Ausstellung im Museum des Wittelsbacher Schlosses: Die Welt ist unser Haus. Die Jesuiten zwischen regionalem und universalem Horizont

Kaspar Kastner SJ (1665-1709), 18. Jh., Ölgemälde, Bischöfliches Gymnasialkonvikt Rottweil | Foto: Wittelsbacher Schloss Friedberg
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  • Kaspar Kastner SJ (1665-1709), 18. Jh., Ölgemälde, Bischöfliches Gymnasialkonvikt Rottweil
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Sie kamen aus Brabant, aus Frankreich, aus Litauen, aus Polen, aus der Republik Venedig, aus der Schweiz und Tirol – die Schüler des Augsburger Jesuitengymnasiums. Seit ihrer Eröffnung im Jahr 1582 brachte diese Institution zahlreiche bedeutende Schüler hervor, unter ihnen den Komponisten Leopold Mozart (1719-1787). Das Gymnasium war nicht nur Bildungsstätte für die männlichen Nachkommen des katholischen Augsburger Patriziats, wie der Fugger, der Welser und der Rehlinger, sondern beispielsweise auch für die des litauischen Fürsten von Radziwill.

Ab 8. Mai 2009 wird im Museum im Wittelsbacher Schloss Friedberg in der Ausstellung „JESUITEN – Die Welt ist unser Haus. Die Jesuiten zwischen regionalem und universalem Horizont“ das einst so einflußreiche Augsburger Jesuitenkolleg vorgestellt sowie das Wirken der Jesuiten in der Welt. Beleuchtet werden die Bedeutung des ersten Jesuiten in Augsburg, Petrus Canisius, die Verbindungen der Gesellschaft Jesu zu den Fuggern, ihre Besitzungen in Friedberg und Kissing sowie das jesuitische Theaterspiel.

Spielten die Jesuiten in Augsburg und der Region eine wichtige Rolle, so erst recht in der Welt. Die Zuneigung zur Welt und das Leben in Ausrichtung auf die Welt, war und ist das Programm der Gesellschaft Jesu. Als erster jesuitischer Weltmissionar war der heilige Franz Xaver tätig. In der Ausstellung bildet seine von Ignaz Günther gestaltete Skulptur aus dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg einen glanzvollen Höhepunkt.

Der international wirkende Orden pflegte vielfach enge Kontakte zu Herrschern bzw. einflussreichen Persönlichkeiten in aller Welt. In Süddeutschland waren dies der bayerische Herzog oder die Fugger, in China handelte es sich um den kaiserlichen Hof.
Adam Schall von Bell (1592-1666) aus Köln, Ignaz Kögler (1680-1746) aus Landsberg am Lech oder Kaspar Kastner (1665-1709) aus München waren drei deutsche Jesuiten, die als Astronomen hohe Ämter im Dienst des chinesischen Kaisers innehatten.
Der Erfolg der Gesellschaft Jesu und ihre Akzeptanz durch andere Kulturen beruhte in erster Linie auf der Akkommodationsmethode: Die Jesuiten lernten die fremde Sprache, studierten die kulturellen und religiösen Gegebenheiten und kleideten sich in der jeweiligen Landestracht. Anschaulich vermitteln dies die eindrucksvollen Jesuitenporträts aus dem Bischöflichen Gymnasialkonvikt Rottweil in der Ausstellung. Aufgrund der fremdländischen Kleidung lässt so das Porträt von Kastner auf den ersten Blick nicht vermuten, dass es sich bei ihm um einen gebürtigen Münchner handelte.

