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Sohnreyweg: Umbenennung ist blinder Aktionismus

Eine nüchterne Mitteilung der Stadt Springe: Der Ortsrat habe beschlossen, den Sohnreyweg umzubenennen. Ohne Anwohnerbefragung. Einfach so, obwohl die NDZ am 17. Februar mitteilte, Ortsbürgermeister Marock wolle zuvor mit Anwohnern und Verwaltung sprechen. Es blieb ein leeres Versprechen.

Welche Macht glatte Sätze ausüben, hat sich wieder einmal bestätigt. Der Göttinger Geschichtshygieniker Frank Möbius will herausgefunden haben, dass Heinrich Sohnrey Nazi gewesen sein soll. Doch seine Wertungen schrieb er im Konjunktiv. Habe, könnte, dürfte, müsste – damit ist nicht Niet- und Nagelfest bewiesen worden, dass Sohnrey Nazi war. Es bleibt lediglich die Vermutung. Unseren Lokalpolikern schienen die Tatsachenbehauptungen des Herrn Möbius gereicht zu haben, den Stab über den Verblichenen zu brechen. Allerdings haben glatte Sätze das Problem, dass man auf ihnen ausrutschen kann. Was hat Möbius denn Neues zur gesellschaftlichen und moralischen Hygiene beigetragen? Nichts! Denn dass Sohnrey zu den geistigen Mitläufern des Nationalsozialismus zählte, musste selbst den Springer Namensgebern seinerzeit bekannt gewesen sein.

Was mich verwundert ist die Tatsache, dass der 1934 zum Ehrenbürger der Georg-August-Universität Göttingen ernannte Sohnrey am Ende des Krieges, als die Erinnerungen noch frisch waren, nicht gleich mit Schimpf und Schande aus allen Ehrungen verbannt worden ist. Auch nach dem Naziregime und trotz der anhaltenden Erinnerungen wurden in vielen Orten Straßen mit seinem Namen ausgestattet, etwa in: Berlin, Dransfeld, Adelebsen, Neuhaus im Solling, Hattorf am Harz, Osterode am Harz, Moringen, Göttingen, Bad Lauterberg im Harz, Rosdorf, Holzminden, Lauenförde, Bovenden, Hardegsen, Bodenfelde, Lauenberg, Kreiensen, Bad Karlshafen, Alfeld, Uslar, Boffzen, Höxter, Hellental, Berlin, Northeim, Letter, Celle, Springe, Brakel, Gronau, Todenmann, Sibbesse, Jühnde, Eime. Und in Springe wurde erst 1958 ein Weg nach ihm benannt.

Unbestritten ist, die Verfolgung der Juden und deren sinnlose Ächtung, Vertreibung und Tötung und Sühne hat unsere Nation nachhaltig geprägt. Die Greuel werden unvergessen bleiben. Aber heilen wir längst Vergangenes, indem wir Mitläufer beginnen zu verbannen? Wie etwa Heinrich Sohnrey?

Viel eher müssten wir uns an die Ikone Richard Wagner wagen. Er war bekennender Antisemit. 1869 veröffentlichte Wagner die Broschüre „Das Judenthum in der Musik“. Jedes Jahr pilgern Heerscharen an geistig Gebildeten, Politikern, Historikern, Unternehmern, Soldaten, Diplomaten und Ehrengästen aus aller Herren Länder nach Bayreuth, um Richard Wagner ihre Referenz zu erweisen. Bislang ist kein Wort gefallen, den musikgewaltigen aus seiner Walhalla zu vertreiben. Und doch – er ist und bleibt ein früher Antisemit, wie ein Zitat aus besagter Broschüre belegt: „…das unwillkürlich Abstoßende, welches die Persönlichkeit und das Wesen der Juden für uns hat, zu erklären, um diese instinktmäßige Abneigung zu rechtfertigen, von welcher wir doch deutlich erkennen, dass sie stärker und überwiegender ist, als unser bewusster Eifer, uns dieser Abneigung zu entledigen.“

Es gibt also keine sachliche Begründung für Springe, den Namen Sohnreys zu tilgen, es sei denn, man würde sofort auch den Wagnerweg im Komponistenviertel in Springe umbenennen. Das wäre nur folgerichtig. Aber: wie Wagner mit seinem musikalischen Erbe hat auch Sohnrey als Pädagoge und Literat mehr Gutes als Schlechtes hinterlassen. Anstatt die Namen zu tilgen, sollten sie vielmehr Mahnung bleiben für all jene, die sich allzu schnell für etwas, vielleicht sogar für Falsches begeistern. Damit wäre allen nachhaltig gedient. Der Ortsrat sollte seine Entscheidung revidieren, will er sich nicht blamieren.

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