Deutschland – ein Sommermärchen im Kino

Der Film beginnt mit dem Entsetzen. „Dortmund, 4.7.2006, 23:50 Uhr“ steht da auf der Leinwand und die Kamera filmt die leeren Gesichter unserer Jungs in der Kabine ab. Der Metze, Schweini, Ballack, ein verstörter Lehmann, ein weinender Frings und man schämt sich fast dafür, wie sehr man sofort mitfühlt und mitleidet, schließlich ist es nur ein Spiel und man selbst erwachsen. Dann Schnitt und man landet mit der Mannschaft im Trainingslager in Sardinien und darf nun als 12. Mann des Teams die folgenden sieben Wochen im engsten Kreise miterleben. Und während in dieser Zeit die einzelnen Spieler zu Freunden werden, wird man selbst auch einer von ihnen. Man lacht mit den anderen Spielern, wenn Oliver Neuville - schüchtern und peinlich berührt - bei der Doping-Kontrolle einfach den Becher nicht voll kriegt, man ist selbst plötzlich Berühmtheit, als man mit Bastian Schweinsteiger das Hotel verlässt, und mit ihm wie ein Rockstar auf eine Wand von Fans zuläuft, man senkt mit den anderen betreten den Kopf, wenn Klinsi in der Kabine ausrastet, man wird zum besten Freund von Miro Klose, der partout keinen modernen Haarschnitte möchte: „Not too short, please!“, man möchte David Odonkor freundschaftlich auf die Schulter klopfen, als der mit Zahnbürste im Mund erzählt, dass er „nö, eigentlisch nischts“ geträumt hat letzte Nacht, die Liste ist so lange weiter führbar, wie der Film Szenen hat.

Man schaukelt sich hoch von Spiel zu Spiel, die selbst bloß in kurzen Clips, untermalt immer von der gleichen Musik, gezeigt werden und will eigentlich schon gar nicht mehr weiterschauen, als es dann heißt: Halbfinale. Doch zum Glück endet die WM für die deutsche Elf mit dem Spiel gegen Portugal um den dritten Platz und bei der anschließenden Feier in Stuttgart sieht man, dass wir tatsächlich die Weltmeister der Herzen waren. Doch ein Wermutstropfen bleibt, auf Film gebannt durch die Sätze von Thorsten Frings: „Wie ich mich fühle? Ich weiß nicht. Wir hatten mehr verdient.“

Ein großes Lob an den Regisseur, der es schaffte, so einen einfühlsamen, privaten Film zu drehen, ein Film, der einem die Frage beantworte, vor der man sich ein wenig fürchtete: Hatten wir uns das nur eingebildet mit dem Wir-Gefühl? All die Sätze von Jürgen Klinsmann, dass nicht nur die Spieler, sondern ganz Deutschland ein Team geworden war? Ist das im Fernsehen alles nur Show und sind „die Jungs“ in Wirklichkeit abgebrühte, eiskalte Profis, denen es nur um sich selbst geht? Eine große Show fürs Volk? Nein. Die Heldengeschichte vom Juni 2006 war eine echte Geschichte – zumindest auch in den Augen vom dem, der näher an den Spielern war, als alle anderen: Sönke Wortmann.

Bürgerreporter:in:

Boris Braun aus Friedberg

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