Gerade dank ihrer wissenschaftlichen Leistungen – dem Orden gehörten zahlreiche Intellektuelle an – fanden die Jesuiten bei den Herrschern Anerkennung. Umgekehrt profitierte man in Europa von den Missionsberichten und landeskundlichen Forschungen der Jesuiten, und erfuhr auf diese Weise von der Kultur asiatischer oder amerikanischer Länder. Zahlreiche ihrer Berichte wurden in Augsburg gedruckt. Eines der bedeutendsten jesuitischen Werke, das in der Buchdruckmetropole am Lech erschien, ist gewiss Joseph Stöckleins „Der neue Weltbott“ mit Berichten über die Jesuitenmission in Asien und Lateinamerika.

In Augsburg saßen darüber hinaus auch Förderer der Mission. So zeigte Gräfin Maria Theresia von Fugger-Wellenburg (1690-1762), deren Porträt aus Privatbesitz die Ausstellung bereichert, an der China-Mission lebhaftes Interesse. Nach der Volljährigkeit des Sohns, der sich Mitte des 18. Jahrhunderts in Friedberg niederließ, unterstützte die spätere Hofmeisterin der Kaiserwitwe Maria Amalia (1701-1756) die Mission in China und Vietnam. Über 20 Jahre stand sie mit den Jesuitenmissionaren Florian Bahr (1706-1771) und Johann Siebert (1708-1745) in Kontakt und förderte sie großzügig.

In der Ausstellung wird jedoch nicht nur das Wirken der Jesuiten in Asien in den Blick genommen. Auch ihre Niederlassungen in Südamerika, insbesondere die so genannten „Reduktionen“ in Paraguay – hier waren auch einige Jesuiten aus Schwaben tätig – werden anhand von Leihgaben, wie dem berühmten Zwettler Codex 420, eine der ersten Landesbeschreibungen Paraguays, beleuchtet. Dieser Codex wurde von dem bei den Mocobier-Indianern im 18. Jahrhundert lebenden Jesuiten Florian Paucke verfasst und reich illustriert. Nicht nur den Indios selbst, auch der Tierwelt, Flora und Fauna galt Pauckes Interesse. Tiere und Pflanzen beschrieb er sehr detailliert und so manches Mal auch durchaus mit Humor, so etwa den Ameisenbären: „Die Ameiß Bären (welche ganz anders aussehen, als in unseren NordLänderen die Bären) gehen in diesem Thall nicht seltsam in Wäldern herumb. Sie haben gemäss ihrem Leib und Hals einen ganz ungeschickten kleinen Kopf; man kann nicht unterscheiden, wo würklich dieses Thiers Rüssel anfange? […] … Hat und brauchet auch keine Zähne, weil er nicht anderes zur Nahrung hat als Ameißen […]. Er gehet und suchet die aufgeworffene grosse Ameißhaufen, stecket die spitzige Zunge […] in die Öffnungen oder Löcher, wo die Ameißen aus und ein marschiren. Die Ameißen hangen sich bald umb und umb an die lange, runde Zunge an; wan das Thier mercket, die Ameisen hafften schon, ziehet er seine Zunge zurück und verschluket sie.“

Am Ende der Ausstellung wird der Besucher auf eine Reise durch Südamerika geschickt: 1957/58 drehte Felix A. Plattner SJ den Film „La Panamericana. 20.000 km auf südamerikanischen Landstrassen“. Dieser Film, der nicht nur das Flair der 1950er Jahre, sondern vor allem auch einen guten Eindruck über die Leistungen der Jesuiten in Südamerika vermittelt, wird in der Ausstellung erstmals der Öffentlichkeit gezeigt.

Museum im Wittelsbacher Schloss Friedberg
Schlosstrasse 21
86316 Friedberg
Fon (0821) 6002148
Fax (0821) 605051229
www.museum-friedberg.de

8. Mai – 6. September 2009
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertage 11 bis 17 Uhr

Nähere Informationen zum umfangreichen Rahmenprogramm mit Vorträgen, Filmen, Führungen und Angeboten für Kinder unter www.museum-friedberg.de oder Telefon (0821) 6002148.

Bürgerreporter:in:

Dr. Alice Arnold-Becker aus Friedberg

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