Das Haus im Vorderhornbach hat vieles schon erlebt

Mitten im Ort Vorderhornbach steht das Unterkunftshaus der Sektion Friedberg.
3Bilder
  • Mitten im Ort Vorderhornbach steht das Unterkunftshaus der Sektion Friedberg.
  • hochgeladen von Regine Nägele


Aus der Geschichte des "Hauses Tirol"

Es ist ein großes, geräumiges Haus, unser neues Unterkunftshaus in Vorderhornbach. Zwei Küchen, eine große Bar und viele Übernachtungsplätze lassen ahnen, dass das „Haus Tirol“, wie sein bisheriger Name war und so am Nordgiebel angeschrieben steht, schon viele Gäste beherbergt haben muss.
Wer diese waren, und was es sonst Interessantes um das „Haus Tirol“ gibt, wollte die Autorin, die sich in ihrer Eigenschaft als Heimatsvereinsvorsitzende von Friedberg auch für die Historie vor Ort interessiert, genauer wissen. Der Nachbar Alois Köpfle war als Informant schnell gefunden. Sein wunderschönes großes Haus mit Ferienwohnungen, das sich sanft an einen Hang schmiegt, liegt gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite. Der reiche Blumenschmuck, der sich in den höher gelegenen Garten fortzieht, ist eine Augenweide nicht nur für seine Stammgäste, die sich alljährlich zur Urlaubszeit in seinem Haus einquartieren.

Klare Ansage an die lärmenden Gäste im "Haus Tirol"

So beginnt Alois Köpfle zu erzählen: Das „Haus Tirol“ gehörte, bevor es der Alpenverein Friedberg kaufte, 36 Jahre lang einer Eigentümergemeinschaft aus Winnenden in Baden-Württemberg. Viele zahlende Gäste sollten für einträgliche Einnahmen sorgen. So wurde das Haus ertüchtigt und ausgebaut, die Zimmer mit Stockbetten versehen, um möglichst viele Personen unterzubringen. In der Tat war an den Wochenenden das Haus voll, einmal sogar mit einer Fußballmannschaft. Vor allem in der Anfangszeit gab es aus der Nachbarschaft massive Beschwerden wegen der Wochenendbewohner. Diese feierten bis in die späte Nacht hinein, und das sehr laut. Der Alkohol tat sein Übriges. Die Nachbarn antworteten mit einer klaren Ansage. Die nächtlichen Krawalle wurden „polizeilich“ eingestellt. „Wir hatten ja Gäste“, erklärte Alois Köpfle, „die wir nicht verprellen wollten“. Außer der Landwirtschaft gab es als Einkommensquelle nämlich nur den Fremdenverkehr, der in den 70er Jahren endlich an Fahrt aufnahm. Arbeitsplätze gab es zwar in Reutte in der Textil- und Metallverarbeitung, aber die waren sehr begrenzt.

