Klage gegen die Stadt Friedberg - Bürgermeister und Stadtrat „schmierten“ Münchner Beamten

Diese Uhr ist ein Werk des Friedberger Uhrmachers und Ratsmitglieds Johann Koreman. Ein anderes seiner Erzeugnisse wurde auf Kosten der Stadt einem Münchner kurfürstlichen Beamten "verehrt". Foto: Aus "Friedberger Uhren" von Adelheid Riolini-Unger.
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  • Diese Uhr ist ein Werk des Friedberger Uhrmachers und Ratsmitglieds Johann Koreman. Ein anderes seiner Erzeugnisse wurde auf Kosten der Stadt einem Münchner kurfürstlichen Beamten "verehrt". Foto: Aus "Friedberger Uhren" von Adelheid Riolini-Unger.
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Frau Ernst in München macht Ernst

Man schrieb das Jahr 1681. Die in München lebende, aber aus Friedberg stammende Frau Ernst, eine geborene Prugglacher, forderte von der Stadt Friedberg 700 Gulden. Das merkwürdige daran ist, dass die Stadt zwar das Schuldkapital in Höhe von 2000 Gulden im Jahre 1638 bereits zurückgezahlt hatte, aber die Zinsen für einen Zeitraum von 7 Jahren bei einem damals üblichen Zinssatz von 5 % nach 43 Jahren immer noch schuldig geblieben war. Hatte man die Zinszahlung bei der Stadt vergessen? Jedenfalls werden sie mit keinem Wort in den noch vorhandenen Kammerrechnungen erwähnt. Aber jetzt - im Jahre 1681 - machte Frau Ernst offenbar Druck. Sie hatte sich in München an einen gewissen Herrn von Leidl, der den schönen Titel „Gehaimer RathsVorCanzler“ trug, als ihren „Beistand“ gewandt. Dieser hatte in ihrem Auftrag beim Hofrat in München Klage gegen die Stadt Friedberg erhoben.

Bürgermeister und Uhrmacher brechen nach München auf

Als „Hoftag“ - als Tag der Verhandlung - wurde der 29. August 1681 anberaumt. Soweit wollte es aber die Stadt Friedberg nun doch nicht kommen lassen. Vielleicht fürchtete man ein Urteil mit harten Folgen. Nicht anders ist es zu erklären, dass sich der Rat der Stadt Friedberg im Vorfeld um einen gütlichen Vergleich mit jenem „Beistand“ von Frau Ernst bemühte. So machten sich eigens am 26. August des Jahres 1681 - drei Tage vor dem Verhandlungstermin - der Herr Bürgermeister Johann Riegg, und der Uhrmacher Herr Johann Koreman, ein Mitglied des Äusseren Rates, nach München auf.

Im Gepäck eine wertvolle Uhr

Im Gepäck hatte Uhrmacher Koreman eine Halsuhr im Wert von 30 Gulden, die er selbst angefertigt hatte. Eine solche Uhr war für viele Menschen unerschwinglich. Ein Schulmeister erhielt diesen Betrag als Jahressold, ebenso der Kantor, der Stadtknecht dagegen nur 24 Gulden Jahressold. Der Wegmacher, der für einen ganzen Tag Arbeit 16 Kreuzer erhielt, kam im günstigsten Fall auf ein monatlichen Entgelt von etwas mehr als 6 Gulden.
Die Halsuhren gehören seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu den frühesten uns bekannten Friedberger Uhren mit Federantrieb. Es waren die hier ansässigen Uhrmacher, die vor allem ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts für den guten Ruf Friedbergs als Uhrmacherstadt sorgten. Der Ratsherr Koremann hatte die Halsuhr eigens nach München mitgenommen, in der sicheren Annahme, dass sie höchst nützlich werden könnte.

Einflussreicher Herr Leidl ist scharf auf die Uhr

Und es zeigte sich alsbald, dass der hohe kurfürstlicher Beamte Herr von Leidl offenbar scharf war auf die Uhr, die plötzlich vor seinen Augen baumelte. Er nahm sich sofort der „Prugglachischen Schulden“ an.
Die Stadt Friedberg hatte Glück. Es kam zu keinem Prozess vor dem Hofrat. Möglicherweise hatte man bei den Zinsschulden noch etwas nach unten verhandelt. Mit dem Ergebnis war Frau Ernst jedenfalls zufrieden. Die Stadt Friedberg konnte sich mit besagter Halsuhr, die man dem einflussreichen Herrn von Leidl „verehrte“, geschickt aus der Schlinge ziehen. Als Begründung steht hierfür in der Kammerrechnung zu lesen: "Iro Gnaden Herr von Leidl, der sich wegen der armen Statt bestens angenomben ..."

Friedberg immer noch eine arme Stadt

Von einer „armen Statt“ ist hier die Rede. Daraus läßt sich erahnen, wie es um Friedberg zu jener Zeit stand. Fast ein halbes Jahrhundert zuvor war die Stadt im Dreißigjährigen Krieg furchtbar heimgesucht worden. Von 1632 bis 1635 gab es nur die tote, menschenleere Ruinenstadt Friedberg, in der durch den Dreißigjährigen Krieg bedingt, kein Leben aufkommen konnte. 1646 wurde die Stadt ein zweites Mal in Schutt und Asche gelegt. Die Wunden des Krieges waren mehr als dreißig Jahre später in Friedberg immer noch nicht verheilt: Die Bewohner lebten in den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts in einer zwar aufstrebenden, aber immer noch als „arm“ bezeichneten Stadt.
Darüber hinaus belegt dieser „Fall“, dass in jenen fernen Tagen die Korruption auch in Friedberg ein Thema war. Der Friedberger Stadtrat, voran der Bürgermeister, scheute sich nicht, in München einflussreiche Beamte im Dunstkreis des herrschenden Monarchen mit Erfolg zu bestechen. Die Friedberger selbst dürften davon keine Kenntnis erhalten haben, obwohl sie es letztenendes waren, die die Bestechung zu bezahlen hatten. Herr Koremann bekam die Kosten in Höhe von 30 Gulden ersetzt - aus der Stadtkasse!

Bürgerreporter:in:

Regine Nägele aus Friedberg

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