Der lange Weg zum Prallsack
Deutschland war Weltmeister der Verkehrstoten

Anfang der 1970er Jahre starben auf Westdeutschlands Straßen jedes Jahr fast 20.000 Menschen. Doch die Autoindustrie wehrte sich vehement gegen eine Airbag-Pflicht.

Rainer Lübbert (SPIEGEL Nr.37/2023) schreibt in der Rubrik ZEITREISE in Anlehnung an SPIEGEL 37/1973 dazu:

„Deutschland war 1972 Weltmeister – bei den Verkehrstoten: Gemessen an Bevölkerungszahl und durchschnittlicher Fahrstrecke wies die Bundesrepublik die ‘höchste Todesrate‘ der Welt auf: 18.811 Menschen verloren in diesem Jahr ihr Leben. Das war eine desaströse Bilanz, und so machten sich die Autokonzerne daran, ‘Sicherheitsautos‘ zu konzipieren, berichtete der SPIEGEL im September 1973. Dabei handelte es sich allerdings um Testwagen: Aus Kostengründen wollte man möglichst lange auf die Serienproduktion verzichten.

Als Vorreiter der Verkehrssicherheit galten damals die USA. Um dortigen Vorgaben gerecht zu werden, führte kein Wagen am ‘Prallsack‘ vorbei, wie der SPIEGEL den Airbag nannte. Die Technologie war längst entwickelt und als zuverlässig getestet. Doch die Unternehmen fürchteten um Absätze, sollten Autos wegen des Airbags teurer werden. Der ‘explosionsartige Knall‘ könne Gehörschäden hervorrufen, die ‘Toxizität‘ der eingesetzten Gase sei eine Gefahr, zudem gebe es offene Rechtsfragen, wandte man deshalb ein. Bei seitlichen Kollisionen biete der Sack keinerlei Schutz, mahnten andere, als ob das dagegen spräche, bei Frontalunfällen die Sicherheit zu erhöhen. Der Airbag sei eine ‘interessante Entwicklung‘, wiegelte der Daimler-Entwicklungschef ab, aber eine Anschnallpflicht würde womöglich mehr bringen.

Die Anschnallpflicht kam tatsächlich trotz vieler Widerstände 1976, heute wird kaum ein Neuwagen ohne ‘Prallsack‘ verkauft. Beides dürfte dazu beigetragen haben, dass die Zahl der Verkehrstoten auf zuletzt 2776 gesunken ist.“

Bürgerreporter:in:

Bea S. aus Gießen

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