Ein Jäger hat das Haus erbaut

Gebaut wurde das „Haus Tirol“ gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bauherren waren ein Jäger - den Namen wusste Herr Köpfle allerdings nicht mehr - und eine fremde Frau, eine Bekannte des Jägers. Das erlegte Wild verstaute er in dem verschließbaren Hohlraum unter dem Treppenpodest der Hauseingangstüre. Nach einiger Zeit interessierte sich die Frau nicht mehr für dieses Anwesen und gab ihren Teil an ihn ab. Auch der Jäger zog 1950 in ein neues Domizil, das er weiter unten im Dorf gebaut hatte. Ob ein Brandunglück, das auch das „Haus Tirol“ betraf, ihn dazu veranlasste, weiß man nicht.
Es war 1945, als eine Flüchtlingsfamilie aus Südtirol im Dorf aufgenommen wurde. Ihren fünf Kindern fiel einmal nichts Besseres ein, als auf der Holzterrasse ihrer Unterkunft zu zündeln. Die Folge: Es brannten die Kirche und vier Häuser von Vorderhornbach. Etliche Schuppen samt Inhalt, darunter auch der Stadel der Familie von Alois Köpfle, wurden ein Raub der Flammen, ebenso ihre Bienenzucht. Das „Haus Tirol“ wurde ebenfalls durch den Brand beschädigt. Unter widrigen Bedingungen versuchten die Dorfbewohner zu löschen. Vorwiegend waren es die Frauen, denn die Männer waren noch im Krieg, und die Feuerwehrausrüstung des Dorfes war nicht die Beste. Die Besatzer, Franzosen und Amerikaner, halfen beim Löschen. „Amerikaner und Franzosen waren sich nicht ganz grün“, fügte Alois Köpfle hinzu. „Die Franzosen waren nicht immer freundlich zu den Bewohnern, die Amerikaner dagegen schon.“ Große Säcke, die wiederum kleinere Säcke, gefüllt mit Mehl, Zucker, Essen, auch Essensdosen enthielten, ließen die Amerikaner wie zufällig stehen. Die Bevölkerung bemächtigte sich der Säcke, auf die die Franzosen ebenfalls scharf waren. Um die haltbaren Dosen vor ihrem Zugriff zu retten, wurden sie im Wald vergraben. Als die französischen Besatzer fort waren, konnten sie wieder hervorgeholt werden.
Die aus Stein errichtete Kirche wurde ab 1947 wieder aufgebaut und hübsch hergerichtet, aber die schöne reichhaltige Bemalung von einst gibt es nicht mehr.

Florierende Bar im „Haus Tirol“

Nach dem Auszug des Jägers bewohnte eine Familie Auer das Haus und richtete es wieder her. Die Brandschäden wurden beseitigt. Ihre beiden Buben besuchten in Reutte die Schule. So bauten sie nun dort ein Haus und verkauften das „Haus Tirol“ an einen Deutschen aus Essen, der mit Frau und Tochter einzog. Er wurde nur der „Däne“ genannt. Auch an seinen Namen konnte sich Köpfle nicht mehr erinnern. Geschäftstüchtig richtete der „Däne“ im Keller eine Bar ein, in die man über die äußere Kellertreppe gelangte. Bunte Glasfenster und Klinkerverzierungen im Keller sind Reste dieser einst florierenden Bar.

Viel Lärm um nichts

Alois Köpfle begann 1968/69 das Haus zu bauen, in dem er heute lebt und seine Ferienwohnungen hat. Sehr bald stieß er in dem Hanggrundstück auf Felsen. Kleine Löcher wurden herausgesprengt und herausgearbeitet. Diese wurden mit größeren Sprengladungen befüllt, mit Fichten- und Tannenästen abgedeckt und dann gesprengt. Einmal hatte der Sprengmeister wohl etwas zu viel geladen. Die Felsenstücke schwirrten durch die Luft mit der Folge, dass der „Däne“ völlig aufgebracht herübersauste. Aber die Aufregung war umsonst. Dem „Haus Tirol“ war nichts passiert.


Dem englischen Buam schmeckt das Tiroler Essen

Als die Tochter des „Dänen“ gegen seinen Willen einen Mann aus Häselgehr (nahe Vorderhornbach) heiratete und naturgemäß zu ihrem Ehemann zog, fühlte sich der „Däne“ in dem großen Haus nicht mehr wohl und verkaufte es Mitte der 70er Jahre an einen Engländer. Der zehnjährige Sohn der englischen Familie stellte sich von nun an gerne zur Essenszeit bei Köpfles ein, denn da schmeckte es ihm, im Gegensatz zu daheim im „Haus Tirol“, wo es immer nur Kartoffeln gab.
Nicht sehr lange danach wechselte das Haus erneut den Besitzer. Adolf Kölck, der Inhaber des Gasthauses „Kreuz“ war der neue Eigentümer, bis er es 1984 an die Eigentümergemeinschaft aus Winnenden weiterveräußerte. 16 Jahre später erwarb es schließlich der Friedberger Alpenverein.



Bürgerreporter:in:

Regine Nägele aus Friedberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.