Sprengungen der North Stream- Pipeline
Die Spur führt nach Russland!

Foto: Foto: PO Lee Blease/MOD / Das Bild zeigt die russische Fregatte Yaroslav Mudry (777).
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  • hochgeladen von Peter Gross

Prolog:
Als die Meldungen über die Ticker liefen, dass man ein Segelboot ("SS ANDROMEDA") im Zusammenhang mit den North Stream- Sprengungen auffand, das mit ukrainischen Pässen angemietet wurde und auf dem Sprengstoffreste gefunden wurden, war es einigen MH- Usern gleich klar: Da mussten die USA hinter stecken!

Mal war es die USA allein, mal zusammen mit Norwegen. Diese Theorie war mindestens so absurd, wie auch der Verdacht, ukrainische Kräfte wären hier am Werk gewesen. Vier Punkte sprachen gegen diese Theorien:

1. Zum Zeitpunkt der Sprengungen floss kein Gas mehr durch die Pipeline. Die Russen hatten das Gas zunächst gedrosselt, später dann die Lieferung ganz eingestellt. Weder die USA, noch Großbritannien oder Deutschland hätten einen Vorteil durch die Sprengungen erzielt.

2. Die SS ANDROMEDA wurde schnell entdeckt, weil sie mit eingeschaltetem AIS ( Automatisches Informationssystem) gefahren ist. Wer eine Pipeline sprengen will, würde das AIS ausschalten, um eben nicht entdeckt zu werden. So aber stießen die Behörden schnell auf die Yacht, fanden zu ihrem Glück auch noch Sprengstoffreste, die man nicht beseitigt hatte und konnten die Passkopien der Mieter einsehen, die dann die "ukrainische Spur" festigten. Zu viel der "leichten Ermittlungsarbeit"

3. Um 80m zu tauchen und an drei Stellen derartige Zerstörungen an den Pipelines anzurichten, braucht man a) gut ausgebildete Taucher, b) eine Menge Sprengstoff und muss sich c) mit diesem Sprengstoff auch gut auskennen. Abgesehen davon besorgt man sich diesen speziellen Sprengstoff auch nicht in jeder Kaserne. Eine solche Aktion- zumal bei Nacht- von einer 12m- Yacht zu dirigieren: Eher unwahrscheinlich.

4. Vordergründig hatte auch Russland nichts von diesen Sprengungen. Auf den zweiten Blick allerdings schon. Denn gem. Liefervertrag war Russland im Verzug zu liefern. Deutschland könnte Russland auf Einhaltung des Vertrages verklagen. Wenn aber die Pipeline zerstört ist ( und niemand weiß, wer es war...), dann wäre Russland aus dem Schneider und müsste ob "höherer Gewalt" nicht liefern.

Die Spurenlage war mir- wie ich das schon frühzeitig äußerte- zu dünn und zu simpel gestrickt. Also recherchierte ich selbst ein wenig. Nicht, dass ich nicht wüsste, wie das geht. Schon vor 13 Jahren konnte ich mit Hilfe der AIS- Signale ein weltweit gesuchtes Frachtschiff ausfindig machen. Und zu meiner Überraschung funktionierte sogar mein Account noch. 

Überraschend war auch, dass ich einige Anfangserfolge erzielen konnte. Leider aber nur bis zu einem Punkt, der mich nicht weiter führte. Mein alter Premium- Account hatte inzwischen wohl einige Updates über sich ergehen lassen müssen. Was mir damals noch im kleinen Preisbereich möglich war, kostet heute ordentliches Geld. 

Das Ganze wäre zwar immer noch "bezahlbar", aber um die Recherche wirklich zu einem Abschluss zu bringen, hätte ich auch noch Zugriff auf Satellitenaufnahmen haben müssen. Hab ich, aber auch nur in einem beschränkten Maß. Mit anderen Worten: Nur zum Spaß hätte das den Rahmen gesprengt. Dabei hätte ich auch nicht wirklich neues herausgefunden, denn was ich oder sonst wer von außen recherchieren kann, ist der NATO zu 100% schon längst bekannt. Nur redet sie nicht offen darüber. Das war schon vor 13 Jahren so, als ich den besagten Frachter entdeckte. Der russische Außenminister Sergej Lawrow persönlich (er war tatsächlich damals schon im Amt) dementierte öffentlich die von mir und einem russischen Kollegen angegebene Fundstelle des Schiffs. Spätestens da war mir klar, dass der Auffindeort sein musste. Denn wäre er falsch gewesen, wäre ein Dementi nicht nötig gewesen.

