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Fluchtstätte Computer: Wenn Online zur Sucht wird

  • Dr. Silvia Kratzer vom Bezirkskrankenhaus Augsburg ist Experten für Internet- und Onlinesucht.
  • hochgeladen von Georg Schalk

Immer mehr Menschen verbringen ihre gesamte freie Zeit in der virtuellen Welt. Immer öfter bietet die virtuelle Welt mit Spielen, herunterladbarer Musik oder Videos und den endlosen Foren ihnen eine willkommene Fluchtstätte vor den Realitäten des Alltags. Die reale Welt mit Familien, Freunden, Schule, Ausbildungsplatz und Arbeitsstelle verblasst zusehends. Zum weltweiten Safer-Internet-Day vor wenigen Tagen rückte das Thema Internetsucht wieder in Mittelpunkt. Wir sprachen darüber mit Dr. Silvia Kratzer, Diplompsychologin im Bezirkskrankenhaus Augsburg, das zu den Bezirkskliniken Schwaben gehört. Sie ist Expertin für pathologische Internetnutzung und hält zahlreiche Vorträge zu diesem Thema.

Frau Dr. Kratzer, Facebook , Whatsapp und Co. sind in aller Munde. Nimmt die Internetsucht unter Jugendlichen zu?
Kratzer: Alle Beratungsstellen in Augsburg und Bayern, mit denen wir zusammenarbeiten, berichten von steigender Nachfrage.

Gibt es Zahlen?
Kratzer: Dem Forschungsprojekt Pinta von 2011 zufolge sind 2,4 Prozent der Menschen zwischen 14 bis 24 Jahren betroffen beziehungsweise ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Dunkelziffer liegt wohl deutlich höher.

Wer kommt zu Ihnen?
Kratzer: In der Regel melden sich die Eltern, wenn sie festgestellt haben, dass ihr minderjähriges Kind seine gesamte Freizeit vor dem PC verbringt und negativ auffällig geworden ist. Es sind aber auch Jugendliche, die ihren Schulabschluss verweigern oder den Ausbildungsplatz verlieren. Manche konsumieren beim „Daddeln“, also beim Herumspielen am PC, Drogen. Betroffene und ihre Angehörigen kommen meist von alleine.

Wie helfen Sie ihnen?
Kratzer: Wir haben in Augsburg und Schwaben ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut. Minderjährige schicken wir normalerweise ins Josefinum, wo ein Diplom-Psychotherapeut sich ihrer annimmt. Weitere Anlaufsstellen sind die Drogenhilfe Schwaben, die ein Gruppenprogramm bereit hält. Auch die Uni macht mit. Hieraus hat sich der Verein GamePäd entwickelt, der eine tolle Homepage mit einem E-Learning-Programm für Lehrkräfte anbietet und Hausbesuche macht. Zu diesem Netzwerk gehört auch die Caritas. Wir, die Bezirkskliniken, stehen für schwerere Fälle bereit. Wir bieten seit 2009 eine spezielle Gruppentherapie für Online-Rollenspieler an, die eine bessere Kontrolle über ihr Spielverhalten anstreben.

Wie äußert sich Internetsucht?
Kratzer: Junge Menschen verschwinden für zwei bis drei Jahre im Speicher ihres Elternhauses. Sie distanzieren sich immer weiter von der realen Welt und vernachlässigen ihre Pflichten. Irgendwann möchten sie weniger spielen, schaffen es aber nicht. Sie können nicht aufhören, online zu gehen. Die Betroffenen können nicht mit anderen Leuten umgehen, sind nicht konfliktfähig, wissen nicht, wie man Stress managt. Immer wieder kommen alleinerziehende Mütter nach einem Streit zu uns, bei dem ihr Youngster körperlich gegen sie gewalttätig geworden ist.

