Die Sexualisierung des Sports in den Medien (Rezension)

Cover von "Die Sexualisierung des Sports in den Medien" | Foto: Herbert von Halem Verlag
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Wer viel Sport in den Medien konsumiert, hat einen klaren Eindruck davon, was Printmedien über Frauensport schreiben und wie Sportlerinnen im Fernsehen präsentiert werden. Wissenschaftliche Belege dazu liefern die Autoren des 10. Bandes aus der Reihe „Sportkommunikation“, mit dem vielversprechenden Titel "Die Sexualisierung des Sports in den Medien", erschienen im Herbert von Halem Verlag.

Allen voran Gertrud Pfister, die sich seit Jahrzehnten mit dem Forschungsgebiet Frauen und Sport beschäftigt. Sie geht in ihrem Beitrag auf das Kournikova-Syndrom ein, reflektiert die Vernachlässigung des Frauensports in Deutschland und informiert darüber, wie und was Sportjournalisten seit Jahrzehnten über erfolgreiche Sportlerinnen schreiben.

Guido Zurstiege gibt einen Überblick, inwiefern Männer und Männerkörper in der Werbung inszeniert werden, geht dabei jedoch nur auf zwei Seiten auf Sport ein. Roman Horak und Jörg-Uwe Nieland kommen in „Sportler als Popstars. Sexualisierung als Vehikel“ zum Ergebnis, dass sich Sportlerinnen nach Karriereende schwerer tun, ihre Wertschöpfungskette aufrecht zu erhalten als Sport-Popstars wie David Beckham oder Michael Jordan.

Nicole Selmer und Almut Sülzle beleuchten das Bild weiblicher Fußballfans in den Medien, während Dagmar Hoffmann in einer qualitativen Studie sich damit befasst, wie Teenager die Sexy Sport Clips finden. Jan Tilman Schwab widmet sich Fußballpornos mit der Feststellung, dass das Bild der Sportart im Porno stets ein korruptes ist und in vielen Fällen lediglich auf dem DVD-Cover ein Fußballbezug hergestellt wird, der im Film allerdings kaum mehr eine Rolle spielt. Zwei weitere Studien dieses interdisziplinär konzipierten Sammelbandes beschäftigen sich mit Transsexualität in der Sportberichterstattung. Dabei geht Martin K.W. Schweer in höchst wissenschaftlicher Sprache darauf ein, was es bei Studien zu Homosexualität und Transsexualität in Sportmedien zu beachten gilt, während Christoph Bertling und Holger Ihle ausführlich den den Fall Balian Buschbaum unter die Lupe nehmen, den sie über Jahre hinweg in der Qualitätspresse ausgewertet haben. Mit dem Ergebnis, dass sich Journalisten einerseits nicht sicher sind, ob sie den Stabhochspringer bei seinem Coming Out mit männlichen oder weiblichen Pronomen zu bedenken und andererseits häufig Intersexualität und Transsexualität durcheinander werfen.

Dietrich Leder gibt in „Der sexualisierte Blick in den Medien“ einen Einblick in die Geschichte der Fotografie, Schwerpunkt Eadweard Muybridge, der den sexualisierten Blick in der Fotografie etabliert hat. Das eigentliche Thema gemäß Überschrift bekommt der Leser dabei erst nach zehn Seiten präsentiert. Um Sport geht es dabei sehr marginal. Bettina Rulofs und Ilse Hartmann-Tews gliedern „Geschlechterverhältnisse in der medialen Vermittlung von Sport“ in vier Bereiche, mit dem Ergebnis: Bei Sportlerinnen wird eher auf die Optik und Ästhetik geachtet, bei Männern wird dies bis auf wenige Ausnahmen vermieden, um nicht in die homosexuelle Ecke gedrängt zu werden. Mit Schuld an der Sexualisierung von Sportlerinnen sind die Sportredaktionen, die hauptsächlich mit Männern besetzt sind, sowie die Selbstvermarktung der erfolgreichen Frauen im Sport. Um Geld als Testimonial zu verdienen und sich bei den wenigen Interessenten gegenüber anderen sehr erfolgreichen Sportlerinnen durchzusetzen, spielt der Faktor Attraktivität eben eine große Rolle.