Und auch jetzt zeigt sich, dass meine Anfangsergebnisse der Recherche alles andere als falsch waren. Denn wenn ich auch nicht bereit war, für ein wenig MH- Unterhaltung Geld zum Fenster hinauszuwerfen, so war- glücklicherweise- ein Mitarbeiter von t-online etwas verschwenderischer mit dem Geld seines Unternehmens. Und was er da zusammentragen konnte, ist- aus meiner Sicht- absolut wasserdicht und schlüssig.

Er recherchierte nicht nur alle AIS- Tracks, koppelte abgebrochene Tracks ( schätzte Kurse und Geschwindigkeiten) sehr gewissenhaft und zog entsprechende Satellitenaufnahmen hinzu. Sie decken auf, dass die russische Marine zum Zeitpunkt der Sprengungen sehr wohl mit mehreren Einheiten vor Ort war. Obwohl die russischen Kriegsschiffe (natürlich) ihr AIS ausgeschaltet hatten, sind die Beweise für ihre Präsenz bestens belegt. Und das, obwohl der klandestine Job gut vorbereitet war: Die Nacht des Geschehens war stark bewölkt. Ein idealer Schutz vor Satelliten. Doch was die Täter nicht bedachten: Vor wenigen Jahren noch wäre die geheime Aktion dank der Wolken unentdeckt geblieben. Aber inzwischen hat die moderne Satellitenaufklärung bessere technische Möglichkeiten...

Zur Recherche von t-online:

"Die russische Marine hat kurz vor den Explosionen der Nord-Stream-Pipelines mutmaßlich mit einem Mini-U-Boot in deren Nähe operiert. Das wirft Fragen zu den Ermittlungen auf.

Während vieler Jahre war der Tatort der Nord-Stream-Anschläge nordöstlich der Insel Bornholm nichts weiter als eine beliebige Stelle in der Ostsee. Knapp außerhalb der dänischen und schwedischen Radarzonen gelegen, ist dort nichts als Wasser, so weit das Auge reicht. Und darunter, in fast 80 Metern Tiefe, eine Gaspipeline, von deren exakter Lage höchstens Insider wussten.

Dänische Patrouillenboote verirrten sich fast nie dorthin. Jeden Morgen um etwa die gleiche Uhrzeit hob zwar ein schwedisches Radarflugzeug am Militärflugplatz Malmen ab, um die Ostsee zu überfliegen. Die Crew sicherte aber vor allem die strategisch wichtige Insel Gotland ab. Nordöstlich von Bornholm gab es offenbar wenig zu kontrollieren.

Das änderte sich kurz vor den Explosionen am 26. September 2022, die die Pipelines Nord Stream 1 und 2 zerrissen und damit das Ende der deutsch-russischen Energiekooperation besiegelten. Ab dem Abend des 21. September geschah dort Außergewöhnliches.

Das Patrouillenboot "HDMS NYMFEN" der Königlich Dänischen Marine verließ überraschend um 19.50 Uhr Rødbyhavn und nahm Kurs auf Bornholm. Exakter: auf die Stelle, die nur fünf Tage später als Tatort der Nord-Stream-Sabotage bekannt werden sollte. Etwas dort bedurfte offenbar der dringenden Überprüfung.

Als das Schiff am Morgen des 22. September sein Ziel erreichte, schlossen sich schon bald die schwedischen Streitkräfte zu Wasser und zu Luft an. Der Kurs eines der schwedischen Schiffe in den kommenden Tagen: die russische Exklave Kaliningrad.

Die Patrouillen nahmen mutmaßlich die Verfolgung russischer Militärschiffe auf. Wie t-online aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll ein Verband der russischen Marine unter strenger Abschirmung im Bereich des späteren Tatorts operiert haben. "Wie ein Geist", heißt es dazu, also ohne seine Positionsdaten zu senden. Die Schiffe hätten exakt die notwendige Ausrüstung gehabt, um Sprengsätze an den Pipelines zu platzieren. Öffentlich einsehbare Daten geben Hinweise darauf, dass die Informationen zutreffen (was ich bestätigen kann!)

