle: Eines der Wasserräder der sogenannten Wasserkunst hinter dem Großen Garten
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Die Mühlen klappern schon lange nicht mehr im Wind. Mühlenromantik ist im Norden Hannovers längst passé. Dabei wurde noch 1968 in Stöcken Mehl für das tägliche Brot gemahlen. Doch dann stellte auch Hannovers letzte Windmühle an der Hermelingstraße ihren Betrieb ein. Von der ganzen hannoverschen Mühlenpracht haben übers Stadtgebiet nur sechs der alten Windkraftwerke mehr oder weniger stark verändert die Zeiten überdauert. Im Norden der Landeshauptstadt hat sich aber keines der alten technischen Denkmale erhalten.

Dabei ist gerade Nord-Hannover mühlenmäßig gesehen sehr geschichtsträchtig. Die Stöckener Windmühle ließ ein gewisser Müller Ebeling in den Jahren 1874/75 errichten. Bis 1930 drehten sich die schweren Flügel knarrend im Wind, dann riss ein Sturm Flügel, Windrose und die umlaufende Galerie herunter. Die letzten Jahrzehnte bis zum endgültigen Aus wurde das Korn deshalb mittels Motorkraft zerkleinert. Ebeling entstammte übrigens einem alten Müllergeschlecht aus dem benachbarten Marienwerder.

Bereits 1806 ist von einem Wilhelm Ebeling in Urkunden die Rede. Er pachtete die auf einem Sandhügel nördlich des Klosterforstes stehende Klostermühle von Marienwerder. Bis zur Aufhebung des sogenannten Mühlenzwanges mussten die Stöckener Bauern ihr Korn in dieser Mühle verarbeiten lassen. Die Marienwerder Windmühle wurde 1876 auf Abbruch verkauft und 1965 endgültig zerstört. Damit endeten über 375 Jahre Mühlengeschichte in dem Stadtteil. Denn der frühere Mitarbeiter des Stadtarchives Hannover, Helmut Zimmermann, fand heraus, dass die Klostermühle 1590 errichtet wurde. Herzog Heinrich Julius gestattete dem Kloster damals, eine verfallene Wassermühle an der Leine abzubrechen und dafür eine Windmühle zu erbauen.

Der Hinweis auf die Wassermühle zeigt, dass das Müllerhandwerk in Marienwerder eine sehr lange Tradition hat. „Bereits in der wohl 1196 ausgefertigten Stiftungsurkunde des Bischofs Thetmar von Minden werden „duo molendina in Leina“ – also zwei Wassermühlen an der Leine – genannt“, schreibt Helmut Zimmermann.

Helmut Zimmermann ist auch den Spuren des früheren Windkraftwerkes aus der hannoverschen Nordstadt gefolgt. Kreuz und quer zog diese Mühle einst durch den Stadtteil. Fündig wurde Zimmermann in alten Akten aus dem Jahr 1672. Damals beantragte ein gewisser Hans Schmidt „auf dem Sandberge vor dem Stein- und Cleverthore fern des Judenkirchhofes eine Mahlmühle zu erbauen“. Sechs Jahre später – 1678 – drehten sich dann die Windmühlenflügel auf dem Sandberg nahe der heutigen Universität. Aber noch vor dem Jahr 1828 packte der Nordstädter Müller Johann Wilhelm Christian Heuer seine Koffer und ließ am Engelbosteler Damm eine neue Windmühle erbauen. Eine Rötelzeichnung im Historischen Museum erzählt heute noch von der einstigen Landmarke.

Mitte des 19. Jahrhunderts mussten die Müllersleut erneut umziehen. An der Strangriede wuchs in den Jahren vor 1866 eine steinerne Holländer-Windmühle empor. In dieser dritten Nordstädter Mühle drehten sich die schweren Mühlsteine nur kurze Zeit. Schon 1876 heißt es, die Windmühle sei „schon lange“ außer Gebrauch. „Wahrscheinlich wurde sie etwa 1877 abgebrochen“, vermutet Helmut Zimmermann.

Auch die Windmühle der Calenberger Neustadt gibt es längst nicht mehr. Wohl um 1676 erbaute der Hofzimmermeister Dietrich Heinsohn auf der Südwestbastion der Neustadt eine hölzerne Bockwindmühle. Nach Helmut Zimmermann verschwand dieses Windkraftwerk zwischen 1762 und 1774 wieder.

Windmühlen sind mithin allesamt im Norden unserer Stadt verschwunden. Allerdings kann Herrenhausen wenigstens noch mit Wasserrädern aufwarten, wenn die auch nicht zum Mahlen, sondern zum Pumpen konstruiert wurden. Anno 1696 kam Hannovers Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) auf die Idee, von der Leine einen Kanal abzuzweigen und dort ein Stauwehr mit Wasserrad zu bauen, um Wasser für die große Fontäne im Herrenhäuser Barockgarten in die Höhe zu schießen. Er machte einen entsprechenden Plan, der Bau wurde begonnen. Doch nachdem Kurfürst Ernst August 1698 starb, wurden die Arbeiten erst einmal unterbrochen. Erst nach dem auch Leibniz selbst gestorben war, gelang es 1718 schließlich, das Pumpwerk fertigzustellen.

Hier geht es zum Bericht über die Mühlen im Osten von Hannover

Hier geht es zum Bericht über die Mühlen im Westen von Hannover
 Hier geht es zum Bericht über Mühlen in Hannovers Süden

Keine Getreidemühle, mehr eine Pumpmühle: Eines der Wasserräder der sogenannten Wasserkunst hinter dem Großen Garten
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Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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