Ist die Erde für den Menschen zu klein?

Die Erde, der schönste Planet den wir kennen. Aber seine empfindliche, dünne Haut wird durch den Menschen stark strapaziert. | Foto: Christel Wolter / 20 m große Erdkugel im Gasometer Oberhausen
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  • Die Erde, der schönste Planet den wir kennen. Aber seine empfindliche, dünne Haut wird durch den Menschen stark strapaziert.
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Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ist die Erde zu klein oder gibt es zu viele Menschen? Beides trifft wohl irgendwie zu. Zum einen sind die Wohnflächen und die Ressourcen auf unserem Planeten begrenzt. Zum anderen ist es heute durch den technischen Fortschritt möglich, fast jeden beliebigen Punkt auf dem Globus innerhalb kürzester Zeit zu erreichen. Beides war einmal anders.

Vom frühen modernen Menschen, dem Homo sapiens, der nach heutigem Wissensstand vor etwa 300.000 Jahren im Stammbaum der Evolution auf der Bildfläche erschien, gab es zunächst wohl nur wenige Tausende und später Zehntausende. Für diese war die Erde unendlich groß. Wohl nur relativ selten begegnete eine Familiensippe einer anderen. Doch fast hätte vor 75.000 Jahren der Ausbruch des Supervulkans Toba im heutigen Indonesien dem frühen Menschen den Garaus gemacht, gab es doch viele Jahre lang keine Sommer mehr. Aber immerhin geschätzte 1.000 bis 10.000 dieser Individuen sollen überlebt haben. Die aber vermehrten sich dann fleißig weiter. Zum Ende der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren sollen schon 5 bis 10 Millionen Menschen die Erde bevölkert haben. Aus unserer heutigen Sicht ist das immer noch verschwindend wenig. Aber es geht weiter, kennt der Mensch doch keinen Stillstand.
Zu Beginn der Zeitrechnung, also vor 2.000 Jahren, erhöhte sich die Zahl der Erdenbewohner auf rund 300 Millionen. Natürlichen können es auch weniger oder mehr gewesen sein. Aber alle zuvor beschriebenen Größenordnungen und auch die nächsten werden wohl in etwa so hinkommen.
Bis die erste Milliarde erreicht wurde, sollte es immerhin bis zum Jahr 1800 dauern. Das war schon eine Hausnummer. Aber von da an ging es mit dem Wachstum der Bevölkerung noch schneller voran, immer schneller.
Zu meiner Kinderzeit in den frühen Fünfzigerjahren waren es 2,5 Milliarden, und bis zum Jahr 2000 explodierte die Zahl. Immerhin sechs Milliarden ließen die Menschen noch dichter zusammenrücken. Nun, 20 Jahre später, sind es schon fast acht Milliarden. Und auch wenn sich die Wachstumskurve nun verlangsamt, so werden im Jahr 2100 ungefähr 11 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Dabei ist es jetzt schon verdammt eng geworden. Und da fragt man sich dann doch, wie die Erde den Zustrom dieser oft intelligenten Säugetierart verkraften kann und wie lange diese Entwicklung gut gehen kann?

Doch nicht nur die Anzahl der Menschen macht unseren Globus klein, sondern auch der wissenschaftliche und technische Fortschritt. Schon im Jahrtausend vor Beginn der Zeitrechnung gab es kluge Köpfe. Und einige im Morgenland kamen bereits darauf, dass die Erde nicht flach, sondern eine Kugel sei. Erstmals wissenschaftlich bestätigt wurde das im 3. Jahrhundert v. Chr. durch Eratosthenes von Kyrene. Dieser besonders schlaue Geist hatte den genialen Einfall, mit Hilfe des Sonnenstandes Winkelmessungen an zwei verschiedenen Orten durchzuführen. Einmal in Alexandria  und einemal in Assuan. Und damit konnte er nun den Umfang der Erde berechnen, und das sogar ziemlich genau. Damit war einigen wenigen Menschen zum ersten Mal wirklich bekannt, wie groß unsere Erde ist, nämlich die 38fache Entfernung von Alexandria nach Assuan. Und die war zu dieser Zeit immer noch riesengroß. Aber sie sollte kleiner werden.

