Nachklapper: 8. bzw. 9.Mai 1945 - Tag des Sieges, Tag der Niederlage, Tag der Befreiung?

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Alles ist richtig, der 8. bzw. 9.Mai 1945 mit den letzten Unterschriften unter die Kapitulationsdokumente war alles: Tag des Sieges, Tag der Niederlage, Tag der Befreiung, je nach Sichtweise, je nach zeitlichem Abstand. Am 8. bzw. 9.Mai jedenfalls endete der Zweite Weltkrieg in Europa.

Denke ich an Deutschland 1945, so dürften die meisten Menschen dort den Tag als Tag der Niederlage empfunden haben, folgten sie doch dem nationalsozialistischen Regime, dem sie geglaubt hatten, viele total überzeugt, viele ihrem nationalen Stolz folgend, viele sich arrangierend, viele aus Unwissenheit. Die Nazipropaganda hatte die meisten Menschen erfolgreich auf Linie gebracht. Wurden die einmarschierenden Alliierten als Befreier gefeiert? Erst später dürften sich viele Deutsche, als ihnen die Augen geöffnet wurden, geschämt haben. Verdrängung wurde gängige individuelle Reaktion, die in den Sechziger Jahren einen Generationenkonflikt hervorrief.
Aber es gab im Mai 1945 wohl auch Menschen, welche die Kapitulation überhaupt nicht als Tag der Niederlage empfanden, wohl schon damals als Tag der existenziellen Befreiung, dazu gehörend Widerständler und Verfolgte, aber auch diejenigen, die sich bewusst um ein richtiges Leben in einem falschen bemüht hatten, wie schwer es auch war. 

Denke ich an die Alliierten 1945, so empfanden sie den Tag wohl unisono als Tag des Sieges, eines Sieges über ein unbarmherziges, expansives, angeblich um Lebensraum ringendes, mörderisches und rassistisch orientiertes nationalsozialistisches  Deutschland, das viel Unheil in die Welt getragen hatte und im sechsten Kriegsjahr an weiteren Untaten gehindert werden konnte. Die USA, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Frankreich erinnern an den Tag der deutschen Kapitulation nicht so sehr wie Russland, für das der Sieg im so genannten Vaterländischen Krieg eine viel nachhaltigere Rolle bis auf den heutigen Tag spielt.

Als ich Anfang der Achtziger Jahre als Junglehrer mit Schülern, von denen auch damals schon viele Migrationshintergrund besaßen, über die Thematik ins Gespräch kam, habe ich als Nachkriegsgeborener stets betont, wie sehr ich als Deutscher über den verlorenen Krieg glücklich sei, worauf mich manche erstaunte Gesichter anschauten. Ich erklärte den Schülern, welches weitere Unheil für die Welt dadurch abgewendet werden konnte. Für mich war und ist heute noch der 8.Mai ein Tag der Erleichterung

Ja, der Tag der Befreiung, der es für die Verfolgten und Widerstandskämpfer wohl schon 1945 war, diese Begrifflichkeit wurde erst Mitte der Achtziger Jahre durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in die deutsche Öffentlichkeit eingepflanzt. Für nicht wenige sicherlich ein umstrittener Begriff, der aber großes Potenzial entfalten konnte. Für die einen war plötzlich nicht mehr von einer Niederlage die Rede, sondern von Befreiung, eine unerwartete Chance für alle Wendehälse, aber auch eine Labsal für die Seele der Deutschen. Darüber hinaus war für den 8.Mai ein universeller Begriff geschaffen worden: Die Welt wurde vom Nationalsozialismus befreit. Hinter dem Begriff Tag der Befreiung können sich nicht nur die Deutschen, sondern kann sich die gesamte Welt versammeln.

Nachtrag: Der Beitrag wurde von mir als Westdeutschem geschrieben und hatte, was die Nachkriegszeit in Deutschland betrifft, besonders die Bundesrepublik im Blick. Es sei deshalb angemerkt, dass die DDR ihre eigene Aufarbeitungsgeschichte hatte. Dort galt der 8.Mai schon recht früh als "Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus". Wer dazu etwas schreiben möchte, ist im Kommentarverlauf herzlich dazu eingeladen.

Bürgerreporter:in:

Helmut Feldhaus aus Rheinberg

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