Unheimliche gruslige Orte
Grusel, Gräber und Grüfte

Graf Dracula lässt grüßen. Gruseln kann etwas Schreckliches sein, aber auch etwas Schaurig-Schönes. Atme vorher noch einmal tief durch.
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  • Graf Dracula lässt grüßen. Gruseln kann etwas Schreckliches sein, aber auch etwas Schaurig-Schönes. Atme vorher noch einmal tief durch.
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Gruseln. Was für ein Wort! Für den einen kann es etwas Unangenehmes, Beklemmendes oder sogar Beängstigendes sein, kann denjenigen zur Salzsäule erstarren und das Blut in den Adern gefrieren lassen. Es kann auf einen selbst aber auch ganz anders wirken, nämlich dann, wenn es auf irgendeine Art Spaß macht, wenn es schön-schaurig ist, wenn man solche Gelegenheiten regelrecht sucht. Davon und darüber will ich mit diesem vielleicht ungewöhnlichem Thema berichten. Es gibt so einiges zu erzählen. Und so mancher Leser oder so manche Leserin hat vielleicht im eigenem Leben ähnliche frühkindliche oder spätere Erfahrungen gemacht und könnte sich darin wiedererkennen.

Vorweg noch zur Warnung für zartere Gemüter: Manche Schilderungen weiter hinten sind alles andere als appetitlich und nicht leicht verdaulich. Aber sie gehören eben auch zu diesem Thema und dem damit verbundenen Totenkult dazu. Und damit nun viel Freude am Gruseln.

Ängste früher Kindheit

Meine Großeltern hatten in den Fünfzigerjahren einen Kolonialwarenladen auf dem Lande, auf Gut Radau am Rand des Harzes. Dort verbrachte ich auch meine ersten drei Lebensjahre, bevor unsere Familie nach Hannover in die Großstadt umzog. Und dort auf dem Gut gab es für mich als Kind genügend Möglichkeiten, die mir unheimlich waren, mir Angst machten und die mich sogar gruseln ließen.

Da war zum Beispiel oben vor der Schlafkammer die Bodenklappe mit einem finsteren Spalt darin, an den die steile Treppe angelehnt war und hinter der ich Unwesen vermutete, die mir Böses tun wollten. Was mochte dort oben nachts vor sich gehen?, fragte ich mich.

Ich hatte eine ältere Schwester, und die hatte eine panische Angst vor Spinnen und anderem Käfergetier. Wenn ein solches schwarzes Krabbelwesen über unserem Bett an der Decke saß, dann fing sie an zu schreien, wobei ich aus Angst sofort mit einstimmte. Solange, bis ein Erwachsener zu uns heraufkam, um uns davon zu erlösen. Und unheimliche Krabbelgeräusche kamen nachts aus der Wand, auch direkt neben dem Bett. Darin hatten die Mäuse ihre Gänge, die auch, zum Schrecken meiner Oma, manchmal durch die Wohnung liefen. Deswegen wurden Mausefallen mit einem Käsestück aufgestellt, die so manchem Nager das Genick brachen.

Die meiste Angst aber hatte ich vor Ratten, von denen bei den Erwachsenen immer wieder die Rede war. Sie waren mit ihrem langen, nackten Schwanz und den borstigen Schnautzhaaren für uns kleine Kinder die furchterregendsten Wesen überhaupt. Dem Schäfer war in seinem dunklen Schweinekellerverließ sogar eine Ratte ins Hosenbein gekrochen, die er dann mit bloßen Händen, indem er sie darauf presste, erdrückte. Eine schreckliche Vorstellung für mich, die mir den Schlaf raubte.

Später im Kinderheim Waldfrieden in Bad Salzdetfurth, in dem es nicht immer friedlich und kindgerecht zuging und in das ich als Achtjähriger zu Erholungszwecken lange sechs Wochen verschickt wurde (es sind darin im Jahr 1969 sogar drei Kinder aus Gründen, die ich hier nicht nennen möchte, ums Leben gekommen), gab es nicht nur Schläge mit den Latschen der Erzieherinnen auf den Hintern, was damals normal war, sondern es wurden vorm Schlafengehen auch manchmal Gruselgeschichten vorgelesen. So erinnere ich mich an eine, in der ein Richter, eine fette schwarze Ratte und ein Galgenstrick eine Rolle spielten. Der Gruselfaktor war für mich in der Dunkelheit des großen Schlafsaales danach entsprechend groß. Gedanken machte ich mir damals darüber, wie ich am besten fliehen könnte. Aber einen ausgereiften Plan fand ich nicht. Es war allerdings nicht alles schlecht dort, habe ich doch auch Erinnerungen an schönste Wanderungen in der Natur.

Aber auch bei uns in Hannover gab es jede Menge Ratten. Ich hatte von Geschichten gehört, dass sie durch die Kanalisation kamen und in so manchem Klobecken gesessen haben sollen. Eine Zeit lang machte ich erst jedes Mal den Deckel vorsichtig auf, um mich zu vergewissern, ob mich da nicht ein Rattenvieh anstarren würde. Und auch bei den Sitzungen war mir unheimlich. Heute soll es in Hannover geschätzt fast doppelt soviel Ratten wie Einwohner geben. Nachts kommen sie überall in der Stadt zum Vorschein, wie auch Füchse und Marder. Ein Taxifahrer erzählte es mir.

