Nostalgische vorweihnachtliche Erinnerungen

Wenn Mutter backen wollte, war für uns Kinder immer ein besonderes Erlebnis vorprogrammiert und eine artige Stille lag über der gesamten Wohnung. Naschen war angesagt, denn wer am leisesten war, durfte die Schüsseln auskratzen. Im Küchenherd knackte das Holz, auch im Sommer, welches für die Temperaturen in der Backröhre verantwortlich war und ein angenehmer Duft durchströmte die ganze Wohnung, nicht von Kuchen, sondern von brennendem Holz. Dass ein Backtag anstand, hatte sich bereits am Vortag bemerkbar gemacht, da einer von uns Jungs für einen Groschen Hefe beim Bäcker, der nur einen Straßenzug weiter seinen Laden hatte, holen musste. Am frühen Morgen stand nun die Mutter vor dem Küchenschrank und suchte die Utensilien zusammen, die für ein schmackhaftes Gebäck von Nöten waren. Da waren das Mehl, Margarine und der Zucker, welches auch damals schon reichlich zur Verfügung stand, Milch musste frisch geholt werden, da ein Kühlschrank noch unerschwinglich war. Dazu kamen dann die Früchte der Saison, sodass für die gesamte Woche ein gutes Stück Kuchen zur Verfügung stand.

Nun kehrte jährlich eine Zeit wieder, in welcher der Backtrieb unserer Mutter zu einer ernsten Belastungsprobe für die ganze Familie, besonders aber für den Vater, wurde. Und diese Zeit fing so etwa 6 Wochen vor Weihnachten an. Die bereits erwähnten Backutensilien wurden zusammengesucht, blockierten in der Küche den Tisch und die Ablagen, und waren überall dort zu finden, wo sie gerade nicht gebraucht wurden. Wer nun der Meinung ist, dass die große Weihnachtsbäckerei losgehe, der hat sich mächtig geirrt. Wir brauchten keine Hefe holen und die gebunkerte Milch war zum Trinken angeschafft. Auffällig war nur, dass die Mutter immer nervöser wurde, laufend zum Fenster rausschaute und ständig fragte, ob denn das Paketauto schon durch sei. Eine Handvoll Kleingeld lagerte griffbereit in ihrer Kittelschürze, die übrigens ein Geschenk des Vaters vergangenes Weihnachten war, und harrte darauf, den Besitzer zu wechseln.

Irgendwann war es dann aber, soweit, es klingelte und der Paketmann stand vor der Tür. Vater verfrachtete uns Kinder in die Küche, mit der Auflage, uns ja nicht zu mucksen oder gar den Raum zu verlassen, während Mutter wiederum die Treppen runter stürzte und beinahe noch fiel, um ein Päckchen entgegen zu nehmen. Es war ein Behältnis von beachtlicher Größe auf dem deutlich zu lesen stand: „Geschenksendung, keine Handelsware“. Umständlich und betont langsam, denn jeder der verstohlen hinter dem Fenster den Vorgang beobachtete, sollte ja diese Aktion sehen, suchte sie nach dem Geld, bedankte sich und schleppte das Unikum nach oben. Das ging nun andauernd so und wir befürchteten schon, dass sie über die viele Auspackerei das Backen vergessen könnte. Eines Tage aber, es war so 3 Wochen vor Weihnachten, rief sie uns unmittelbar nach Empfang einer Geschenksendung in die Stube und rief fröhlich, dass einer nun Milch und der andere die Hefe zu besorgen hätte. Auf dem Tisch standen verschiedene Beutel und andere Behältnisse, manche schon angebrochen, in denen sich Zitronat, bittere und süße Mandeln, Sultaninen, Vanilleschoten und Korinthen befanden. Eine Flasche Rum, die ebenfalls in dem Paket war, wurde vom Vater gegen eine Flasche Weinbrand, übrigens ein Geschenk von der Mutter vergangenen Weihnachten, eingetauscht, mit der Bemerkung, selbige vor unberechtigten Zugriffen schützen zu wollen. Diese ganzen Utensilien wurden in die Küche transportiert, Milch war geholt, die Hefe auch, und der Stollen- und Plätzchenbackerei stand nun nichts mehr im Wege …

Bürgerreporter:in:

Karl Heinz Winkler aus Naumburg (Saale)

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