7. Friedberger Skulpturenpfad: Ein Interview mit Rose Maier Haid

Wolfgang Auer: Fliegentöter
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myheimat: Frau Maier Haid, Sie sind vor 26 Jahren nach Friedberg gekommen und haben sich hier als Künstlerin etabliert. Was haben Sie zuvor gemacht?
Maier Haid: Ich habe immer als Künstler gearbeitet. Ich bin sehr oft umgezogen, habe zwei Kinder groß gezogen, die jetzt selbst schon Kinder haben. Ich habe schon immer Kunst gemacht, jedoch keine Werke zur ausschließlichen Freude der Menschen, sondern engagierte Kunst. Ich habe sozusagen versucht, den Finger in die Wunde zu legen, um zu zeigen, was in der Gesellschaft nicht stimmt und das mache ich bis heute so.

myheimat Wie wird man Künstler? Welche Impulse treiben Sie an, sich künstlerisch auszudrücken?
Maier Haid: Eine bestimmte Sichtweise bzw. eine bestimmte Erkenntnis lässt jemanden zum Künstler werden. Es ist der besondere Gedanke: Was ich mache, warum ich etwas mache. Bei der Kunst ist es wie mit allem: Wenn man sich anstrengt, wird man besser. Genauso ist es im künstlerischen Sinne mit den Gedanken und Ideen.
Im Leben gibt es vieles, das leichter ist als das Künstlertum. Die Leidenschaft zum Menschen ist der Anlass zum Künstlertum. Wenn man richtig hinsieht und wahrnimmt, muss man sich dafür hingeben. Wir Künstler müssen Zeichen setzen. Wichtig ist auch dran zu bleiben, um etwas zu bewirken. Ich persönlich wüsste nicht, wann ich aufhören könnte oder warum ich aufhören sollte, Künstler zu sein.

myheimat Das Motto des diesjährigen Skulpturenpfades lautet: „Dein Name sei Kunst“. Wie entstand dieser Titel?
Maier Haid: Der Name, die Erscheinung jedes Kunstwerkes ist Kunst. Es möge nichts anderes sein, keine Dekoration, keine Gestaltung einfach so, um ins Rampenlicht zu kommen. Es geht nur darum, mit Kunst zu vermitteln. Wir Künstler versuchen mit dieser Kunst die Bürger zu erreichen. Die Stadtbewohner sollen es genießen.

myheimat Ihre Kunstschule findet großen Anklang unter den Friedbergern und auch der Skulpturenpfad ist eine Kunstausstellung der besonderen Art, die Friedberg nicht missen möchte. Wie kam es zu dieser Idee?
Maier Haid: Ich habe jahrelang die Frühjahrsausstellung der Stadt organisiert und mich bemüht, möglichst qualitativ hochwertige Kunst zu präsentieren. Die Stücke werden auch durch eine Jury bewertet. Das Ganze findet in der Aula einer Schule statt, einem etwas länglichen Raum. Aus dem Gefühl heraus, dass vieles klein, begrenzt und gerahmt ist, bat ich unseren damaligen Bürgermeister Albert Kling, nach draußen in den Stadtpark mit erweiterten Kunstwerken gehen zu dürfen. Es war eine kleine Version des Skulpturenpfades mit 15 Werken. Das hat bei den Menschen Interesse gefunden, von „gefallen“ möchte ich nicht sprechen, denn Kunst muss nicht immer gefallen, sondern anregen. In Abständen von zwei Jahren folgten die nächsten Skulpturenpfade. Jetzt nach vier Jahren Pause ist der 7. Friedberger Skulpturenpfad wieder von Zerstörungen betroffen. Aber wir müssen das einfach ertragen und wieder aufbauen, um ein gutes Bild zu erzeugen und den Menschen zu zeigen: Wir bemühen uns weiter.
Natürlich: Ich kann diese Idee nicht allein umsetzen. Insgesamt sind es 46 Künstler, die diesen Gedanken mittragen. Die Künstler bekommen nichts für ihre Arbeit, das Material, die Zeit. Ich habe sie um Zusammenarbeit gebeten, denn ohne sie ginge das auch nicht. Sie machen für Friedberg und für mich aus Liebe, um etwas Neues zu schaffen. Es werden jedoch nicht die älteren Werke aus den Ateliers aufgestellt, sondern wir entwickeln neue Konzepte, die wir miteinander erarbeiten. Dadurch wird aus den einzelnen Werken ein Ganzes.

