Ehemalige Zwangsarbeiter in der Ukraine - Teil 2

Olena Khadjalowa, geb. Kuschnir, geb. 11.06.1922
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Dank der Erlöse aus den Veranstaltungen mit Reinhard Mey und Senta Berger sowie großzügiger Spenden von Privatpersonen konnte der Pädagoge den Opfern als Geste der Versöhnung insgesamt einen Gesamtbetrag von 12.000 Euro ausbezahlen.

Olena Khadjalowa, geb. Kuschnir, geb. am 11.06.1922
Frau Khadjalowa arbeitete vom Juni 1942 bis zur Bombardierung im Februar 1944 in einer Baumwollspinnerei in Augsburg, dann in der Nähe von Schwabmünchen bei einem Bauern.
Am Montag, den 27. Februar besuche ich gemeinsam mit Lubov Sochka von der ukrainischen Stiftung und Herr Kuchar von der örtlichen Zweigstelle die Frau in ihrer Eigentumswohnung in Chmelnitzkyj. Anfangs der 90-er Jahre wurden die städtischen und staatlichen Wohnungen für einen symbolischen Preis an die Mieter übereignet.
Wie fast alle solchen „Wohnsilos“ ist die Anlage arg heruntergekommen, die Außenanlagen sind verwahrlost, innen im Gang gibt es kein Licht, die Wände sind beschmiert, seit vielen Jahren sind offensichtlich keine Reparaturen vorgenommen worden.
Anders die Eigentumswohnungen selbst. Hinter einer gepolsterten Türe mit Spezialschloss sind die meisten Wohnungen liebevoll eingerichtet und restauriert, niemand könnte ahnen, dass hinter einer solch verwahrlosten Außenfassade so sorgfältig renovierte Wohnungen zu finden sind. Eine Umkehrung der Potemkinschen Dörfer also.
Frau Khadjalowas Enkel empfängt uns an der Tür und geleitet uns ins Zimmer der Oma, die zwei Gehstöcke benötigt und stark gehbehindert ist. Es ist 8.20 Uhr morgens, wir kommen gleich zur Sache, denn wir haben ein dicht gedrängtes Programm.
Durch einen Gestellungsbefehl musste sich Olena am 22. Juni 1942 bei den Ortsbehörden melden und kam dann mit anderen jungen Frauen nach Deutschland. In der Baumwollspinnerei arbeitete sie gemeinsam mit 34 anderen ukrainischen Mädchen, sie war gerade mal 20 Jahre alt. Das Lager befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fabrikgelände, nach ihren eigenen Angaben erhielt sie sogar 20 Mark im Monat. Anfangs durfte sie das Lager nicht verlassen, aber ab 1944 verbesserten sich die Verhältnisse und sie konnte am Wochenende hin und wieder für eine Stunde in die Stadt. Die Versorgung im Lager war elendiglich, die Mahlzeiten in der Fabrik war nahrhafter. Eine gutmütige deutsche Köchin versorgte sie mit größeren Portionen.
Für die Ukrainer war das Ostabzeichen eine Kränkung, sie erreichten im Laufe der Zeit schließlich, dass sie nur noch das Abzeichen der Fabrik tragen mussten (BSS)
Vor ihrer Deportation nach Deutschland hatte sie lediglich 5 Schulklassen besuchen können, sie hatte keine Schuhe und konnte daher im Winter nicht einmal die Schule besuchen.
In der Nacht des Bombenangriffs im Februar 1944 verbrannten ihre sämtlichen Habseligkeiten; der Bunker, in dem sie sich aufhielt, wurde verschüttet, aber dank der Franzosen und Kriegsgefangenen konnte sie gerettet werden.
So kam sie schließlich zum Bauer Josef Steckmann in Schwabmünchen- Schwabegg. Der Bauer war schon 62 und behandelte sie wirklich gut, aber seine zweite Ehefrau schlug sie schon hin und wieder. Als sie nach dem Krieg über verschiedene Filtrierungslager nach Hause zurückkehrt, war die Mutter verstorben.

Olena Fischtschuk, geb. Gorbatjuk, geb. am 25. Januar 1926
Olena arbeitete in Augsburg in der gleichen Fabrik wie Olena Khaidalowa. In Kaliniwka, einem Dorf in der Nähe von Khmelnitzkyj bestimmte der Dorfälteste, wer entsprechend den Befehlen der Besatzungsmacht nach Deutschland zur Zwangsarbeit verbracht werden sollte. So brachte der Vater seine älteste, 16-jährige Tochter nach Khmelnitzky, von wo der Transport nach Deutschland seinen Anfang nahm.
3 Jahre arbeitet Olena in der Spinnerei, nach der Bombardierung des Betriebes wird sie in einem Rüstungsbetrieb zugeteilt. Sie erinnert sich noch genau, welche Tätigkeiten sie dort gemeinsam mit anderen ukrainischen Frauen zu vollbringen hatte, nämlich Munition in Patronen zu füllen. Aber Olena ist noch jung und häufig unkonzentriert, kann keine Qualitätsarbeit leisten, so wird sie bald in eine andere Abteilung versetzt.
Olena verspürt oft großes Heimweh, und natürlich schreibt sie ihren Eltern, die auch antworten, so lange dies möglich ist und das Gebiet unter deutscher Militärverwaltung steht.
Das neue Lager (es handelt sich offensichtlich um das MAN-Lager in der Schönbachstraße) war in der Nähe eines Flusses, in dem sie des öfteren baden gingen. Eines Tages plant Olena, ihre Cousine auf dem Land zu besuchen, die auf einem Bauernhof tätig ist. Mit dem Zug fährt sie dorthin, wird aber ohne Fahrschein und Reiseerlaubnis ertappt, verhaftet und unter Arrest gestellt. Die Lagerführerin wird benachrichtigt und so kommt sie gegen die Bezahlung einer Strafe wieder frei.
Sie hat nicht nur schlechte Erinnerungen an Deutschland. Sie denkt oft an Barbara Schickener, eine Deutsche, die in der gleichen Abteilung wie sie arbeitete und immer sehr fröhlich und herzlich zu ihr war. Sie hatte einen Sohn im gleichen Alter wie Olena.
Als Olena nach den Verhören in den Filtrierungslagern wieder in die Ukraine zurückkehrt, besucht sie die Realschule. In der Heimat werden nach dem „Großen vaterländischen Krieg“die Zwangsarbeiter verachtet und der Kollaboration bezichtigt. Olena muss sich viele Vorwürfe anhören. Wenn immer möglich, vermeidet sie es, auf ihren Zwangsaufenthalt in Deutschland hinzuweisen. Aber einen angemessene Arbeit wird ihr nicht gewährt, die Verdachtsmomente gegen sie und die anderen Zwangsarbeiter bleiben bis in die 90-er Jahre bestehen. Daher haben viele Zwangsarbeiter auch kein Geld bei der Stiftung beantragt, denn bis zu dieser Zeit galt man als gesellschaftlich geächtet.

Bürgerreporter:in:

Dr. Bernhard Lehmann aus Gersthofen

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