Ein Ferdinand Magellan benötigte vor 500 Jahren für eine erste Weltumseglung, wenn auch mit Zwischenstopps, immerhin drei Jahre. Das war schon einmal ein vorstellbarer Maßstab für eine Weltgröße.
Im Jahr 1873 wurde ein Science-Fiction-Roman von Jules Verne veröffentlich: „In 80 Tagen um die Erde“. Das war zum damaligen Zeitpunkt undenkbar. Doch die Wette der Romanhelden wurde in dieser schönen Geschichte gewonnen. Mit Hilfe der Eisenbahn, von Schiffen und auf dem Rücken eines Elefanten, schafften die Protagonisten das Unvorstellbare. Und es sollte gar nicht lange dauern, bis diese Geschichte, die in der Zukunft spielte, von der Gegenwart rasant überholt wurde.
Mit der Erfindung der Dampfmaschine und damit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Eisenbahn, schrumpfte unser Globus. Benötigte man zuvor mit der Postkutsche Tage oder sogar Wochen, bis man sein Ziel erreichte, so war man nun deutlich schneller unterwegs. Und die Ärzteschaft, die vor einer Geschwindigkeit von über 40 Kilometer in der Stunde gewarnt hatte, war sie doch der Meinung, dass der menschliche Körper eine solche nicht vertragen könnte, wurde widerlegt. 

Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Flugzeuge entwickelt. Und zu Anfang des 20. Jahrhunderts, im Jahr 1905, gelang es Wibur Wright mit einem der ersten Motorflugzeuge eine Geschwindigkeit von über 60 km/h zu erreichen. Das versetzte die damalige Welt in Ekstase, brach doch damit ein neues Zeitalter an. Und von da an ging es mit den Geschwindigkeitsrekorden schlagartig voran. Schon dreieinhalb Jahrzehnte danach wurden die 1000 km/h geknackt. Es wurde dann hoch oben in der dünneren Luft der Erdatmosphäre zwar noch schneller, bis über 3000 km/h. Doch für den Normalreisenden, der nach Kenia oder Thailand in den Urlaub fliegen wollte, sollten 900 bis 1000 km/h vollkommen ausreichen. Überschallgeschwindigkeiten von über 1236 km/h konnten sich nicht durchsetzen, waren sie doch zu uneffektiv und sorgten wegen der lauten Knalle, die sich beim Durchbrechen der Schallmauer ergeben und an die wir uns aus früheren Jahrzehnten noch gut erinnern können, für zu viel Lärm. Aber mit diesen 1000 km/h ist es eben möglich, wenn man es denn wollte, unseren Erdball, inclusive Zwischenstopps, in weniger als vier Tagen zu umrunden. So klein also ist unsere Erde geworden. Und an die Astronauten auf der Internationalen Raumstation wollen wir schon gar nicht denken, die an einem Tag die Erde 16 mal umkreisen und die dabei 16 fantastische Sonnenauf- und 16 fantastische Sonnenuntergänge sehen könnten, wenn sie denn die Zeit dafür hätten. Aber das gilt in diesem Zusammenhang nicht, soll es doch hier nur um die Erdoberfläche gehen. Und die wird für den Menschen immer eingeschränkter und immer mehr durch ihn belastet.

Das hat dramatische Folgen für die Natur. An der Masse sämtlicher Säugetiere unseres Planeten macht der Mensch 36 Prozent aus. Seine Haustiere wie Rinder und Schweine noch mehr, nämlich 61 Prozent. Da bleiben für die von der Evolution über Jahrmillionen geschaffenen anderen Säugetiere nur ganze drei Prozent übrig. Auch das sollte uns zu denken geben, war das Verhältnis früher doch einmal umgekehrt. Aber so ist der Mensch eben. Er vereinnahmt in erster Linie alles für sich selbst, und die anderen müssen dann sehen, wie sie damit zurechtkommen.