Auch Worte von Erwachsenen, oft unbedacht dahingesagt, konnten mir unheimlich sein. So wurde erzählt, dass abends der Sandmann kommt, um uns Kindern zum Einschlafen Sand in die Augen zu streuen. Und schon stand dieser Sandmann in unserem dunklen Kinderzimmer. Es war das matt silberne Ofenrohr, von einer Straßenlaterne etwas angeleuchtet, das ich für diesen hielt. Ein fremder Mann an meinem Bett! Ich zog mir das Deckbett hoch über den Kopf und hörte mein eigenes Herz klopfen, ein Geräusch, von dem ich nicht wusste, wo es herkam und das mir zusätzlich Angst machte.

Größere Kinder beim Spielen auf der Straße meinten einmal zu mir, dass mich, wenn ich nicht artig sei, der böse Wolf holen würde, um mich in den Gully zu stecken. Angstvoll sah ich durch die Spalten der Metallstreben in die schwarze, unergründliche Tiefe hinab.

Und ein Erwachsener sagte, dass mich, wenn ich jetzt nicht reinkäme, die Nachteulen holen würden. Schon sah ich mich von ihren messerscharfen Klauen am Kragen gepackt davon fliegen, auf Nimmerwiedersehen. So wie der fliegende Robert an einem Regenschirm im "Strubbelpeter", den eine Windböe erfasst und in die Weite des Himmels davongetragen hatte.

Den Strubbelpeter sah ich mir aber gern an, und meine größere Schwester las mir, wenn auch noch stockend, die Geschichten vor. Natürlich erkannte ich, dass sie nicht die Wirklichkeit waren. Aber etwas unheimlich waren sie mir schon, und ich wollte nun wirklich nicht die Daumen abgeschnitten haben, in ein Tintenfass gesteckt werden oder zu einem Häufchen Asche verbrannt sein.

So kam es damals, dass ich durch solch gruslige Situationen und Geschichten, die mich im Dunkeln gedanklich oft beschäftigten, immer wieder die für mich schlimmsten Albträume hatte, in denen ich mich in unheimlichen Räumen befand, vor Ratten fliehen wollte und doch nicht konnte, weil ich wie am Boden festgeklebt war. Schweißgebadet und weinend wachte ich dann nachts auf, so dass meine Eltern Mühe hatten, mich zu beruhigen.

Das waren also, und natürlich auch noch andere, frühe Kindheitsängste, die mich immer wieder gruseln ließen. Auch als ich älter wurde das Heraufholen der Kohlen an Winterabenden aus dem finsteren Keller. Dann schlich ich ganz leise die Treppe hinunter, guckte vorsichtig in den dunklen Gang oder verhielt mich im Gegenteil laut und pfiff vor mich hin, um einen Mut vorzutäuschen, den ich nicht besaß. Andererseits fiel es mir im hellichten Tageslicht mit meiner regen Phantasie auch leicht, mich in andere, fremde und abenteuerliche Welten hineinzuversetzen. In die von Piraten, von Raubrittern und Indianern. Und das waren wundervolle Gedanken und Erlebnisse.

Grusel kann schaurig-schön sein

Aber das Leben bleibt nicht stehen, man wird älter. Und damit änderte sich für mich mein Verständnis von Gruseln vollkommen. Nun wurde es nämlich so, dass ich diesen Effekt positiv spannend und aufregend fand. Zum Beispiel drückte ich mir bei einem Besuch des Berggartens in Hannover mit Eltern und Schwester an den Kellerfenstern der Gruft des Mausoleums die Nase platt, um einen Blick auf die Sarkophage, in denen Fürsten und Könige ihr Grab gefunden hatten, zu erspähen. Das musste mit den vielen Leichen im finsteren Gewölbe ein überaus grusliger Ort sein. Das war mir klar. Wie würden die Toten in ihrer Finsternis nach Jahrhunderten inzwischen aussehen? Wie hatten sie sich verändert? Diese Fragen stellte ich mir. Aber zu sehen war leider nichts. Nichteinmal ein grusliger Sarg.

Unbehagen flößte mir auf dem Weg zu meinen Großeltern in die List das alte Gefängnis aus rotem Mauerwerk am düsteren Raschplatz hinter dem Hauptbahnhof ein. Ich stellte mir vor, wie die Gefangenen hinter den hohen Mauern und den vergitterten Fenstern bei Wasser und trocken Brot in ihren engen Zellen schmachten mussten. Und ich wusste natürlich, dass darin - und diese grausige und abscheuliche Geschichte kannte nun wirklich jedes Kind - der Massenmörder Haarmann, der auch der Kannibale, der Schlächter oder der Vampir genannt wurde, an einem Morgen im frühen Dämmerlicht seinen Kopf unter das Fallbeil hatte legen müssen und sein verdientes Ende gefunden hatte. Sage und schreibe 27 Menschen sollte er mit dem Schlachtebeil umgebracht haben. Die Leichenteile hatte er zu Wurst verarbeitet und verkauft oder in die Leine geworfen. Was für eine grauenhafte Geschichte! Sie ließ mich erschaudern und faszinierte mich zugleich. Die Überbleisel der Toten wurden später auf dem Stöckener Friedhof in einem Ehrengrab beigesetzt. Es gibt sogar ein Gedicht und ein Lied darüber. Ich kann es empfehlen. Hier den Link dazu: Warte, warte nur ein Weilchen

Wenn wir Geschwister mit den Eltern einen Sonntagsspaziergang am Hohen Ufer der Leine machten, dann zeigte mir mein Vater den Eingang zu einem unterirdischen Tunnel, der in die Altstadt führte. Dabei handelte es sich um den Hanebuth-Gang, in dem sich der gleichnamige Räuber, der im Dreißigjährigen Krieg in der Eilenriede etliche Leute überfallen und gemeuchelt hatte, versteckt haben sollte. Das beeindruckte mich zutiefst.

