Ehemaliger Zwangsarbeiter in der Ukraine - Teil 4

Maria Bilenko in ihrer Wohnung in Kiew
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Maria Bilenko, geb. 2. November 1924, geb. Wassiliew
Frau Bilenko wohnt in einem Außenbezirk von Kiew . Sie ist völlig vereinsamt, seit ihr Sohn vor einem Jahr im Alter von 53 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben ist. Ihr Mann, Berufssoldat in der Roten Armee ist seit über 10 Jahren verstorben, ein Alkoholiker, der viele Frauen liebte und sie immer und immer wieder betrog, wie sie verbittert anmerkt. Ihre Tochter besucht sie äußerst selten, obwohl sie ja die Erbin der Eigentumswohnung ist und auch schon Rentnerin.
Maria hat die Wohnung Mitte der 90-er Jahre für eine symbolische Summe als Eigentumswohnung erstanden. Die Wohnung ist spartanisch-schlicht, wenn nicht ärmlich eingerichtet, es gibt kein Bild an der Wand, nur wenige Möbel und keine Gardinen an den Fenstern. Die Wohnung scheint seit Jahren nicht mehr renoviert worden zu sein. Maria wohnt im 5. Stock und muss sämtliche Einkäufe selbst tätigen. Aufzug gibt es keinen, und wenn sie nach Hause kommt, gibt es kein Licht im Gang, sie kann sich nur am Treppengeländer nach oben tasten. Das ehemalige Mietshaus ist völlig verwahrlost, niemand kümmert sich um die Renovierung der Außenanlagen oder um das Treppenhaus, die Toiletten spotten jeder Beschreibung. Offensichtlich fehlt das Geld selbst für kleinste Reparaturen.
Frau Bilenko hat ein hervorragendes Erinnerungsvermögen. Gemeinsam mit zwei weiteren ukrainischen Mädchen musste sie während des Krieges nach ihrer Deportation aus ihrem Heimatdorf Weremje, Kreis Obuchowsky in Hinterholz in der Gemeinde Eurasburg bei der Familie Viktoria und Michael Treffler arbeiten.
Die Arbeit scheint nicht einfach gewesen zu sein, denn einmal versucht Maria zu fliehen. Sie war gerade mal 18 Jahre alt, hatte ihre Schulbildung in Kiew gerade abgeschlossen. In Hinterholz muss sie täglich 12 Kühe melken, hat immer schwer zu tragen und schließlich übermannt sie ihr Heimweh und sie will sich aus dem Staube machen. Aber die Polizei greift sie sehr bald wieder auf und sie blieb eine Nacht bei der Polizei in Augsburg. Das Gefängnis, so erinnert sie sich, war ein 4-stöckiges Haus.
Schließlich wird sie nach Hinterholz zurückgebracht und muss nicht mehr beim gleichen Bauern arbeiten, sondern bei der Nachbarin, Frau Völk, die hat nur 7 Kühe und jetzt hat sie es doch leichter.
Aber sie schreibt ihrer Freundin in Danzig einen Brief, der wie folgt endet: „ Bald geht die Sonne auf und wir kommen nach Hause“. Die Zensur liest den Brief und sperrt sie für 2 ½ Monate ins Gefängnis. An Weihnachten darf sie wieder nach Hinterholz, die Bäuerin hat ein Kleid für sie genäht. Die Bäuerin behandelt sie gut, offensichtlich nimmt sie die Stelle der mit 4 Jahren an Diphterie gestorbenen Tochter ein.
Nach dem Krieg arbeitet Maria als Erzieherin in einem Kindergarten, der Mann ist so gut wie nie zuhause, arbeitet in Wladiwostok und in Leipzig. Die Rente die sie bezieht ist für ukrainische Verhältnisse nicht klein, der Ehemann bekam den Krieg dreifach als Pensionszeit angerechnet, ebenso die Jahre im Fernen Osten. Wegen seiner Auszeichnungen als Soldat und der Anrechnung ihrer Zeit als Zwangsarbeiterin in Deutschland erhält sie insgesamt 480 Griwna, das sind immerhin 80 Euro. Die Nebenkosten für die Wohnung betragen 100 Griwna, sie ist zufrieden.
Mit dem erhaltenen Geld möchte sie sich einen neuen Fernseher kaufen. Sie hat niemanden, mit dem sie sich unterhalten könnte.

Maria Bilenko in ihrer Wohnung in Kiew
Maria Bilenko
Bürgerreporter:in:

Dr. Bernhard Lehmann aus Gersthofen

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