Antrag beim Stadtrat Gersthofen zur Umbenennung umstrittener Straßennamen und Aberkennung der Ehrenbürgerwürde für Georg Wendler

Verlegung einer Stolperschwelle für die 400 Zwangsarbeiter bei der ehem. Lechchemie und der Rüstungsfirma Transehe
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  • Verlegung einer Stolperschwelle für die 400 Zwangsarbeiter bei der ehem. Lechchemie und der Rüstungsfirma Transehe
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In Gersthofen ist man in Sachen Erinnerungskultur auf einem positiven Weg. Die Mittelschule wurde nach der kommunistischen Widerstandskämpferin Anna Pröll benannt, zahlreiche Stolpersteine wurden für Opfer des Nationalsozialismus verlegt, vor der ehemaligen Firma IG Farbwerke Hoechst verlegte die Stolpersteininitiative im Oktober 2021 eine Stolperschwelle in Erinnerung an die über 400 Zwangsarbeiter, die dort gegen ihren Willen schuften mussten. 

Nun aber fragen sich zahlreiche Organisationen, ob es möglich ist, Opfer des nationalsozialistischen Terrors zu ehren und gleichzeitig belastete Straßennamen und die Ehrenbürgerwürde des Nazibürgermeisters Georg Wendler im Stadtbild zu belassen. 

Nachdem Bürgermeister Wörle in einem Gespräch mit den Sprechern der Stolpersteininitiative, Dr. Bernhard Lehmann und Hubertus Freisinger am 6. Oktober 2021  eine Umbenennung der Straßen und die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde kategorisch ablehnte, wurde der folgende Antrag beim Stadtrat Gersthofen eingereicht:

An die Mitglieder des Stadtrats Gersthofen                          Gersthofen, den 15.12.21
An alle Fraktionen

Die Stolpersteininitiative Gersthofen,
„Gersthofen ist bunt“,
der „Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung“,
die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Augsburg mit der Regionalgruppe Allgäu“
„Gegen Vergessen-Für Demokratie, Regionale Arbeitsgruppe Augsburg“,
die Augsburger Friedensinitiative (AFI) und die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG.VK) Gruppe Augsburg“
das „Forum solidarisches und friedliches Augsburg“ sowie
das „Bündnis für Menschenwürde Augsburg-Schwaben e.V.“

bitten den Stadtrat von Gersthofen zu prüfen, ob die folgenden Straßennamen in Gersthofen weiterhin tragbar sind:

Wernher-von Braun-Straße,
Georg-Wendler-Straße,
Langemarckstraße,
Ludwig Hermann Straße,
Peter Dörfler Straße,
Willy Messerschmittstraße (wurde nachgereicht)

Gegebenenfalls kann man einzelne Straßennamen, wie z.B. in Augsburg geschehen, mit einer Kontextualisierung versehen. 

Es ist unsere Ansicht, dass man nicht Widerstandskämpfer mit Stolpersteinen und dem Schulnamen ehren kann und gleichzeitig Straßennamen zur Ehrung von Personen im Stadtbild belässt, die nachweislich das nationalsozialistische Regime maßgeblich unterstützt haben bzw. sich für das System instrumentalisieren ließen. Die Langemarckstraße in Gersthofen haben die Nationalsozialisten aus propagandistischen Gründen benannt und dort Siedlungshäuser für Invaliden gebaut, eine vorgeblich soziale Tat, die nur das Ziel verfolgte, Kriegsopfer zu heroisieren und für den nächsten verbrecherischen Krieg zu mobilisieren.
Die Ehrenbürgerschaft und die Straßenbenennung für Georg Wendler aufrecht zu erhalten, erscheint uns in hohem Maße fragwürdig, es stellt sich hier die Frage, wie die Stadt Gersthofen mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer Verantwortung heute umgeht. Ein Reduzieren auf (sicherlich vorhandene) Verdienste eines kommunalen Mandatsträgers kann nicht gedeihlich sein, wenn die andere Seite der Person, die jahrelange berufsmäßige Agitation für den Nationalsozialismus (und damit der propagandistischen Vorbereitung des Krieges) und das fraglose Mitwirken im Herrschaftssystem ausgeblendet wird.
Die Beibehaltung der „Wernher-von-Braun-Straße“ bedeutet für die Familie Pröll eine Demütigung und Provokation, wie Anna Pröll zu Lebzeiten immer wieder betonte. Fritz Pröll musste dort unter schlimmsten Bedingungen Zwangsarbeit leisten und suchte den Freitod, um andere Häftlinge nicht zu verraten.

Aber auch hinsichtlich der anderen genannten Straßennamen möchten wir einen Diskussionsprozess in der Stadtgesellschaft initiieren, ob und in welcher Form das Jahrzehnte lang praktizierte frag- und kritiklose Gedenken heute noch sinnvoll ist. Wir erinnern dazu beispielhaft an die jüngst vollzogene Umbenennung der Langemarckstraße in Augsburg.
Der Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Dora, Prof. Dr. Jens Christian Wagner hat sich hinsichtlich der Straßennamen wie folgt geäußert:
"Straßenbenennungen nach historischen Persönlichkeiten sind öffentliche Würdigungen. Gewürdigt werden sollten Leistungen, die die Welt friedlicher, humaner und lebenswerter gemacht haben. Voraussetzung sollte sein, dass die zu würdigenden Personen Demokratie und Menschenrechte geachtet haben“.
Für die oben genannten Personen, insbesondere Wernher von Braun und Georg Wendler treffen diese Kriterien keinesfalls zu.

Mit freundlichen Grüßen

die oben genannen Organisationen.

Soweit der Brief an die Stadträte.

In einem demokratischen Staatswesen ist es essentiell, die Bürger mit in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Wir halten es im Sinne der Transparenz für wichtig und notwendig, dass die Bürger unsere Begründungen nachvollziehen können.

Deshalb habe ich mich dafür entschieden, die von mir zu jedem einzelnen Namen erstellten Recherchen für jedermann zugänglich zu machen. 

Wir hoffen, dass der Stadtrat in Gersthofen sich zu einer Diskussion des Antrages durchringen kann. Denkbar wäre, dass sich der Stadtrat an eine historische Kommission wendet und von dort ein Gutachten einholt.

Ab sofort können die umfangreichen Recherchen zu den Straßennamen und zur Ehrenbürgerwürde unter den folgenden Websites abgerufen werden:

www.zwangsarbeit-gersthofen.de
www.stolperstene-gersthofen.de 


Dr. Bernhard Lehmann
Träger des Josef Felder Preises der BayernSPD
Träger des Willy Ohlendorfpreises Bobingen
Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande

Bürgerreporter:in:

Dr. Bernhard Lehmann aus Gersthofen

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