Auch bei Familienausflügen am Harz kam es bei mir zu grusligen Momenten. So in der Burgruine Regenstein bei Blankenburg. Dort sollten einst, so hieß es, böse Raubritter gelebt haben, die gefangene Kaufleute nur gegen Lösegeld wieder freißließen. Ich schaute in den unheimlichen Schacht des Verlieses hinunter, wo sie sicherlich lange auf bessere Tage hatten warten müssen. Wenn die überhaupt kamen. Und findige Touristenmanager soll es schon zur Zeit der Romantik gegeben haben. Die kamen nämlich auf die Idee, sich vom Friedhof in Blankenburg ein Skelett zu besorgen und es am Grunde des Schachtes zu deponieren. Damit wurde, eine Laterne hinunterlassend, den damals staunenden Reisenden weisgemacht, wie es manchen Gefangenen ergangen sei.
Übrigens gibt es dazu einen schönen Roman: "Der Raubgraf" von Julius Wolf aus dem 19. Jahrhundert. Darin hat auch das bekannte Regenstein-Gespenst seinen Auftritt. Gedruckt ist ist es allerdings in alter Schrift und dadurch am Anfang etwas mühsam zu lesen.

Ebenso gruslig war für mich die Folterkammer im Schloss Wernigerode. Im düsteren Kellergemach gab es nicht nur eine Streckbank, sondern auch zahlreiche Kneifzangen, Daumenschrauben oder eine eiserne Maske, an der Innenseite mit Stacheln besetzt, die im Feuer erhitzt und dem Gefangenen aufs Gesicht gepresst wurde. Solche Eindrücke beschäftigten mich im Kindesalter sehr und waren ein beliebtes Thema unter Freunden, die ebenfalls davon fasziniert waren.

Und schließlich kam es bei mir dahin, dass ich unheimliche Situationen nicht nur spannend fand, sondern dass ich sie in den Schulferien auf Gut Radau bei meinen Großeltern mit meinen Freunden, die dort zu Hause waren und die sich ebenfalls gern gruselten, regelrecht suchte. Und auf dem Gut mit seinen vielen Gebäuden gab es so viele Möglichkeiten dazu, wo ich, aus der Großstadt kommend, bei Oma und Opa jede Ferien ohne störende Eltern verbringen durfte. Kein schöneres Ziel auf der Welt hätte es für mich damals geben können.

Unheimliche, gruslige Orte auf Gut Radau

Da war das unheimliche Gemäuer einer alten Bierbrauerei, die nach dem 1. Weltkrieg stillgelegt worden war, mit für uns Jungs riesigen Hallen. Förderbänder liefen im ewigen Dämmerlicht ins hohe Dachgestühl hinauf, in das durch kleinste Luken nur wenig Licht hereindrang. Darüber konnten wir nach oben gelangen, wo auch Uhus und Fledermäuse wohnten, die wir nach Einbruch der Dämmerung von draußen herausfliegen sahen. Am Boden standen verstaubte, verrottete und längst aussortierte landwirtschaftliche Maschinen, von denen wir nicht wussten, wozu sie einst eingesetzt worden waren. Diese ganze unheimliche Atmosphäre, in die wir uns nur mit äußerstem Mut hineinwagten, zog uns aber andererseits magisch an. Allerdings nur am Tage. In der herbstlich frühen Dunkelheit schlugen wir einen großen Bogen um das alte Gemäuer herum. Nie im Leben hätten wir es nachts betreten. Dann hätte unser Herz aufgehört zu schlagen. Davon waren wir felsenfest überzeugt.

Dann waren da die riesigen Strohböden von Kuh- und Schafstall, ebenfalls in ewiges Dämmerlicht getaucht, die uns nicht weniger anzogen. Sie waren über steile, schwindelerregende Leitern erreichbar. Auch dort oben war es für uns genügend unheimlich. Besonders dann, wenn Stroh und Heu im Sommer hoch aufgestapelt waren und es viele finstere Ecken gab. Hatte das Aufschichten aber erst begonnen, dann war es für uns eine Mutprobe, über die waagerechten, schmalen Deckenbalken zu balancieren, etwa fünf Meter über der Strohschicht. Das war zwar nicht gruslig, ziemlich spannend aber schon.

Vor dem Schafstall stand ein hoher Uhrturm. Steilste Treppen führten zur Glocke und dem Uhrwerk im Giebel hinauf. Und hier konnten wir uns durch eine kleine Maueröffnung nur in der Dunkelheit hineinzwängen, da man uns am Tage vom Hof gesehen hätte. Bei dieser unheimlichen Besteigung musste ich an ein Märchen der Gebrüder Grimm denken, das vielleicht mancher von euch aus seiner Kinderzeit kennt. Es handelte von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen. Auch der junge Mann dieser mich faszinierenden Geschichte stieg in einen Turm hinauf, wo er auf ein Gespenst traf.
Natürlich konnten wir es auch nicht lassen, im Gebälk an den Zeigern des Ziffernblattes zu drehen, das wir ja nun von der Rückseite sahen. Als die Glocke dann aber tatsächlich zu schlagen begann, erschraken wir uns fürchterlich und machten, dass wir davonkamen.