Die Aktivitäten der russischen Marine in den Tagen vor den Explosionen könnten eine wichtige Spur in einem mysteriösen Kriminalfall sein: dem Anschlag auf die Gaspipelines inmitten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie würden zugleich Theorien zu anderen möglichen Verantwortlichen infrage stellen, die in den vergangenen Wochen für Aufsehen sorgten.

Eine lautete: Die USA seien Drahtzieher der Sabotage gewesen. Viele Details des Berichts sind mittlerweile widerlegt. Zuletzt hatten allerdings gemeinsame Recherchen der ARD, des SWR und der "Zeit" einen anderen Tathergang ins Spiel gebracht: Der Generalbundesanwalt verfolge die Spuren einer möglicherweise proukrainischen Gruppe, die mit der Segeljacht "Andromeda" und zwei Tauchern die Anschläge verübt haben könnte. Tatsächlich durchsuchte das Bundeskriminalamt das verdächtige Boot.

Die Theorie vom terroristischen Segeltörn im ukrainischen Privatauftrag sorgt in Fachkreisen allerdings für Kopfschütteln. Wenig plausibel sei das, heißt es. Vieles spreche für eine "Operation unter falscher Flagge" – für gelegte Spuren also, die gefunden werden und die wahren Drahtzieher verschleiern sollen. Es seien höchstwahrscheinlich U-Boote oder Unterwasserdrohnen verwendet worden, Hunderte Kilogramm militärischer Sprengstoff. All das spreche für einen staatlichen Akteur.

Das glauben auch einige Bundestagsabgeordnete des Parlamentarischen Kontrollgremiums, die erst vor Kurzem durch die deutschen Ermittler unterrichtet wurden. "Maximal vorsichtig" müsse man sein mit der bislang in Medien bekannt gewordenen Spurenlage, sagte der Gremiumsvorsitzende Konstantin von Notz (Grüne) nach der Sitzung. Auch absichtlich irreführende Hinweise seien denkbar.

Dass hinter der Operation mehr stecken könnte als eine Segeljacht, legen nun die Recherchen von t-online nahe.

Eine Woche vor den Explosionen begannen am 19. September umfangreiche Manöver der russischen Ostseeflotte, die als Tarnung für reale Missionen denkbar wären. Zu ihnen rückten ganz offiziell auch Kampfschwimmer der 313. Spezialkräfteeinheit der Spetsnaz vom Stützpunkt Baltijsk in Kaliningrad aus. Es sind Elitesoldaten, ausgebildet für Sprengstoff- und Sabotageoperationen unter Wasser. In den folgenden Tagen wurden dann offenbar die verdächtigen Schiffe im Bereich der Tatorte festgestellt.

Ihre Ausrüstung war brisant: Sie verfügten über ein Mini-U-Boot und Lastkräne zum Heben schwerer Frachten. Eine Fregatte, eine Korvette und ein kleineres Spionageschiff sollen dabei gewesen sein und wären geeignet gewesen, die Operation militärisch abzusichern. Über Positionsdatenbanken und Satellitenbilder konnte t-online die Bewegungen der konkreten Schiffe zum Teil nachvollziehen (auch das kann ich bestätigen!)

Das Patrouillenboot der dänischen Marine rückte am 21. September um 19.50 Uhr zum späteren Tatort aus. Um diese Zeit könnten dort bereits drei an der russischen Operation mutmaßlich beteiligte Schiffe angekommen sein. Gleichzeitig verließ ebenfalls um diese Uhrzeit ein Kommunikationsschiff des russischen Flottenkommandos den Stützpunkt in Kaliningrad – später sollte es sich mit zwei der beteiligten Schiffe bei ihrer Rückkehr treffen.

Die spannende Recherche von t-online kann man hier weiterverfolgen! 

Und danach unbedingt die ergänzende Reportage zu den russischen "Dark Ships" lesen!

Bürgerreporter:in:

Peter Gross aus Bochum

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