Euro-Gipfel: Die Schlafwandler

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"Die Schlafwandler - wie Europa in den ersten Weltkrieg zog" heißt ein Buch des australischen Historikers Christopher Clark.. Wie Schlafwandler bewegen sich derzeit auch die wichtigsten europäischen Akteure im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Denn: Die Eurokrise schwelt immer noch. In vielen Ländern der EU und der EWU haben die Volkswirtschaften das Niveau der Jahre 2010/2011 noch nicht wieder erreicht. Diese Tatsache wird von den Offiziellen der Europäischen Union (EU) nicht zur Kenntnis genommen. Oder wie ist der Satz von Kommissionspräsident Juncker "Es gibt keine bessere Zeit, das Dach zu reparieren, als wenn die Sonne scheint" - im Zusammenhang mit seinen Reformvorschlägen für EU-Institutionen gefallen - sonst zu verstehen?

In dasselbe Horn tutet der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, wenn er im Vorfeld des Brüsseler Gipfels schreibt: "Die bessere Wirtschaftslage bietet die Gelegenheit, die vor uns liegenden Herausforderungen sowie die Mittel und Wege zur Bewältigung künftiger Krisen zu erörtern. Ich möchte, dass wir eine offene Diskussion über die Wirtschafts- und Währungsunion und die Bankenunion führen."

Im Rahmen der Agenda der EU-Führungsspitzen wird auf dem Euro-Gipfel über die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und die Bankenunion beraten. Die EU-Führungsspitzen werden auf Grundlage des hier nachzulesenden Papers eine Aussprache führen.

Der Euro-Gipfel findet in einem inklusiven Format mit 27 Mitgliedstaaten statt. Der fiskalpolitische Pakt sieht vor, dass alle Länder, die ihn ratifiziert haben (derzeit 25), gegebenenfalls an Euro-Gipfeln teilnehmen sollten, und zwar insbesondere dann, wenn über die Architektur des Euro-Währungsgebiets beraten wird.

Angesichts der Bedeutung der Beratungen hat Tusk beschlossen, mit Kroatien und der Tschechischen Republik auch zwei Länder, die den fiskalpolitischen Pakt noch nicht ratifiziert haben, zu dem Gipfel einzuladen.

Material zum Nachlesen:

Schreiben des Präsidenten Donald Tusk an die Staats- und Regierungschefs der EU vor ihrem informellen Abendessen in Tallinn
Euro-Gipfel (Hintergrundinformationen)
Agenda der EU-Führungsspitzen (Hintergrundinformationen)
Bankenunion (Hintergrundinformationen)

Bisherige Ergebnisse

Die bisherigen Ergebnisse des Gipfels im Bereich der Wirtschaft und Finanzen sind äußerst mager. Kein Wunder: Eine gewichtige Ursache der sehr mäßigen wirtschaftlichen Entwicklung in Europa, die exorbitanten bundesdeutschen Leistungsbilanzüberschüsse, werden nicht einmal thematisiert.

Fabio de Masi, ehemaliger Europaabgeordneter, derzeit MdB und Finanzexperte der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, kommentiert:

„Diese Reform der Eurozone wird die nächste Finanzkrise nicht überleben. Die Stabilisierung der Eurozone braucht eine Korrektur der deutschen Wirtschaftspolitik und einen Abbau der chronischen Leistungsbilanzüberschüsse. Aber niemand traut sich, den Exportjunkie Deutschland auf Entzug zu setzen, damit dieser über höhere Löhne und öffentliche Investitionen die Binnennachfrage stärkt.

Der Außenhandelsüberschuss der gesamten Eurozone wird Schuldenkrisen im internationalen Maßstab hervorrufen. Wenn die EZB aus ihren Anleihekäufen aussteigt oder US-Präsident Trumps Importsteuern greifen, wird es ungemütlich.

Ein Europäischer Währungsfonds wäre nur dann sinnvoll, wenn dieser über eine Banklizenz verfügt, um sich bei der Europäischen Zentralbank zu refinanzieren und öffentliche Investitionen zu unterstützen. Wenn ein zwischenstaatlicher und somit deutscher ESM jedoch die Haushalte der Mitgliedsstaaten noch strenger überwachen oder marode Banken retten soll, die nicht abwicklungsfähig sind, wäre nichts gewonnen.

Eine europäische Einlagensicherung für die Bankenunion ist nur dann sinnvoll, wenn Risiken in den Bankbilanzen abgebaut werden, bevor sie gestreut werden. Dazu braucht es endlich eine Bankenstrukturreform zur Aufspaltung systemrelevanter Megabanken.“

Fabio de Masi (MdB DIE LINKE)
Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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