So richtig gruselig aber wurde es mir, und dass ließ sich leider nicht vermeiden und ich legte nicht den geringsten Wert darauf, wenn ich meinem Freund Hermann, den Sohn des einen Schäfers, im Schafstall helfen musste. Wasser in die Tröge füllen, Stroh in Krippen und am Boden verteilen und den Ausgang fegen, ließen doch die Schafe tagtäglich eine Menge Dreck zurück. Und natürlich hatten die beiden Schäfer mehrere Hunde, die sie mit der Herde nicht alle mitnahmen. Das jedoch waren scharf abgerichtete, wilde Bestien und nur die beiden Schäfer und mein Freund Hermann durften ihnen nahekommen. Auch die Erwachsenen hatten Respekt vor ihnen. Nun musste ich aber, wollte wir zwei in den Schafstall, an ihnen vorbei. Wie wild rissen sie dann an ihren Ketten, war ich doch für sie ein Fremder, der in ihr Revier eindrang. Nur einen Meter Platz war für mich zwischen ihren zähnefletschenden Mäulern und der Wand, an der ich mich entlang drückte. Und ich hätte nicht daran gezweifelt, dass sie mich in Stücke gerissen hätten, hätten sie sich von ihren Ketten befreien können.

Dass dieses fast wirklich einmal passiert wäre, ist eine andere Geschichte. Der Schäfer kam uns, meinem Freund Hennes und mir, an einem abgelegenen Ort ohne Herde mit zwei unangeleinten Hunden aus größerem Abstand entgegen, ohne dass er uns Jungs zunächst wahrgenommen hatte. Die Hunde hatten es aber wohl. Mit ungeheurer Geschwindigkeit rannten sie plötzlich auf uns zu, ähnlich denen bei einem Windhundrennen. Wir standen in Schockstarre wie angewurzelt da. Erst durch das Rennen der Hunde bemerkte er auch uns. Er schrie nach ihnen. Sie reagierten in ihrem Jagdfieber nicht. Erst beim zweiten und dritten Anschreien stoppten sie abrupt und kehrten zu ihrem Herrn zurück. Darauf nahm der Schäfer einen Stock und verprügelte sie nach Strich und Faden. Das wird für sie wohl eine Lehre gewesen sein. Und für uns, die wir mit zitternden Knien dastanden, war es das auch, in Zukunft noch vorsichtiger zu sein.

Vermeiden ließ sich auch das abendliche Reintreiben der Schafböcke von ihrer umzäunten Streuobstwiese in den Stall nicht, wobei mir ebenfalls unbehaglich war. Mit ihren starken Nacken und mächtig geschwungenen Gehörnen hatten diese auch meinen allergrößten Respekt und ich hoffte nur, dass sie mich nicht auf die Hörner nehmen würden.

Nicht beängstigend, aber doch ebenfalls unbehaglich fühlte ich mich, wenn ich der Familie des Müllers einen Einkauf bringen musste. Dabei musste ich steile, knartschende Treppenstufen in den zweiten Stock hinaufsteigen. Zunächst durch den unteren Raum, in den fast kein Tageslicht eindrang. Durch eine Maueröffnung schoss das Wasser des Mühlgrabens herein, das zuvor über einen Hang Fahrt aufgenommen hatte. Es trieb das plätschernde Mühlenrad an. Die Luft war feucht und modrig. Die sich bewegenden Gestänge und drehenden Zahnräder aus Holz gaben ihre quälenden Geräusche von sich. Von oben war das Mahlen der schweren Steine zu hören.
Im Mahlstockwerk verbreitete eine funzlige Glühbirne nur wenig Licht. Ich sah auf die sich drehenden, schweren Steine und die vielen prallvollen Leinensäcke, die aufgereiht aneinander standen. Durch eine nun geschlossene Luke konnten sie mit einem Kranarm nach unten gehievt werden. Erst über die nächste steile Treppe gelangte ich in die Wohnung des Müllers. Unheimlich war das alles schon für mich.

Andere spannende Situationen ergaben sich für uns Jungs durch eine tiefe Höhle in dem Sandberg eines nahen Bergwerkes, in dem sich im Krieg einmal polnische Zwangsarbeiter versteckt hatten. Auch hier mussten wir, mit Kerzen ausgerüstet, unseren ganzen Mut zusammennehmen, um über einen steilen, rutschigen und engen Gang in die Tiefe zu gelangen. Bis hin zu einer kleinen Kammer, die nun wirklich gruslig war. Erst nach mehreren Anläufen hatten wir uns dort hinabgewagt.

Ebenso gruselten wir uns, mit Gummistiefeln an den Füßen, im unterirdischen, einsturzgefährdeten Bereich des Mühlgrabens oder den Kellergewölben der einstigen Häuser der Knechte und Mägde, die längst verlassen waren. Unter dem donnernden Wasserfall des Mühlgrabens befand sich der Eingang. Alles war feucht und modrig. Triefendes Grünzeug und kleine Tropfsteine hingen von oben herab. Dann der lange, finstere Gang mit dem groben Mauerwerk, von dem die einzelnen Zimmertüren abgingen. Alles war darin nun kahl. Aber wir drangen vorsichtig bis zu dessen Ende vor und stiegen dann mit zitternden Knien die steilen Stufen in die Kellergewölbe hinunter. Auch hier nur mit Kerzenbeleuchtung, war das doch wegen des flackerndes Lichtes viel aufregender als mit einer Taschenlampe und erhöhte den Gruselfaktor ungemein.

