Dabei sein ist alles: Komparsen beim König-Ludwig-Film

wir wurden gut verpflegt - das Catering war bestens, auch an Getränken mangelte es nicht.
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  • wir wurden gut verpflegt - das Catering war bestens, auch an Getränken mangelte es nicht.
  • hochgeladen von Margret Ottner

Ende August letzten Jahres, beim abendlichen Zeitungslesen hab ich das Gesuch nach Komparsen laut vorgelesen.
Mein Lebensgefährte war sofort Feuer und Flamme: Männer zwischen 40 und 60, mit Bart oder Koteletten, Frauen im gleichen Alter mit langen, nicht gefärbten Haaren wurden gesucht.

Da fahr' mer hi – haben wir kurzerhand beschlossen: am Samstag, den 10.09.11 war das Casting in einem Hotel in Füssen.
Wir sind schon am Freitag abend mit dem Wohnmobil nach Füssen gefahren. Da wir so aufgeregt waren, sind wir noch am Freitag abend zum Hotel gegangen und haben nach dem Raum gefragt, wo am Tag drauf das Casting sein sollte: zwei Tische, ein paar Stühle, sonst nichts.

Wir waren am Casting- Tag zeitig dran, aber : was anziehen, wie kommt man besser an?
Nun ja, das war völlig egal.
Es haben schon ca. 10 Leute gewartet, da kamen zwei Frauen mit kritischem Blick und haben jeden von den Wartenden eingehend inspiziert.
Die gefärbten langen, dunklen Haare einer Wartenden hatten leider keine Chance, auch wenn die Enttäuschung groß war. Die hochauflösenden Kameras würden gefärbte Haare erkennen lassen am Ansatz- so die Erklärung.
Meine Haare wurden als zu kurz befunden. Nur wenn es ein farblich passendes Haarteil gäbe, hätte ich eine Chance.
Wir mussten alle einen Fragebogen ausfüllen und geloben, die Haare bzw. Koteletten und Bart wachsen zu lassen, sowie Konfektions- sowie Schuhgröße angeben. Auch ich habe trotz der zu kurzen Haare den Bogen ausgefüllt. Jeder wurde fotografiert- in 10 Tagen, so hieß es, werden wir angerufen und bekommen Bescheid.

Bei jedem Anruf hofften wir, dass es der ersehnte wäre.
Endlich kamen die Anrufe- wir hatten Glück- sie nahmen uns beide, es war für beide derselbe Drehtermin- und - dieser lag in meiner Urlaubswoche.

Eine Woche später war Anprobe in Schwangau.
Da wir erst nach der Arbeit losfahren konnten, haben wir einen Termin um 17.30 Uhr reserviert.
Einige warteten schon und wir wurden nacheinander aufgerufen.
Ich wurde vorwurfsvoll gefragt, ob ich inzwischen meine Haare abgeschnitten hätte. Nein, murmelte ich kleinlaut, sie waren nur kaum gewachsen. Doch ich hatte großes Glück: es fand sich ein Haarteil, das exakt meiner Haarfarbe entsprach.
Ein Saal, vollgestellt mit vielen meterlangen Kleiderständern, Schachteln voller Schuhe, Helme, Hüte, Gürtel, Waffen usw. erwartete uns auf der einen Seite, auf der anderen war die Maske: Einige Plätze mit riesigen Spiegeln, jede Menge künstliche Bärte, Haarteile, Haarnadeln etc.
So wurden wir nach und nach als Bürger eingekleidet: Hemden mit Manschettenknöpfen, Hosenträger, Leibchen, Hut, Mantel bei den Männern- meiner sah richtig gut aus, der Bart und die Koteletten sind inzwischen gut gewachsen.
Die Kleidung war passend aus der Zeit um 1886, in der unsere Szene spielte, also kein Reißverschluss und Schuhe mit Ledersohlen, teils genagelt, alle unbequem.

