Geliebter Putin !

Putin, Karikaturmaske Michael Stöhr, Maskenmuseum Diedorf

Denn sie wissen nicht was er tut oder warum die Vertikale der Macht so wenig Wiederspruch auslöst.

Der junge Postbote muss sich sputen, die Tasche mit den vielen Briefen ist noch fast voll.
Es ist noch kalt im Süden Russlands, aber zu Hause wartet, wenn er dann wieder nach Hause kommt, die liebende Wärme der Familie und ein dampfender Teller Bortsch. Mehr zum Glück braucht man doch nicht.
Er ahnt nicht, dass mit fast jedem Brief, den er am Grundstücksrand zwischen die Zaunlatten klemmt, das Glück dieser Familien mit dem Öffnen ebenso abrupt beschnitten sein wird, wie eben jene abgetrennte Kante des Kouverts, das dann vor Ihnen liegen wird. Es ist die Einberufung der jungen Männer.
Nichtsahnend überbringt der junge Mann all diese Briefe, die gar nichts Gutes verheißen. Auch für ihn selbst wird in Kürze so eine Nachricht in seiner Tasche liegen. Zur Zeit genießt er aber noch den Gedanken, dass all diese Briefe von fernen unbekannt schönen Plätzen kommen. Irgendwo aus dem Herzen des Landes, Moskau, aus dem fernen Sibirien fast schon am Ende der Welt, aus Belruss und der Ukraine.
Lächelnd fällt ihm auf, dass auch jeder Brief gerade so viele Ecken hat , wie die großen weit entfernten Länder der Sowjetunion. Die Welt kann ja doch gar keine Scheibe sein, wie es immer die orthodoxe Kirche behauptet hat. Und schon kommt er sich vor, wie ein großer kluger Philosoph: Was aus ihm wohl noch alles werden wird, mit so viel Talent für kluge Schlussfolgerungen. Er kennt die Welt ja schon bestens.
Jeden Abend im Gemeindehaus sitzt er mit Freunden vor dem sprechenden Kasten, dessen bewegte Zauberbilder unterlegt mit den Stimmen der staatlichen Nachrichtensprecher von der großen Zukunft in allen der 4 Landesteile künden. Auch dieses magische Gerät hat vier Ecken, kommt es ihm da mit schaudernder Erkenntnis in den Sinn. Nein die Welt ist keine Scheibe, die Welt ist ein Viereck, ebenso wie die Häuser in denen die Menschen leben, die Fenster, durch die man weit in die Ferne bis an die dunstigen Wälder schauen kann. Es ist im Großen wie im Kleinen, das ist die große Ordnung.
Jetzt versteht er auch plötzlich , was gemeint ist, wenn die Nachrichtensprecher vom Teufel Amerika auf der anderen Seite der Welt reden. Wie die Kirche erzählt, ist über uns allen das Paradies, unter unseren Füßen der Boden, der uns ernährt , in den wir aber auch unsere Toten betten, und ganz tief darunter ist der Teufel und die Hölle, die uns mit den wildesten Verlockungen prüfen will. Nur die Erde ist freilich keine runde Scheibe, sondern rechtwinklig. Aber tief unter dieser rechtwinkligen Fläche, tief darunter da liegt Amerika, da ist der Teufel. Glück durchströmt ihn heiß, wegen solch immenser Erkenntnisse.
Und so sieht er mit ganz anderen Augen auf die wertvollen Geschenke, die er allen auf seiner Liste mit all seinem wohl von Gott eingehauchtem Wissen zwischen die Zaunlatten schiebt. Und noch einmal fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: diese göttliche Weltordnung hat ja auch ein Gesicht. Auf all den Briefen klein am oberen rechten Rand ist ein ernst dreinblickender Mann im Profil abgebildet. Leider noch hat ihn der große Unbekannte, der auf all diesen Briefen zu sehen ist, wohl noch nicht entdeckt, denn unbeirrt schaut er nach links, nach Westen.
Mühsam entziffert er Buchstabe für Buchstabe: Wladimir Wladimirowitsch Putin.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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