Das also war es, was wir Kinder damals gesucht hatten. Wir wollten es unheimlich haben, wir wollten uns gruseln, auch wenn es oft unseren ganzen Mut erforderte. Manchmal klopfte in der Dunkelheit unser Herz rasend schnell, manchmal zitterten wir, und das nicht vor Kälte. Auch musste ich dabei manchmal an Tom Sayer denken, der aus Versehen mit dem unheimlichen Indianer Jones in einem fürchterlichen Höhlenlabyrinth eingeschlossen war. Oder an Huckleberry Finn, der um Mitternacht bei Vollmond mit einer toten Katze auf den Friedhof schlich, um seine Warzen zu besprechen.

Natürlich war für uns Kinder das Betreten dieser sämtlichen Gebäude von den Erwachsenen verboten worden, und wir wussten auch um die nicht seltene Gefährlichkeit darum, war es doch oft mit nicht einfacher Kletterei verbunden. Doch ein Verbot konnte uns davon nicht abhalten. Erstens merkte es normalerweise niemand, und zweitens fanden wir, auch wenn die Gebäude verschlossen waren, immer einen Zugang. Oder wir machten uns einen. Schnell war durch das Lösen von Brettern ein Durchschlupf geschaffen oder mit Hammer und Meißel aus der Schmiede mühevoll ein Loch in die dicke Backsteinwand der Brauerei gebrochen, durch das wir uns hindurchzwängen konnten.

Aufregendes ein Leben lang

Aber irgendwann war diese aufregende und schöne Kinderzeit auf Gut Radau vorbei. Ich war zum jungen Menschen herangewachsen, und das Gruseln hatte für mich keine große Bedeutung mehr. Aber trotzdem zogen mich in diesem Alter alte Burgen, Kellerverliese, Türme und Höhlen immer wieder an und tun es auch heute noch. Und natürlich sah ich mir auch gern Gruselfilme an. So lief in den Siebzigerjahren jeweils an einem Montag im Fernsehen zu später Stunde die Reihe "Mumien, Monster, Mutationen", die die Älteren von euch sicherlich in Erinnnerung haben. Darin wurden spannende und gruslige Filme aus Hollywood gezeigt, die bei uns jungen Leuten für Gänsehaut sorgten. So beispielsweise Roman Polanskis Tanz der Vampire, Mary Shelleys Frankenstein, Brandon Stokers Dracula oder Alfred Hitschkocks Psycho. Auch wenn wir diese Filme aus heutiger Sicht, was den Gruselfaktor anbelangt, eher belächeln. So taten wir es damals nicht. Sie waren für uns äußerst aufregend und spannend.

Ebenso in den Achtzigerjahren die ersten beiden Alien-Filme, deren Spannung nun wirklich nicht zu überbieten war und die uns tief in den Kinosessel drückte. In ihnen bauten sich spannende Szenen langsam auf, die dann aber wie im Nichts im Sand verliefen und sich als harmlos erwiesen. Rechnete man aber nicht mit Unheil, dann schlug ein Schreckmoment gnadenlos zu, der uns auf der Stelle das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das war ein psychologisch ausgereiftes System, um diese Filme unvergesslich zu machen. Ähnliches gibt es heute im Zeitalter der viel zu übertriebenen digitalen Filmbearbeitung und überbordender Horrorszenen nicht mehr. Sie stumpft ab und macht Gruselfilme langweilig. Ausnahmen sind aber beispielsweise Das Schweigen der Lämmer, Panik Room oder Gravity.

Zusätzlich sah ich mir mehr oder weniger dokumentarische Filme an. So über den Grafen Dracula, der ja nun wirklich als Vlad III. vor 500 Jahren gelebt und der einst grausam gegen die Türken gekämpft hatte. Reihenweise soll er sie nach dem Kampf auf langen Lanzen hat aufspießen lassen. Bekannt war er im östlichen Raum Europas, Russland und Rumänien, als Menschenshlächter. Hinrichtungen und Pfählungen waren sein Hobby. Als man den Grafen nach seinem Tod nach mehreren Tagen wieder ausgrub, weil man unbedingt noch etwas aus dem Sarg holen wollte, sah er aus wie das blühende Leben. Damals wusste man natürlich nicht, dass Faulgase im Körper diesen aufblähen können, so dass die Haut wieder straff und ansehnlich wird, keine Falten mehr zu sehen sind und die Geichtsfarbe wieder rosig werden kann. Die Sage vom Untoten war geboren.

Im Kino sah ich mir eine Dokumentation über Eingeborene in Papua Neuguinea und deren Totenkult an. Die Schädel ihrer Verstorbenen hängten sie unter dem Dach ihrer Hütte auf oder begruben den Leichnam unter ihrem Fußboden. So konnten sie ihren Ahnen immer nahe sein. Schaurig aber war, dass die Toten bei den hohen Temperaturen und extremer Luftfeuchtigkeit viele Tage in ihren Hütten aufgebahrt wurden, so dass sie abscheuchlich verwesten und stanken. Aus Liebe zu dem Verstorbenen pickte der Ehepartner die Maden aus den tiefen Augenhöhlen, verspeiste sie und rieb den eigenen Körper mit den Leichensäften ein, um damit vor den bestialischen Angriffen der Insekten besser geschützt zu sein. Ein solcher Totenkult ist für uns nicht appetitlich und kaum vorstellbar. Für diese Menschen ist es aber das gewöhnliche Alltagsleben gewesen. Auch wir selbst würden, hätten wir dort gelebt, sicherlich nicht anders gehandelt haben.

Und auch in unserer Gesellschaft war es früher ebenso üblich, die Toten im offenen Sarg aufgebahrt länger im Haus stehen zu lassen. Wohl nichts Unheimliches war dabei. Damals war das Verständnis zum Sterben eben ein anderes als heute. Der Tod, bedingt durch hohe Kindersterblichkeit und eine teils kaum vorhandene medizinische Versorgung, gehörte zum Alltäglichen dazu.