So ist auch die Landmasse der Erde, die nur 29 Prozent der Oberfläche unseres Planeten ausmacht, dafür ein gutes Beispiel. Für die pflanzliche Ernährung der derzeit acht Milliarden benötigt der Mensch eine Fläche, die etwa der Südamerikas entspricht, und das ist ziemlich groß. Noch viel größer aber ist die Fläche für seine fleischliche Ernährung. Für die Weiden der Rinderhaltung und deren Ernährung braucht es ein Gebiet, das der Fläche Afrikas entspricht. Da stellt sich dann erneut eine Frage: Muss unser Fleischkonsum wirklich so groß sein, oder würde nicht der Sonntagsbraten zum Wohle der Erde und der unserer Kinder und Kindeskinder auch ausreichen? Und wie sollen erst zum Ende dieses Jahrhunderts weitere drei Milliarden Menschen ernährt werden, ohne dass die Erde zusätzlich leidet?

Weiter gilt es zu bedenken, dass sich die Städte immer weiter ausbreiten. Sie machen, würde man sie zu einer Mega-City zusammenlegen können, die Hälfte der Landfläche Australiens aus. Dazu schreitet die Versiegelung der übrigen Landschaft durch immer mehr Industrie, Wirtschaftsgebiete, Straßenbau (obwohl der Verkehr deutlich reduziert werden müsste) und die Ausdehnung der Vorstädte immer weiter und schneller voran. In Deutschland entspricht das pro Tag mehr als einem halben Quadratkilometer. Wo bleibt da noch Platz für die Natur? Und die Natur, die z. B. bei uns in Deutschland noch übrig bleibt – ein Drittel unserer Landfläche besteht aus Wäldern – besteht häufig aus sterilen Forstwüsten, in denen nur wenig andersartiges Leben existiert, braucht dieses doch Natürlichkeit.

Die Natürlichkeit der Erde beeinflusst der Mensch hauptsächlich seit Beginn der Industriellen Revolution durch den Klimawandel und die sich dadurch immer rasanter erhöhenden Temperaturen zusätzlich. Ist die Thermometersäule seit der letzten Eiszeit pro Jahrtausend auf natürliche Weise um etwa ein Grad angestiegen, so tut sie es jetzt um denselben Betrag schon in einem Jahrhundert. Allerdings gibt es da in den unterschiedlichen Gebieten der Erde große Unterschiede, sind es doch an den Polen gleich mal bis zu sechs Grad. Und die lassen das Eis in immer schnellerem Tempo schmelzen, was wiederum zum Ansteigen des Meeresspiegels führt, was zahlreichen Mega-Citys, die kaum über dem Meeresspiegel liegen, schon bald die Zukunft nehmen wird. Ob in New York Manhattan, Schanghai oder Djakarta, um nur diese von vielen anderen zu nennen. Sie werden schon in absehbarer Zeit unter dem Meeresspiegel liegen. Es lohnt nicht, in diese Millionenstädte noch viel Geld zu investieren. Und wenn wir etwas weiter in die Zukunft blicken, dann wird sich das Meer noch mehr Land holen. In Deutschland sind die Deiche so konstruiert, dass sie in dem Maße erhöht werden können, dass sie dem Meer bis Ende dieses Jahrhunderts standhalten. Doch was kommt dann? Sollten die Pole in den nächsten Jahrhunderten zum Großteil abschmelzen, was längst keine Utopie mehr ist, dann würde der Meeresspiegel um ca. 60 Meter ansteigen. Selbst meine Heimatstadt Hannover, die 150 Kilometer von der Nordsee entfernt liegt, würde dann nur noch durch besonders hohe Deiche zu retten sein. Von Hamburg, Bremen, Rostock oder Berlin wollen wir da schon gar nicht reden.

