Wir bringen Euch gut durch die Nacht...

Hermann Rosenwirth (links) und Dietmar Kaiser
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„Wir bringen Euch gut durch die Nacht“. Keine Werbebotschaft eines Escort-Services an die Männerwelt, sondern das Motto der „Nachtwanderer“ von Gersthofen, die es seit November 2011 gibt. Die Initiative zur Gründung der „Nachtwanderer“ von Gersthofen ging vom Landratsamt Augsburg aus. Sie wurde vom Verein „Sicheres Leben“ in Gersthofen mit großem Engagement umgesetzt. Über die Nachtwanderer von Gersthofen wurde in den Medien, u.a. vom Bayerischen Fernsehen, schon viel berichtet. Höchste Zeit also, dass sich auch der myheimat-Mann für diese Gruppe interessiert.

Die 1. Vorsitzende des Vereins „Sicheres Leben“ Gabriele Schmidthals-Pluta ist mit der Begleitung eines Teams der Nachtwanderern einverstanden. In einer Samstagnacht im September trifft sich die kleine Gruppe um 22:00 Uhr am Rathausplatz. Hermann Rosenwirth, bereits Rentner, und Dietmar Kaiser, noch berufstätig, freuen sich über die „Verstärkung“. Der erste Weg führt die Augsburger Straße entlang. Unterwegs bringt der 3. Mann seine Fragen los. Was bewegt, bei den Nachtwanderern mitzumachen? Kaiser wie auch Rosenwirth handeln aus einem gewissen Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft. Beide haben Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen gesammelt, sei es beruflich oder privat. Sie wollen bereits im Vorfeld gefährliche Situationen für Jugendliche verhindern und Ansprechpartner für ihre Sorgen und Nöte sein. „Außerdem sind wir halbe Nachtmenschen“, lacht Kaiser. Also „Schlaflos in Gersthofen“ und das ehrenamtlich? „Ja“ antwortet Kaiser. Und das erstaunt immer wieder die Leute, mit denen sie auf ihren Rundgängen ins Gespräch kommen. Welche Ausrüstung, auch Mittel zur Selbstverteidigung? Nein. Sie besteht aus einer roten Jacke mit Signalstreifen – sie wurde von der Stadt Gersthofen gestiftet. Ansonsten Verbandszeug und Handy. Bei brenzligen Situationen erfolgt Notruf 110, war aber bisher nicht nötig. Und wo kann man die Männer und Frauen der Nachtwanderer antreffen? Unterschiedlich, je nach Witterung und Jahreszeit. In Parkanlagen, aber auch beim Bahnhof mit Disko und Umgebung. Im Sommer werden Kiesbänke am Lech besucht, um dort für maßvolles Trinken und Abfallmitnahme zu werben. Unauffälliges Agieren, aufmerksames Zuhören, respektvolles Ansprechen von Jugendlichen und sachliches Diskutieren – das sind die Stärken der Nachtwanderer. Diese Strategie hat sich bewährt; es gab bisher keine ernsthaften Zwischenfälle. Das angesprochene Klientel sind hauptsächlich Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren. Das Team betritt übrigens keine Kneipen oder Diskos. „Wir wollen nicht den Eindruck einer Kontrolle erwecken“, informiert Rosenwirth.“

Zurück zu „Gersthofen bei Nacht“. Die Stadt macht einen fast ausgestorbenen Eindruck. Lediglich vor Kneipen stehen einige frierende Raucher. Ein kurzer Besuch in der Tankstelle an der Augsburger Straße. Dem Mann hinter der Kasse sind die Nachtwanderer bekannt. Die kleine Unterhaltung ist willkommene Abwechslung und Alexander Rühe stimmt einem Bild zu. Der Rückweg führt durch die Parkanlagen Richtung Feuerwehrwache. Hier wird das Weinfest gefeiert. Einige Besucher sind bereits auf dem Heimweg. Alles ganz normal. Mehr ist im Oscar Romero-Haus geboten. Eine Gesellschaft feiert zwei Taufen. Es sind vornehmlich kroatische Gäste und die Stimmung ist gut. Die beiden Nachtwanderer erzählen von ihrer ehrenamtlichen Arbeit, was Erstaunen aber auch Zustimmung auslöst. Dann geht`s weiter Richtung Friedhof. Beim myheimat-Mann macht sich Frust breit. Er hätte gerne mehr „Action“ gesehen. Eine kleine Abwechslung bietet ein junges Paar, das sich leidenschaftlich umarmt – vor dem Friedhofseingang. Die Nachtwanderer halten sich im Hintergrund; es wird kein Gespräch gesucht. „Wenigstens beim Friedhof rührt sich was...“, lästert der Pressemann. Leider auch kein Bild möglich. Kaiser schlägt vor, nochmals zum Festplatz zu gehen. Gute Idee, denn der Pressemann wohnt nicht weit davon und ist müde.

Kurz vor dem Festplatz wird Andy getroffen. Andy ist 19 Jahre alt und man kennt sich bereits von früheren Begegnungen (Name und Alter geändert). Der Jugendliche will sich nicht fotografieren lassen. Er freut sich offensichtlich über das Wiedersehen und spricht über das „Nachtleben“ in Gersthofen, das es eigentlich so gar nicht gibt. Dann berichtet er freimütig über seine Lebenserfahrungen, die nicht immer konfliktfrei waren. Aus dem „Sie“ ist schnell ein „Du“ geworden und der Pressemann merkt, dass Andy gerne erzählt und es schätzt, wenn ihm zugehört wird. „Wir sind oft Ansprechpartner für Jugendliche; sie sprechen über ihren Sorgen und Nöten“, bestätigt Kaiser. „Aber wir sind natürlich keine Fachleute wenn es z. B. um Drogen- oder Alkoholprobleme geht.“ Hier können die Nachtwanderer nur auf die entsprechenden Hilfsorganisationen verweisen. Zu diesem Zweck haben sie kleine Info-Kärtchen dabei. Alles was gesprochen wird, wird vertraulich behandelt. Weder Polizei noch Sicherheitswacht erfahren davon. Eine Regel, welche die Basis für solche Gespräche darstellt. Lediglich Beginn und Ende einer Tour wird der Polizeiinspektion Gersthofen mitgeteilt.

Der müde Pressemann freut sich, doch noch etwas „gesehen“ zu haben. Er verabschiedet sich von den beiden Nachtwanderern und von Andy. Auch wenn es keine spektakulären Zwischenfälle gab: es war für ihn eine interessante Erfahrung Leute kennen zu lernen, die durch ihre Präsenz Hilfe und Sicherheit, vornehmlich für Jugendliche, anbieten. Und das mit Gefühl und Diplomatie, ohne martialisches oder autoritäres Auftreten. Schade, dass sich in Gersthofen so wenig Bürger dazu bereit finden. Sollte der Bericht doch dazu animieren, so wende man sich bitte an den Verein „Sicheres Leben e.V.“, Telefon 0821/499090 oder an das Landratsamt 0821-3102 2330; im Internet www.sicheres-leben-gersthofen. Auch so kann man zu einer „Guten Nacht“ beitragen...

Bürgerreporter:in:

Gerhard Fritsch aus Gersthofen

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