Ich war jedoch maßlos enttäuscht: von den vielen Bürgerinnenkleidern in edlen Stoffen passte mir kein einziges: hinten klafften die Hafteln viele Zentimeter auseinander.
Ich meinte kleinlaut, dass ich doch meine Größe angegeben habe- doch leider kamen statt Größen 38-44 nur Gr. 34-40, und weil wir spät dran waren, war die Auswahl deswegen schon begrenzt.

Es wurde dann ein unscheinbares, dunkelbraun feingestreiftes grob wirkendes Kleid in einem Wolle-Baumwolle- Stoff, mit brauner Joppe und gestricktem Wolldreieckstuch- kein bisschen bürgerlich- bäuerlich. Ins Haar ein Häubchen, drunter das Haarteil.
In der Maske wurde uns gleich gesagt, dass Schminke und Lippenstift am Drehtag tabu sind, da dies nicht in die Zeit und zu den dargestellten Bürgern passt. Um so mehr wurde an den Haaren gearbeitet: Kunstvolle Frisuren mit vielen Haarnadeln, auch das Haarteil musste so gut sitzen, dass es beim stundenlangen Tragen nicht drückt.
Den Männern wurden sogar die Koteletten in Wellen gelegt- stilecht für die Zeit.
Nach Kostümbüchern und Modeheften aus der Zeit wurden Kleidung und Frisuren gestaltet.

Zuletzt bekam jeder von uns eine Nummer, wurde mit dieser fotografiert, unter dieser Nummer wurde die Kleidung für den Drehtag abgelegt- also diese gut einprägen, nur ja nicht vergessen!
Wir haben uns gegenseitig fotografiert- und auch den auf der Rückseite des Nummernzettels entdeckten Drehplan abgelichtet.

So warteten wir gespannt auf den Drehtag. Doch der wurde zunächst vom 06.10. um einen Tag verschoben- doch an diesem Tag hätte ich dann auf die Geburtstagsfeier meiner Freundin verzichten müssen.
Doch das Wetter kam mir zu Hilfe: da für die Nacht vom 06. auf den 07.10. ein Wettersturz angesagt war, wurde der Dreh doch vorverlegt auf den vorgesehenen 06.10.11.

Es war ein besonderer Dreh: nachts und vor dem Schlosstor von Neuschwanstein.
Wir mussten schon um 17 Uhr da sein.
Es war ein wunderbarer Herbsttag. Um 17 Uhr fanden sich ca. 45 Personen ein, alle warteten drauf, bis sie nacheinander erst in die Garderobe, dann in die Maske kamen.
Was bist Du? Auch ein Bürger? Es waren auch einige Gendarmen dabei und Königliche Leibgardisten. so haben wir uns die Warterei damit verkürzt, uns etwas kennenzulernen.

Durch den Drehplan wussten wir etwas mehr als die anderen: es war der 43. Drehtag, an diesem Tag wurden 88 Komparsen benötigt! Es ging um eine Konfrontation vor dem Schlosstor.

Alle Klamotten waren unter der eigenen Nummer abgelegt, das anziehen war schon eine Prozedur, da wir wegen den Hafteln statt moderner Reißverschlüsse Hilfe benötigten.
In der Maske auch wieder die gleichen Friseure wie bei der Anprobe. Doch: wie sehen die anderen aus? Es war spannend zu beobachten, wer aus jedem geworden ist:ein Gardist, Bürger, Feuerwehrmann oder? Einer ist spontan als Feuerwehrmann eingesprungen, eigentlich war nur seine Frau dabei.
Wir wurden dann gegen 18.30 Uhr mit einem großen Bus bis zum Ticketverkauf gefahren, von dort mit Kleinbussen zum Schloss hinauf gebracht.
Wir bekamen zunächst zu Essen, zwei verschiedene Gerichte, mit Vor- und Nachspeise, zu trinken gab es Wasser, so viel wir benötigten- doch halt- nicht zu viel, die Toiletten waren weit entfernt!