Ein anderes Beispiel: In unserem Urlaubsort Tiers in Südtirol war es für den Leichenbestatter im Winter üblich, die Verstorbenen auf dem eigenen Dachboden seines Hofes zu stapeln. Der Friedhof befindet sich nämlich in Welschenhofen, einem Nachbarort, der nur über einen hohen Bergrücken erreichbar war. Und dieser konnte im Winter nicht überstiegen werden. So fanden die Beerdigungen erst nach der Schneeschmelze im nächsten Frühjahr statt.

In einer Wissenschaftssendung  im Fernsehen wurde einmal auch das Thema Leichen aufgegriffen. Es ging darum, wie sie sich, nachdem sie aus bestimmten Gründen, nicht selten Verbrechen, noch einmal ausgegraben werden mussten, im Laufe der Zeit in ihren Särgen und Sarkophagen verändern. Das hängt immer von den Bodenverhältnissen ab. Ob sie leicht, schwer, trocken, feucht oder sauer sind. So verwesen manche schnell, andere langsam oder kaum, und auch auf unterschiedlichste Art, was Bilder dokumentierten. Eine wieder ausgegrabene Leiche wurde dabei gezeigt, die war von oben bis unten mit Kristallen überzogen, ein Anblick wie aus einem Horrorfilm, vollkommen unwirklich.

Und in der Zeitung las ich einmal von der Sargöffnung des Lügenbarons Münchhausen. Der Leichnam soll im ersten Moment gut erhalten gewesen sein, fiel dann aber nach der Berührung mit der Luft schnell in sich zusammen.

Besonders gut werden Tote in Mausoleen auf natürliche Weise konserviert. Der ständige Luftzug sorgt dafür. So auch durch den trockenen Sand in Ägypten, in dem keine Bakterien leben können, die die Toten zersetzen. Mumien bleiben Jahrtausende lang in einem guten Zustand. Selbst konnte ich mir bei Reisen in jüngeren Jahren ein Bild davon machen. Mit Taschenlampe habe ich aus Abenteuerlust einige Grabhöhlen allein erforscht, von denen es in diesem Land unzählige gibt. Im Tal der Königinnen in Theben habe ich dabei in einer Kammer einen ganzen Haufen von Mumientorsos entdeckt, deren Haut sich zwischen den Rippen wie zähes Leder anfühlte. Allerdings fehlten ihnen sämlich Köpfe, Hände und Füße. Touristen haben sie wohl als Souvenier mitgenommen.

Und natürlich habe ich im Ägyptischen Museum im Mumiensaal auch aus allernächster Nähe in die Gesichter der großen Pharaonen geblickt. Eines Tutmosis, eines Sethos oder das von Ramses dem Großen, der vielleicht sogar, wenn es diesen wirklich gegeben haben sollte, was die Wissenschaft heute bezweifelt, einem Moses gegenübergestanden haben könnte. Es ist aufregend, den Menschen nur eine Armlänge nahe zu sein, die zu biblischen Zeiten gelebt haben, die es wirklich gegeben hat und über die ich so viel gelesen hatte. Ein heiliger Schauder lief mir bei diesen Anblicken über den Rücken. Nicht aber von Grusel, sondern von Großartigkeit.

Etwas unheimlich war es aber an Sonntagen, an denen keine Touristenführungen stattfanden, menschenleere Pyramidengänge in völliger Dunkelheit mit Taschenlampe zu erkunden. Nur das war zu sehen, was der Lichtkegel meiner Taschenlampe anstrahlte. Dazu die unangenehm stickige Luft. Vorbei an einem unergründlichen Schlund, dem so genannten Tiefen Schacht, der unter das Niveaue der Cheopspyramide führt, war ich in der Großen Gallerie, deren hohe Decke bei der Entdeckung voller Fledermäuse war, allein. In der Grabkammer des Königs fand ich sogar einen engen, niedrigen Gang, der in keinem Plan verzeichnet war. Auf den Knien kriechend, konnte ich ihn erkunden. Das war ungemein spannend für mich.
In einer anderen Pyramide, die des Mykerinos, in der ich vollkommen allein war, kroch ich ebenfalls durch einen Gang. Der wurde durch einen schmalen senkrechte Schacht unterbrochen. Es war für mich nicht leicht, auf dessen andere Seite zu gelangen und bis zur Grabkammer vorzudringen.

Bei allen meinen Unternehmungen im Land am Nil konnte mir aber eines nichts anhaben, und ich nahm es auch nicht ernst. Das war natürlich der Fluch der Pharaonen. Ich glaubte einfach nicht daran und belächelte ihn. Bald nach meinen Reisen, es war in den Achtzigerjahren, wurde das Rätsel darum jedoch gelöst, und ich war es, der sich getäuscht hatte. Es war nämlich doch etwas dran. Außergewöhnlich viele Ägyptologen waren  nach ihren Forschungen im Laufe der Zeit tatsächlich ums Leben gekommen.
Es ergab sich damals, dass es bei der Öffnung polnischer Königsgräber ebenso zu solchen Vorfällen kam. Und hier konnte die Ursache geklärt werden, und in Ägypten war es nicht anders. Es lag an den Sporen der Schimmelpilze in den uralten Grabanlagen. Sowieso schon geschwächte Menschen, meist durch eine Lungenkrankheit belastet, atmeten diese ein und starben nicht lange darauf daran.  Auch Lord Carnavon erging es so, der die Ausgrabung Howard Carters des Tutanchamun-Grabes finanziert hatte. Ein halbes Jahr nach Betreten der Grabanlage starb er an den Folgen einer Lungenkrankheit. Und selbst konnte ich mir in diesem Grab ein Bild davon machen, wie Schimmelpilze, entstanden durch die feuchte Atemluft von Touristen, die schönen Wandfresken durch Flecke beschädigten.