Mit der Selbstvermarktung von Sportlerinnen beschäftigt sich auch Sport-Testimonial-Expertin Daniela Schaaf. Sie beginnt ihre Ausführungen mit dem Schwerpunkt „Körper als Kapital“ mit dem Playboy-Cover zur Frauenfußball-WM 2011, gibt dann den Rahmen der Überlegungen auf Basis der Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu und dem Begriff „erotisches Kapital“, geprägt von Catherine Hakim vor, ehe sie auf die medialen Bedingungen für die Selbstvermarktung von Sportlerinnen eingeht. Schaaf erklärt zudem, wie erotisches in ökonomisches Kapital verwandelt wird und welche Auswirkungen dieser Prozess auf den weiblichen Profisport hat.

Sascha Trültzsch hat derweil untersucht, wie sich Medaillengewinner(innen) bei Olympischen Spielen auf Wikipedia, einer eigenen Homepage und auf Facebook illustrieren (lassen). Gerade dieses Kapitel ist allerdings ein gutes Beispiel dafür, dass eine weitere Korrekturschleife seitens des Halem Verlages sinnvoll wäre, wie folgender Satz verdeutlicht: „Dass die abgebildete Person eine Sportlerin ist, gerät dabei in den Hintergrund, wird ganz bedeutungs.“ (S. 197). Auch ein mathematischer Fehler steckt in diesem Kapitel auf Seite 200. Von 121 Sportlern auf Wikipedia kommen 49 ohne Foto aus, während 73 ein Bild haben. In Prozent ausgedrückt sind das bei Trültzsch 40 und 60, was allerdings nichts daran ändert, dass 73 plus 49 die Zahl 122 ergibt.

Es ist nicht die einzige kommunikationswissenschaftliche Arbeit im Sammelband „Die Sexualisierung des Sports in den Medien“, die kleinere (Tipp-)Fehler aufweist, wie sie der Kunde von Wissenschaftsbüchern nicht erwartet. Manche Formulierungen sind schwer zu verstehen, wie im Fazit von Daniel Beck und Steffen Kolb, die nur marginale Unterschiede in der Berichterstattung über Individualsportlerinnen aus der Schweiz bei Qualitäts- und Boulevardzeitungen feststellen. Lange grübeln darf der Leser beispielsweise über diesen Satz: „Die zweite Hypothese, nach der die Berichterstattung über Wintersport wegen der Schutzkleidung und daher der fehlenden Möglichkeit, Sportlerinnen bereits im Wettkampf über weibliche Ausstrahlung und Attraktivität in Szene zu setzen, stärker von Aspekten außerhalb des Sportereignisses geprägt sein müsste, muss als widerlegt angesehen werden. Im Gegenteil werden die Attraktivität und die Weiblichkeit der Athletinnen bei den Sommersportarten der Leichtathletik-WM deutlich stärker thematisiert.“ (S. 189).

Fazit:
Obwohl deutlich kürzer als Band 9, hat „Die Sexualisierung des Sports in den Medien“ seine Längen. Schon dem Einleitungskapitel der Herausgeber Daniela Schaaf und Jörg-Uwe Nieland hätte ein paar Seiten weniger gut getan. Eine weitere Einführung in die Thematik von Robert Gugutzer mit dem Kerninhalt „Körperpolitiken des Sports“ ist ein gekürzter Vortrag und dennoch für den Sammelband recht langer Beitrag, der hauptsächlich die Theorien von Michel Foucault beleuchtet. Wer regelmäßig Sportmedien konsumiert und womöglich gar einen Marketing-Hintergrund hat, wird in diesem Sammelband leider wenig finden, was er nicht ohnehin schon glaubt, zu wissen.

Band 9 der Reihe "Sportkommunikation" aus dem Herbert von Halem Verlag beleuchtet das Verhältnis zwischen Sport und Werbung.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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