Brechtfestival 2013 – eine Nachlese

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Bertolt Brecht ist der berühmteste Sohn der Stadt Augsburg. Inzwischen hat sich das Brechtfestival in der Fuggerstadt im vierten Jahr etabliert. Dank BR Alpha und 3Sat ist es sogar ein bisschen über den Stadtrand hinaus zum kulturellen Aushängeschild geworden. Im Jahr 2013 lag der Fokus auf dem jungen Brecht, dem Augsburger Brecht, der radikalen Schaffensperiode des Schriftstellers mit den provokanten Ansätzen. Die zehn Tage auf den Spuren des begnadeten Literaten zählten zweifellos zu den besten und abwechslungsreichsten Programmen, die das Brechtfestival seit seiner Feuertaufe 2010 (davor fand der Vorläufer abc-Festival drei Mal statt) erlebt hat.

Einen großen Anteil am Gelingen des Festivals hatte die Zusammenarbeit zwischen künstlerischem Leiter Joachim Lang und dem Theater Augsburg um Intendantin Juliane Votteler. Schlimm wäre es gewesen, wenn die taufrische Theaterspielstätte Brechtbühne ohne Einsatz beim Festival geblieben wäre. Sie wurde bei der Premiere und einer weiteren ausverkauften Vorstellung des verstörenden Stückes „Im Dickicht der Städte“, inszeniert von der Israeli Ofira Henig, mit Zuschauern gefüllt. Den Abschluss am 10. Februar 2013 bildete dort das Konzert von Kat Frankie (erst allein, dann mit bis zu fünf Kollegen), die ihren eigenen Geräusche auf der Bühne einspeicherte und sich in einem experimentellen Song auf Deutsch versuchte. Die Australierin stemmte den Festival-Ausklang gemeinsam mit "Toby Hoffmann und das neue Nichts", die das musikalisch wie textliche faszinierende „Ich wache auf und wundere mich“ vortrugen. Auch im Großen Haus des Stadttheaters drehte sich viel um Brecht, war die Spielstätte doch der Dreh- und Angelpunkt der Langen Brechtnacht, unter anderem mit Auftritten des aufstrebenden Songwriters Max Prosa und der Ingolstädter Indieband „Slut“. Im Hoffmannkeller ließ derweil Iris Romen mit Band Brecht in ihre Musik einfließen.

Tote Literaten zum Leben erweckt

Musikalisch mit Brecht auseinandergesetzt hatten sich einmal mehr MISUK. Das lokale Quartett mit dem originären Sound ist ein Kind des Festivals, bringt vier verschiedene Nationen gemeinsam auf die Bühne und schlug beim Poetry Slam „Dead or Alive“ im Gögginger Parktheater die Brücke zum Thema. Fünf Schauspieler performten dort Texte von verstorbenen Literaten im weiteren Sinn und duellierten sich mit lebendigen Größen der Slam-Szene: Anton Tchechow erteilte einer Gouvernante eine Lektion, Ulrike Meinhof demonstrierte für die Unterscheidung zwischen Protest und Widerstand und Ernst Jandl sprachvögelte sich mit „Du alter Arsch“ ins Finale. Sie setzten sich gegen Anselm Neft, Alexander Ratschinskij als Ersatz für den unzuverlässigen Moritz Kienemann und Stefan Schmitzer durch. Für die lebenden Autoren punkteten Theresa Hahl und Renato Kaiser bei der fünfköpfigen Jury. Mit „Pygmalion Reloaded“ setzte sich Kaiser in der von Michel Abdollahi scharfzüngig-großstädtisch moderierten und dem Augsburger Feuilleton-Sternchen Lydia Daher kuratierten Veranstaltung im Finale gegen den von Martin Herrmann verkörperten Jandl durch. Den Weg ins Parktheater fanden zum Poetry Slam übrigens überwiegend junge Menschen.

MTG-Schüler und Nachwuchsrapper auf brechtigem Kurs
„Wir wollen ihn neu entdecken. Viele Jugendliche haben Brecht thematisiert“, freut sich Festivalleiter Lang darüber, dass die Bevölkerung bereit ist, sich mit dem Schriftsteller zu beschäftigen. So haben Schüler der Klasse 10b des Maria Theresia Gymnasiums, anspornt und angeleitet von Katrin Fellner, Gerald Fiebig, Susanne Reng und Jörg Weber, den Mittwochabend im Hoffmannkeller bei „Im Dickicht der Texte: Der lyrische Sound der Stadt“ gestemmt. Aber auch Hip Hop, Jugend und Brecht lassen sich vereinen – so geschehen bei der ausverkauften Eröffnungsveranstaltung „15 Cent Gangsta Rap“ von Robin Haefs und Vincent Stein. Nur Nachwuchskünstler unter einem Brecht-Schleier auftreten zu lassen, genügt allerdings nicht, um den Literaten in dessen Anfangszeit neu zu entdecken. Da müssen sich schon Aufführungen um sein Frühwerk drehen.

Diesem Anspruch wurde Lang gerecht: Gleich fünf Theaterstücke des jungen Brecht wurden gezeigt. In der Barfüsserkirche brachte Brechts Enkelin und Regisseurin Johanna Schall sein einst in der Schülerzeitung „Die Ernte“ des Peutinger-Gymnasiums veröffentlichtes Stück „Die Bibel“ zur Uraufführung. Das Staatsschauspiel Dresden präsentierte unter der Regie von Friederike Heller „Die Dreigroschenoper“ im Großen Haus. Hinzu kamen neben „Im Dickicht der Städte“ noch die Produktion „Enemy Alien Brecht“ des S'Ensemble-Theaters sowie „Baal“ von und mit Thomas und Arthur Thieme. Ein kurzweilig-schauriges Vergnügen und gleichsam tolle Idee war die Brechtgeisterbahn, wenngleich der finale „Thriller“, eine Performance der menschlichen Figuren zum gleichnamigen Hit von Michael Jackson den düsteren Gruselfaktor auflöste.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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