Andere Tote, auf natürliche Weise durch das Versinken in sauren Moorböden erhalten, in denen ebenso keine zersetzenden Bakterien leben, sah ich mir damals im Landesmuseum Hannover an. So zum Beispiel die etwa 1700 Jahre alte Moorleiche des Roten Franz, die in einem Torfstich bei Meppen gefunden wurde. Sie war noch relativ gut erhalten, und auch das faszinierte mich.

Ein Muss war für mich vor ein paar Jahren auch der Ötzi. Nachdem meine Schwester und ich die eindrucksvolle Leiche durch ein kleines Guckfenster in ihrer Kühlkammer angesehen hatten, stiegen wir auf dessen Spuren durch das Schnalstal zum Similaun hinauf, wo er hinterrücks mit Pfeil und Bogen erschossen wurde. Es ist eine Krimigeschichte, wie sie das wahre Leben besser nicht schreiben könnte.

Künstlich mumifiziert waren hingegen die Plastinate des umstrittenen Mediziners und Anatoms Günther von Hagens, die er in der Ausstellung Körperwelten zeigte. Blieb da die Moral auf der Strecke? Faszinierend waren die Leichen aber schon. Von unzähligen Menschen und Schulklassen wurden sie bestaunt, ohne, dass irgendetwas Grusliges dabei gewesen wäre. Und es zeigte neben Ganzkörpern auch für Nervenstarke und nach Vorwarnung degenerierte ungeborene Babys. Aber auch einzelne Organe, wie zum Beispiel das einer gesunden Lunge und der eines starken Rauchers, die vollkommen schwarz war. So manchem Besucher wurden dabei die Augen geöffnet. Aber es war schon eine ungewöhnliche Vorstellung, dass das tatsächlich einmal wirklich lebende Menschen gewesen waren.

Grusliges hat meine Frau in ihrem Job in der Tierärztlichen Hochschule Hannover erlebt. So in Einmachgläsern degenerierte Tierembryos, Kälber mit zwei Köpfen, das Absamen des riesige Gorillamännchens aus dem Zoo und noch etwas besonders ekliges. Ein Bullenpenis, der durch ein Exem extrem prall war, sollte seziert werden. Mehrere Studenten, auch meine Frau, standen drumherum. Als ihr Chef das Skalpell ansetzte, passierte das Unglück. Er explodierte und sämtliche Umstehenden wurden mit Eiter bespritzt. Das war alles andere als schön.

Wie mit Leichen in einem Krematorium umgegangen wird, kann man an einem „Tag des Friedhofs“ bei einem Besuch dort in Erfahrung bringen. Jeder, der einen Angehörigen verliert, kann, wenn er es denn möchte, bei der Verbrennung dabei sein. Allerdings nur, bis der Sarg in den Ofen geschoben wird. Nachdem der mehrstündige Verbrennungsvorgang beendet ist, wird durch Absaugen die leichtere Sargasche von der menschlichen Asche getrennt. Alles geht durch ein Sieb. Zähne, Zahngold, Prothesen, Herzschrittmacher und Ähnliches werden herausgefiltert. Und natürlich kann man an einem solchen Tag noch viel mehr rund um die Beerdigung erfahren.

Nun noch einmal kurz zurück in meine frühere Kinder- und Jugendzeit. Auf Schützenfesten war es früher üblich, das Ungwöhnliches und Kurioses gezeigt wurde. Nicht mehr wie ganz früher "Indianer" oder "Neger", aber eben doch Außergewöhnliches. So eine Frau, die sage und schreibe sechs Zentner wog, ein langhariger Affenmensch, natürlich Liliputaner oder ein Mann, der mit Krokodilen kämpfte. Er musste sie aber ordentlich herumschmeißen, damit es wie ein Kampf wirkte. Später erfuhr ich, dass das Wasser in dem großen Aquarium so kalt war, dass die Schuppentiere dadurch letargisch werden.
Beindruckt war ich von einem Mann, und das fand ich wirklich gruslig. Der schluckte alles. Nicht nur lange Schwerter, sondern auch eine ein Meter lange Eisenkette mit großen Gliedern, Mäuse, Eidechsen und Kröten. Die Tiere würgte er nach kurzer Zeit wieder aus seinem geräumigen Schlund hervor. Sie lebten noch.