Der Lebensraum wird also allein durch das sich weiter ausbreitende Meer, zusätzlich zur zunehmenden Weltbevölkerung, immer enger. Und was wird das für die Menschheit bedeuten? Wir kennen das Beispiel von den Ratten, die auf engerem Lebensraum immer aggressiver werden. Bei den Menschen wird das zu Kriegen führen. Zu Kriegen um Landflächen, ums Wasser, um Bodenschätze. Auch die Flüchtlingsströme werden zunehmen, von denen wir bisher nur einen kleinen Vorgeschmack bekommen haben. Andere wollen ebenfalls an dem Wohlstand und dem Konsum, den wir längst haben, teilnehmen. So werden sie irgendwann in Massen zu uns drängen. Ob dann noch höhere Zäune an Land oder noch mehr Patrouillenschiffe auf dem Meer den Zustrom stoppen können, ist fraglich. Und diejenigen, die in ihren Ländern bleiben, bleiben müssen, wollen ihren Lebensstandard verständlicherweise auch erhöhen. Dreieinhalb Milliarden Menschen leben heute unter der Armutsgrenze. Was wird, wenn auch sie so leben wollen wie wir in den westlichen Ländern und inzwischen vielen Ländern Asiens, die wir im Konsum schwelgen. Wir Deutschen verbrauchen ungefähr so viel, was die Ressourcen, würde es heute die gesamte Menschheit betreffen, von zwei bis drei Erden entspricht. Die US-Amerikaner sogar das Doppelte. Ist das noch gerecht? Würde die gesamte Menschheit diesen Wohlstand haben, würde es ganz schnell zum Kollaps kommen. Mehr Ressourcen als die Erde hat, kann sie nun mal nicht zur Verfügung stellen. Und einen zweiten oder dritten Planeten, der dieses ermöglichen würde, haben wir nicht. Auch nicht für die Natur mit ihrer Biodiversität, den Pflanzen und den Tieren. Der Mensch verursacht ein großes Artensterben, was früher nur gigantische Magmaausbrüche aus dem Erdinneren oder Meteoriten geschafft haben, und er weiß noch nicht annähernd, wie sich das in Zukunft auf unseren schönen blauen Planeten und damit auch auf uns selber auswirken wird.

Unsere Erde ist für den Menschen also tatsächlich zu klein geworden. Natürlich hoffen wir auf Innovationen, die in Zukunft die Schäden, die wir jetzt verursachen, beheben werden und allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen. Doch wird das bei einer Zahl von demnächst 11 Milliarden gelingen? Die Rohstoffe der Erde sind nicht endlich, und die Böden für die Bewirtschaftung der Anbau- und Feldflächen werden immer ausgelaugter werden. Irgendwann werden sie ziemlich verbraucht sein. Manche Wissenschaftler geben ihnen noch 60 bis 100 Ernten. Zusätzlich werden sie durch die industrielle Landwirtschaft immer stärker verdichtet, können immer weniger Wasser aufnehmen. Und die Pestizide vergiften nicht nur die "Schädlinge" auf den Feldern, sondern natürlich alle anderen Insekten, wie auch die Bienen, im Umland und die Mikroorganismen im Boden genauso, die den wertvollen Humus produzieren. In einer handvoll Erde leben mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt. Außerdem gelangen diese Gifte der großen Chemiefirmen in den menschlichen Körper. Krebskrankheiten sind die Folge. Warum schreitet da die Politik nicht ein? 

Zurzeit sind also die Zukunftsaussichten nicht gerade rosig, zumal wir noch nicht wirklich abschätzen können, wie uns der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten zusetzen wird. Kommt es ganz schlimm? Oder werden die Menschen auch bei höheren Temperaturen und einer Überbevölkerung ein erträgliches Leben führen können? Aber vermutlich, so sieht es heute aus, muss der allgemeine Lebensstandard, den wir jetzt bei uns haben, auf Dauer deutlich heruntergefahren werden. Wohl nur so kann es allen zumindest einigermaßen gut gehen. Und wir wissen aus der Vergangenheit, dass ein hoher Wohlstand und ein großer Konsum nicht glücklicher machen als ein bescheideneres Leben. Der Mensch ist eigentlich ein lernfähiges Wesen, und Einsicht kann nicht schaden. Und wenn der Profit der Wirtschaft mal hinten angestellt würde und wir selber uns einschränken, käme das dem Großteil der Menschheit zugute und die meisten auf diesem wunderschönen Planeten könnten ein menschenwürdiges Dasein führen. Das sollte doch Anreiz genug für eine bessere Welt sein.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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