Sind diese Jugendlichen oder jungen Erwachsenen meist besonders dick, weil sie sich kaum bewegen?
Kratzer: Zum Teil. Entweder sie sind übergewichtig, weil sie sich nur von Fastfood oder Chips ernähren, oder sehr dünn, weil sie nichts essen. Viele sind aufgrund ihres Bewegungsmangels für ihr Alter absolut unsportlich oder aufgrund Vitaminmangels weißhäutig.

Welche Klientel ist besonders betroffen?
Kratzer: Wir haben die ganze Bandbreite – vom Hartz-IV-Empfänger, der sein Geld komplett für sein PC-Equipment ausgibt, bis hin zum Jugendlichen aus wohlhabenden Verhältnissen, der modernste Hardware besitzt und von der Mutter sein Essen ins Zimmer geliefert bekommt. Überwiegend sind es junge Männer im Alter bis 27 Jahren, die negativ auffallen.

Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke dabei?
Kratzer: Eine immer größere. Es fehlt noch an Forschungsergebnissen zu diesem Thema. Gerade in Deutschland sind aktuell mehrere medienpädagogische Institute dran. Wir werden sicherlich viel mehr Mädchen bekommen, die betroffen sind.

Woraus schließen Sie das?
Kratzer: Aus der Beobachtung von Lehrern und Beratungsstellen aus ganz Bayern. Die Noten der Mädchen werden schlechter, weil sie zu viel Input via soziale Netzwerke bekommen. Sie wollen die ganze Zeit live dabei sein, auch nachts, und sind deswegen am nächsten Tag übernächtig und unkonzentriert. Sie fühlen sich gestresst und belastet, ein normales Gespräch ist nicht mehr möglich. Dann kippt das Ganze. Manche geschundene Mutter kann nur noch mit ihrem Kind kommunizieren, indem sie ihm eine Whatsapp-Nachricht schreibt.

Was empfehlen Sie?
Kratzer: Eltern sollten klare Regeln aufstellen und sie auch vorleben. Doch davor scheuen sich die meisten Erwachsenen. Zum Beispiel kann ein Vater nicht von seiner Tochter verlangen, am Frühstückstisch das Handy wegzulegen, wenn er selbst ständig auf seinem Tablet herumsurft. Hilfreich wäre, wenn es in der Wohnung einen PC-Standort für alle in der Familie gibt. So würden PCs im Kinderzimmer verschwinden. Alles, was im Kinderzimmer ist, ist eine Spielsache. Handys sollten nachts ausgeschaltet in einer Schublade aufbewahrt werden.

Viele Eltern wollen die Freunde der Kinder sein. Ist das die richtige Strategie?
Kratzer: Nein. Keine falschen Verbündeten!

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2 Kommentare

Zuhause schließen Eltern Verträge ab und bezahlen den Kram - also können sie da auch regulieren.

Wer dagegen anfängt, mit den Kindern über Handys zu kommunizieren, hat kapituliert und wird dann wohl auch später den Fluchtwagen fahren, wenn der Ableger Banken überfällt?!

Und in den Schulen könnte man ein knallhartes Handyverbot einführen. Bei Verstoß Handy abnehmen und versteigern zu Gunsten der Schulkasse. Bei Renitenten werden die Eltern jedesmal vorgeladen (und zwar BEIDE - also keine Ausreden mehr von der Ex des "Alleinerziehenden" o.ä.)

> "Also ich weiß ja nicht so genau warum Eltern nicht allein auf solche Ideen kommen. Früher gab es ja schließlich auch Regeln."

Früher haben die Eltern auch die Verantwortung übernommen - das war damals selbstverständlich.
Entsprechend waren sie damals auch daran interessiert, dass ihre Kinder nicht negativ auffallen - denn das fiel in erster Linie auf die Eltern und ihren Ruf zurück.

Heute haben alle die Verantwortung - Krippe, Kita, Kirche, Politik, Gesellschaft, Schule, usw. - ausser den Eltern ;)

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