In späterer Zeit konzentrierte sich mein Interesse auf das Hobby Höhlenforschen. Dabei gab es zwar keine grusligen Momente, aber doch manchmal welche, die etwas beängstigend und unheimlich waren. So, wenn wir voller Tatendrang eine größere Höhle erforschten und uns den Rückweg nicht wirklich gemerkt hatten. Da konnte bei der Suche das Herz schon einmal schneller schlagen. Ebenso spannend war das Hinunterklettern in tiefe Schlünde, das Kriechen durch engste Schlufe, bei denen wir nicht wussten, ob unser Körper da wirklich durchpassen oder steckenbleiben würde, Klaustrophobie in Reinkultur. Oder auch das Verharren in der Tiefe ohne Lampenbeleuchtung in der tiefsten Schwärze und Stille, die man sich nur vorstellen kann.
Auch Höhlenübernachtungen waren für uns ein spannendes Highlight. So unter anderem in den Ithhöhlen, in den angekohlte Menschenknochen aus der Jungsteinzeit gefunden worden waren. Hatte es darin Kannibalismus gegeben? Oder waren sogar Menschenopfer dargebracht worden?
Hingegen nur Wissenschaftlern zugänglich, war die Lichtensteinhöhle am westlichen Rand des Harzes, in der die Reste von etwa 60 Skeletten aus der Bronzezeit gefunden worden waren. Sie bilden den größten Gen-Pool der Erde, und es lässt sich nachweisen, dass heute noch Menschen in dieser Gegend mit diesen frühen Siedlern verwandt sind.
(Wer mehr über meine Höhlenunternehmungen erfahren möchte: Unterwegs in den Höhlen des Harzes)

Weitere spannende Erlebnisse hatte unsere Freundesgruppe, bei der natürlich auch oft die Freundinnen mit dabei waren, die auch mal in Abenteuerliches hineinschnuppern wollten, nicht nur bei Höhlenübernachtungen, sondern auch im Vollmondschein bei Nachtwanderungen im Harz zu den Raben- und Kästeklippen, zum Brocken, im Ith oder im Süntel zu den Hohensteinen. Manchen Anwesenden war das schon etwas unheimlich, und eine Höhlentour um Mitternacht sogar etwas gruslig.

Nach dieser Phase habe ich mich dem überirdischen Klettern zugewandt. Klettertouren an verschiedensten Gipfeln der Alpen sorgten bei mir zum Beispiel über schmalste Firngschneiden wie den Rochfortgrat für Adrenalinschübe und manchmal gruslige Gefühle. Zur einen Seite ging es dort über 1000 Meter tief hinunter, zur anderen über 2000 Meter. Die Stiefel passten gerade nebeneinander. So auch beim Klettern im Fels an kleinsten Absätzen, an extrem steilen Firnflanken oder durch Felsabbrüche über uns. Natürlich waren wir dabei immer gesichert. Doch hätte die Sicherung einen Sturz wirklich standhalten? Manchmal zweifelten wir daran, waren sie doch eher nur eine psychologische Stütze. In jedem Fall war es eine spannende und aufregende Zeit.

Auch mit Kindern war ich immer wieder nachts im Wald unterwegs. Was gibt es für sie Aufregenderes, normalerweise von zu Hause nicht gewohnt, als im Dickicht der Bäume in Schlafsäcken unter freiem Himmel zu übernachten. Mal raus aus der Stadt und rein in die Natur. Gruselmomente gab es für sie dabei allerdings nicht, kommt es doch vollkommen auf das Verhalten eines führenden Erwachsenen an, wie die Kinder reagieren, wie sie solche spannenden Unternehmungen empfinden. Sie durften sich, etwa im Alter von 12 Jahren, sogar eigenständig in einen Höhlenschacht abseilen. Natürlich habe ich sie dabei mit einem zweiten Seil gesichert.

Und heute habe ich nun einen Enkel, mit dem ich das vielleicht auch bald machen werden kann. In seinem vierten Lebensjahr klettert er jetzt schon und ist gern in der Natur unterwegs. Und er hat keinerlei Bedenken eine große Spinne, eine schleimige Schnecke, Kellerasseln oder Tausendfüßler in die Hand zu nehmen, weil ich es ihm vorgemacht habe, weil es für ihn etwas Normales ist. Ich selbst hätte mir das als Kleinkind nie getraut, hätte mich davor überaus geekelt.

Aber die meisten dieser aufregenden und spannenden Erlebnisse, wie und wo auch immer, liegen nun hinter mir und die grusligen weit zurück. Und bis auf meine frühe Kindheit hat mir das Gruseln immer Spaß gemacht.

Nun könnte man meinen, dass ich mit meiner Abenteuerlust die Ängste meiner frühen Kindheit kompensieren wollte. Vielleicht ist da was dran, vielleicht aber auch nicht. Als Kind habe ich schon immer gerne Abenteuerbücher gelesen. Allen voran Robinson Crusoe mit den abscheulichen Kannibalen, Karl May, Tom Sayer und andere und habe den schwindelerregenden Klettergeschichten von Luis Trenker zugehört. Auch habe ich seinen Stummfilm "Die weiße Hölle vom Pitzpalü" sehen dürfen, einen der ersten Bergfilme, in dem auch Leni Riefenstahl mitspielte. Das ich diesen traumhaften Berg vor 15 Jahren einmal mit meinem Sohn über seine drei Firngipfel überschreiten sollte, hätte ich mir damals in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Und alle diese Geschichten und Erzählungen haben vermutlich meine Abenteuerlust angeschoben, wollte ich doch gern selbst Ähnliches erleben.

Nun aber genug von Grusel, Gräbern und Spannendem, obwohl ich da noch viel mehr berichten könnte. Zeigen möchte ich mit diesem Beitrag Bilder von Orten, die für manche Menschen vielleicht gruslig, unheimlich oder beängstigend sein können. Zumal dann, wenn man sich vorstellt, dass man sie nachts aufsuchen würde. Und empfehlen möchte ich jedem Leser dieses Berichtes mal eine nächtliche Wanderung durch einen Wald zu machen. Es muss ja nicht ganz allein sein, obwohl das natürlich die Spannung erhöht. Vielleicht zu zweit. Es kann ein eindrucksvolles Erlebnis werden. Vielleicht sogar etwas gruselig.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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