START DER OPERNFESTSPIELE HEIDENHEIM Verdi-Doppelpack und Uraufführung

Opernfestspiele: Junge Oper, Premiere "Tortuga", Zelt im Brenzpark | Foto: Oliver Vogel
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„Aktuelles Weltgeschehen im Brennglas der Oper? Musikalisch-dramatische Verdichtung, die uns den persönlichen Blick ermöglicht und gerade damit auch eine Bewertung und Einordnung des Aktuellen? Schärfung unseres Blicks durch künstlerisches Arbeiten und Erleben?“ So wünscht es sich Marcus Bosch, denn Musik und speziell Musiktheater werden nicht im luftleeren Raum gemacht, sondern sehen sich stets auch mit der aktuellen gesellschaftspolitischen Realität konfrontiert. Diesbezüglich schärfen die Opernfestspiele Heidenheim 2018 ihr Profil nachhaltig, denn für die diesjährigen Festspiele vom 13. Juni bis 29. Juli ist das Motto „Zuflucht“ als thematischer roter Faden ausgelegt.

URAUFFÜHRUNG
Uraufführung zum Start der Opernfestspiele Heidenheim Zu Beginn der Festspiele steht genau das mit einer Uraufführung im Fokus: Am 13. Juni zeigen Komponist Sebastian Schwab, Librettist Kai Weßler und Regisseurin Annika Nitsch auf, dass es sich lohnt, für seine Ziele und Überzeugungen einzustehen. Sie verarbeiteten die Abenteuer von Moses aus dem Alten Testament und machen den Kampf gegen Ungerechtigkeit und Tyrannei, aber auch den Generationenkonflikt in Form einer jugendlichen Heldengeschichte zum Musiktheaterstoff. Sebastian Schwab, Schüler in der Dirigentenklasse von Marcus Bosch in München und bereits erprobt am Pult in Heidenheim (Assistent „Der Fliegende Holländer“ 2017) komponierte die Auftragsmusik zu „Moses‘ Entscheidung“ und wird selbst die musikalische Leitung übernehmen sowie an der Violine zu erleben sein. Im letzten Jahr konnte die Kinderoper soviele Besucher wie nie anziehen – mit zehn Aufführungen soll auch dieses Jahr wieder ein großes Publikum erreicht werden. Das Festivalthema findet sich auch im Eröffnungskonzert am 24. Juni wieder, wenn das Klarinettenkonzert des türkischen Bürgerrechtlers und Komponisten Fazıl Say auf dem Programm steht (Staatsphilharmonie Nürnberg unter Josep Caballé-Domenech, Solist Reto Bieri). Anschließend an das Konzert findet eine große Season-Opening-Party statt, zu der alle Besucher zum gemeinsamen Feiern eingeladen sind.

Verdi-Doppelpack
Großer Fokus liegt in diesem Jahr auf dem Komponisten Giuseppe Verdi, denn er ist gleich zweimal vertreten: In „Nabucco“ (Premiere: 29.6.2018 im Rittersaal Schloss Hellenstein) steht mit dem alttestamentlichen König Nebukadnezar eine Herrscherfigur im Zentrum, die sich selbst göttliche Gewalt zuspricht und im Größenwahn ganze Völker auszulöschen gedenkt. Ein Bühnenstoff, der heute kaum aktueller sein könnte: Unbedingte Freiheitssehnsucht und Kampf gegen Unterdrückung sind die zentralen dramatischen Triebfedern dieser Oper, mit der Verdi sein Durchbruch als Komponist gelang und die ihn über Nacht zu einem öffentlichen „homo politicus“ machte. In den Hauptrollen singen Antonio Yang, Astghik Khanamiryan und Randall Jakobsh (sowie Pavel Kudinov). Für die außergewöhnlich große Chorpartie konnte wieder der Tschechische Philharmonische Chor Brünn gewonnen werden, der im vergangenen Sommer zu einem echten Publikumsliebling avancierte. Am Pult der Stuttgarter Philharmoniker wird der Festivalleiter Marcus Bosch selbst stehen. Die vor zwei Sommern gestartete Verdi-Reihe des Festivalorchesters Cappella Aquileia inklusive Radiomitschnitt (Deutschlandfunk Kultur) und CD-Veröffentlichung findet mit „I Lombardi“ (Premiere 19.7.2018 im Festspielhaus) in der Inszenierung von Tobias Heyder ihre Fortsetzung. Auch hier wieder ein Plot, der sich leicht in die Jetztzeit spiegeln lässt: nämlich die Konfrontation von

Muslimen und Christen, im Solera-Libretto freilich vor der historischen Leinwand der mittelalterlichen Kreuzzüge. Die beiden zentralen Partien übernehmen Marian Talaba (als Arvino) und Pavel Kudinov (als Pagano). Auch hier kommt der Brünner Chor zum Einsatz – neben der Cappella Aquileia, dem Hausorchester der Heidenheimer Festspiele, das einen außerordentlichen Ruf genießt und mit seiner „irrsinnigen Präzision und einem wunderbaren Klang und voller Energie“ (SWR 2) zu einem veritablen Spezialensemble für Verdi-Partituren herangereift ist.

Konzerte
Das sinfonische Konzertangebot der Heidenheimer Opernfestspiele 2018 lässt sich ebenfalls bestens auf die thematische Klammer „Zuflucht“ beziehen, so z. B. Beethovens Sinfonie Nr. 9 und ihr Chorfinale „Ode an die Freude“ als hymnische Botschaft der Menschlichkeit und Symbol der Freiheit im Galakonzert (8.+9.7. mit der Cappella Aquileia unter Marcus Bosch). Und auch in der beschwingten Gershwin-Gala im Rahmen der Last Night (28.+29.7. mit den Stuttgarter Philharmonikern) bleibt die Festivalthematik nicht außen vor, erklingen darin doch Ausschnitte aus der Oper „Porgy and Bess“, die erstmals die afroamerikanische Bevölkerung zum ausschließlichen Bühnenpersonal machte – und das in einer Zeit, als in den USA strikte Rassentrennung herrschte. Die unüberhörbaren Jazz-Anklänge bei Gershwin schlagen auch die Brücke zu einem etwas anderen sinfonischen OH!-Angebot: der Jazzgala (12.7.) im Rittersaal Schloss Hellenstein, wo der ECHO-prämierte Komponist Christian Elsässer und seine Band gemeinsam mit Max Mutzke die Zuhörer in eine Welt jenseits der Konventionen des herkömmlichen Big-Band-Jazz entführen wird. Für den Konzertbesucher, der seine Zuflucht ob solch massiver Orchestersounds in der Kammermusik sucht, ist Heidenheim 2018 gleichermaßen einen Besuch wert: Ein eigens konzipiertes Programm mit barocker Vokal- und Instrumentalmusik präsentiert der Blockflötist Stefan Temmingh gemeinsam mit Dorothee Mields (Sopran) und der lautten compagney BERLIN von Wolfgang Katschner stilgerecht beim Format „OH! in der Pauluskirche (15.7.). Chormusik erklingt in der Abteikirche des Klosters Neresheim („OH! im Kloster“, 22.7.) durch das von Marcus Bosch gegründete Vokalwerk Nürnberg (Leitung Andreas Klippert) und in der Schlosskirche („OH! im Schloss“, 25.7.) lässt das Goldmund Quartett den intimen Zauber des vierstimmigen Musizierens erstehen.

Bürgerreporter:in:

Thomas Rank aus Günzburg

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