myheimat Nach welchen Kriterien werden die teilnehmenden Künstler ausgewählt?
Maier Haid: Ich habe in Brüssel, in Frankfurt, in Worms und vielen anderen Städten gelebt. Deshalb pflege ich Kontakte zu vielen Künstlern. Ich habe bei dieser Präsentation auf ungefähr zwei Drittel meiner „bekannten Kollegen“ zurückgegriffen. Bei diesen Künstlern und auch den neu hinzugewonnen Künstlern weiß ich, dass sie den gemeinsamen Gedanken tragen.

myheimat Der 7. Friedberger Skulpturenpfad begann mit einem Skandal. Insgesamt elf Werke wurden zerstört. Was würden sie den Vandalen sagen?
Maier Haid: Ich würde ihnen sagen: Kommt einfach mal ins KunstWerk nach Friedberg um zu sehen, wie Kunst entsteht. Ihr solltet auch mitmachen. Und lasst euch darauf ein. Reflektiert, was wir damit zeigen wollen und seid einfach offen und tolerant. Wer wirklich nicht hinsehen kann, soll einfach auf die andere Straßenseite schauen. Diese Menschen kann man trösten: In einem Monat ist alles wieder weg. Leider. Wir veranstalten jedes Wochenende Führungen, bei denen wir auch mit den Leuten diskutieren und die Kunstwerke gemeinsam betrachten. Kommt zu den Treffen und redet mit! Lasst euch alles erklären. Die Objekte bekommen dadurch eine Bedeutung. Durch diese Werke hat sich die ganze Stadt verändert. Die zeitgenössische Kunst in einer solchen alten Stadt ist wirklich etwas Besonderes. Man sollte bedenken, dass Kunst zu jeder Zeit abgelehnt wurde. Vielleicht wurde der Marienbrunnen auch als befremdlich gesehen, aber der Mensch hat sich daran gewöhnt. Die Menschen und der Brunnen wurden eine Einheit. So ging es hier in Friedberg mit der „Dora“. Anfangs wurde diese Figur angefeindet und mit bösen Briefen verachtet, aber jetzt ist sie ein Teil von Friedberg und den Bewohnern. Wenn man sie jetzt wegnehmen würde, würde sie allen fehlen.

myheimat Sie wollen Kunst jedem zugänglich machen, denn Kunst macht toleranter. Inwiefern verändert die Kunst das Verhalten?
Maier Haid: Die Menschen sollen stehen bleiben, sich mit Formen und Material auseinandersetzen. Die Objekte verändern sich bei Licht, bei Wind und Wetter, Tag und Nacht. Man soll die Liebe des Künstlers zum Menschen erkennen, die er in das Werk gesteckt hat, um es den Menschen zu zeigen. Die Fähigkeit, Fremdes zu akzeptieren, macht tolerant. Das Zusammenleben der Menschen wäre dadurch besser. Die Kunst kann ein sonst geschlossenes Türchen öffnen und das ist wohltuend. Die Welt braucht Kunst. Jeder weiß, wie es zum Beispiel um viele Jugendliche bestellt ist. Sie trifft zwar nicht direkt die Schuld, denn die Erziehung, die sie genießen bzw. nicht genießen, ist ausschlaggebend. Dennoch geht es um Ästhetik und zwar um äußere und innere. Diese Werte bekommt man in unserer Gesellschaft zu wenig vermittelt und deshalb tragen so viele junge Menschen die Werte nicht in sich. Es sollte in jeder Stadt und in jedem Dorf Kunstschulen geben, um Kindern Aktionsfelder und handwerkliches Arbeiten bieten zu können.

Bürgerreporter:in:

Linda Weiß aus Augsburg

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