Politisches Horror-Zugabteil auf dem Tollwood

Gsottmaier (Uli Bauer), Filser (Helmut Schleich) und Dobler (Alexander Liegl) schauen sich heiße Handyfotos an. | Foto: Bernd Wackerbauer
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  • Gsottmaier (Uli Bauer), Filser (Helmut Schleich) und Dobler (Alexander Liegl) schauen sich heiße Handyfotos an.
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Regisseur Rainer Prause bringt den von Robert Urban bearbeiteten Bauernschwank „Erster Klasse“ frei nach Ludwig Thoma ins MUH-Zelt auf dem Tollwood-Festival. Damit hat das Tollwood zum 25. Jubiläum erstmal eine eigene Theaterproduktion. Viele Lacher erntete das mit Helmut Schleich u.a. hochkarätig besetzte Ensemble bei der Premiere am Freitag, wenngleich nicht alle Zuschauer von dem Stück mit aktuellem Gegenwartsbezug begeistert waren.

Der ICE nach München fällt aus. Stattdessen muss der versnobte und ständig telefonierende Image-Berater Stüve (Thomas Wenke) den IC nehmen. Natürlich fährt er „Erster Klasse“. Mit ihm im Abteil: Ein fränkischer Ministerialdirigent des Kultusministeriums (Philipp Moll). Im Verlauf des Stücks gesellen sich an den Haltestellen weitere Passagiere hinzu. Zunächst steigt das etwas dümmliche, von einem Radiomoderator mit platten Wortspielen begeisterte Paar Dobler (Alexander Liegl und Constanze Lindner), das die Reise gewonnen hat, ein. Dann kommt der korrupte Landtagsabgeordneter Filser mit Bauernschläue und Bergkäse hinzu (Helmut Schleich, der in einer Doppelrolle auch als Schaffnerin mit ostdeutschem Dialekt und opulentem Hinterteil glänzt). Schließlich mischt der profitgierige Gebäudesanierer Gsottmaier (Uli Bauern, der grandios schimpfend zuvor als Filsers Mutter zu sehen ist) – ein Spezl von Filser – die Truppe nochmal richtig auf. Mit Gsottmaier zieht die Wahrheit ins Abteil und das bis dahin sehr heitere Lausbubenstück mit zahlreichen Seitenhieben auf aktuelle Ereignisse wie die Amigo-Affäre, die Hochwasserkatastrophe und die Trends zum Funkloch und zur Lebensmittelallergie, treibt etwas schnell und überkandidelt auf sein schaumiges Finale der zu.

Dabei ist das Kabaretttheaterstück bis weit über die Hälfte der 80 Minuten Spielzeit bayerisch-derb unterhaltsam, von seicht bis pointiert (Beispielspruch von Stüve: „Echte Kämpfer essen keinen Honig, sie kauen Bienen!“). Mit Liedern für Münchner von Conny Kreitmeier an jeder Haltestelle, von Jan Eschke mit dem Akkordeon begleitet. Schon eine Viertelstunde vor Beginn von „Erster Klasse“ kommt mittels launigen Durchsagen Bahnhofsatmosphäre und freudige Erwartung auf. Das starke Bühnenbild (Andrey von Schlippe) im IC-Look mit einem hervorragend arrangierten und authentischem Zugabteil tut sein Übriges dazu und auch die Kostüme (Doris Scholze-Khumalo) überzeugen. Man möchte dieses Aufeinandertreffen unterschiedlicher Charaktere in der Bahn gerne aus der Zuschauerperspektive genießen und lachen, aber auf keinen Fall mit dieser illustren Truppe im Abteil stecken. Bis Sonntag, 21. Juli 2013, wird das bissig-bayerische Kabarettstück täglich im MUH-Zelt auf dem Tollwood aufgeführt, ausgenommen Montag.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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