Uns wurde eingeschärft, dass sich keiner mehr als 10 Meter entfernen darf ohne Abmeldung. Jeder sollte auf seine Accessoires gut aufpassen: Hüte, Waffen, Helme, Täschchen etc.
Dann hieß es erst mal warten.
Gegen 22 Uhr dann der erste Dreh: alle Mann hinauf zum Schlosstor. Die Regisseure haben uns die Szene erklärt, alle passend aufgestellt. Graf Holnstein und Dr. von Gudden kamen mit Gendarmen aus München um den König zu arrestieren und abzuholen. Die Bürger mussten bei der ersten Szene lauthals und mit Gegenwehr protestieren, worauf Holnstein und Gudden wieder abziehen.
Bei der zweiten Szene das gleiche zwei Tage später- doch nur noch mit stummem Protest.
Der Ruf von Graf Holnstein: Zurücktreten ! hallt gellend in die Nacht, alles ist mucksmäuschenstill. Die nahe Felswand gibt ein beeindruckendes Echo.
Eine dramatische Szene- und wir dabei! Und dürfen unseren König verteidigen!
Die Regisseure und ihre Anweisungen, alles war spannend. Ständig kontrollieren die Leute von der Maske, ob jeder Bart, jede Frisur sitzt und zupfen da und dort alles zurecht.
Wir sollten protestieren: was wir sagten, war uns überlassen, es sollte alles natürlich wirken.
Einige Proben, dann heißt es: Klappe, die erste, Set. Die zweite folgt und noch einige, bis die Regisseure zufrieden sind und die Szene endlich im Kasten ist. Die Regisseure holen uns beide nach vorn, wir sind gut zu sehen.

Gegen Mitternacht gibt es erneut etwas zu essen, wir werden bestens versorgt.
ca. um 1 Uhr kommen wir zur zweiten Szene dran- wir sind hinten drin - unsichtbar.
Da kommt Nieselregen auf- wir bekommen Regenhüllen, die wir alle paar Minuten an- und ausziehen, zuletzt nur noch oben drüber halten- die kostbaren Kleider, Helme und Waffen sollen nicht durch die Nässe leiden.
Die Füße tun schon weh und wir hoffen, dass es bald geschafft ist- da verspricht sich Holnstein, und es muss wiederholt werden. Bei der ganzen Massenszene sind nur zwei Schauspieler dabei, ansonsten alles Komparsen.
Endlich, gegen 2 Uhr morgens ist der Dreh beendet. Doch wir sind noch lange nicht fertig. Ca. 60 Leute warten unter Zelten, bis sie endlich im Neunsitzer- Kleinbus nach Schwangau zur Garderobe zurückgefahren werden. Es ist recht kalt geworden, der befürchtete Wettersturz, jetzt bin ich um mein Wollkleid und die Joppe dankbar. Die Frauen in den dünnen Seidenkleidern bibbern ganz schön.
Dicht gedrängt warten wir, bis der nächste Kleinbus kommt- ob wir diesmal dabei sind? es können immer nur acht Leute mitfahren.
Endlich in der Garderobe, warne ich noch eine von den Mädels dort, sie solle die Schuhe mit den
aufgeweichten Ledersohlen doch ja nicht in Plastiktüten stecken, die schimmeln sonst.
Endlich die inzwischen doch recht drückenden Haarnadeln raus, welche das Haarteil befestigt haben, auch die doch etwas feucht gewordenen Kleider legen wir gerne ab.
Es ist 3.30 Uhr morgens, als wir endlich fertig sind- und froh, dass unser Wohnmobil gleich um die Ecke wartet.

Ein langer Tag und eine wunderbare Erfahrung, Teil dieses Films sein zu dürfen.
Und jetzt über ein Jahr lang warten, bis er nun endlich in die Kinos kommt.
Man sagte uns, dass für die nächsten 30 Jahre bestimmt dieser Film über den König Ludwig das Maß der Dinge sein werde – und wir durften dabei sein!
Wir haben ja nur zwei Schauspieler gesehen und kennen nichts von den anderen Szenen.
Ein paar Wochen später dann unser Komparsenlohn auf dem Konto: 90 Euro, inkl. Fahrgeld für die Kostümprobe und Überstunde. Wir hätten auch ohne Bezahlung mitgemacht- die Erfahrung hat uns viel reicher gemacht als das Geld.
Am nächsten Tag war es kalt morgens und fast hatten wir den Eindruck, dass es nachts geschneit hat. Wir gingen noch einmal hinauf zum Schlosstor. Besucherandrang wie immer, auch an diesem Tag. Doch die Baustelle auf der Schloßauffahrt- die war nicht mehr zu sehen- war anscheinend nur für den Film- haben wir nicht bemerkt nachts, sah täuschend echt aus.
Wir standen da, wo wir nachts Holnstein schreien hörten- und alles kam uns vor wie ein schöner Traum, den wir durchlebten. Doch es war Wirklichkeit. Wir waren dabei!
Viele Fotos erinnern uns daran.

Und heute abend ein mail von Komparsen-Kollegen aus Seeg: In Füssen kommt der Film schon am Sonntag, den 16.12. ins Kino- uns sie haben auch für uns Karten ergattert.
Wir sind begeistert und gespannt wie damals vor dem Dreh.

kleine Ergänzung- vgl. auch mein Kommentar unten:
wir waren inzwischen in Füssen bei der dortigen Premiere von BR Kassik, herzlichen Dank für die Karten noch an Familie Dopfer aus Seeg.
Dort haben wir einige der Komparsen- Kollegen wiedergetroffen - so zwischen 10 und 15 dürften anwesend gewesen sein.

Eigentlich wäre mehr Applaus fällig gewesen- wahrscheinlich waren aber noch einige sehr bewegt vom Film und noch gar nicht in der Stimmung für Applaus.
die Fernsehleute haben hinterher einige von uns Komparsen interviewt- zumindest drei von uns waren in kinokino zusehen, auch mein Lebensgefährte Walter Gollmann.

Wir waren von dem Film sehr berührt, auch wenn wir nur eine unserer beiden Szenen für Sekundenbruchteile gesehen haben. für alle anderen Komparsen als Trost: unsere zweite Szene vor dem Schloßtor von Neuschwanstein kommt vielleicht in der dreistündigen Langfassung fürs Fernsehen- wohl als Mehrteiler - die Kinofassung dauert ja nur ca. zwei Stunden- so sagten es mir jedenfalls die BR-Leute beim Interview.
diese Aufnahmen kamen am Mittwoch den, 19.12. 12 um 23.15 Uhr in der Sendung kinokino im bayr. Fernsehen. in der BR-Mediathek kann man unter http://mediathek-video.br.de/B7Mediathek.html?bcco... auch die Sendung ansehen oder als podcast herunterladen, dort auch das hochinteressante "making of" zum Film: http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/s...
Inzwischen waren wir ab 24.12. öfters in diversen Lokalausgaben auch in der AZ zu finden, z.B. im "Landboten" für Gersthofen: http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/...
Wir haben den Film ein zweites Mal gesehen inzwischen, da sieht man viel mehr Details als vorher: " Unsere Szene ist nur sehr kurz zu sehen, ein wahrnehmen einzelner Personen wäre fast nur beim Standbild möglich. Aber unser lautstarkes Protestgeschrei, das hört man ganz gut in der darauffolgenden Szene, die die Innenseite des Schloßportals zeigt mit vielen Waffenläufen.
Ein Dank noch an Peter Dopfer, der mir auch seine Bilder hier zum Veröffentlichen zur verfügung gestellt hat.
Und nun wünsche ich allen gute Unterhaltung beim Film!

Bürgerreporter:in:

Margret Ottner aus Gersthofen

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