OSTWÄRTS UM DIE GANZE WELT - TEIL 8: TSUNAMI VOR BORA BORA UND TABU

ES GIBT NUR EINE PASSAGE DURCH DAS RIFF (MITTE LINKS)
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Wieder erleben wir zwei herrlich entspannte Tage auf See, gefolgt von einem schrecklichen Schock am Morgen des 12. März 2011, als wir uns zum zweiten Male innerhalb von drei Jahren der weltberühmten Insel Bora Bora (Pora Pora, denn im Polynesischen gibt es nicht den Buchstaben „b“) nähern. Da die Insel in Richtung Ost vor uns liegt, müsste der Sonnenaufgang genau hinter der Insel und ihrer markanten Silhouette stattfinden. Deshalb verlasse ich bereits früh um sechs Uhr leise die Kabine, um mich auf das vordere Aussichtsdeck zu begeben. Doch der Himmel ist bedeckt, der Sonnenaufgang leider nur zu ahnen. Also gibt es für mich und die anderen erwartungsvollen Frühaufsteher leider keine dramatischen Sonnenaufgangsfotos.

Ungewöhnlich früh, um acht Uhr meldet sich der Kapitän über alle Lautsprecher des Schiffes und erklärt uns, dass das Schiff heute Morgen gegen vier Uhr aus Richtung Nordwesten (also von achtern) von einer Tsunamiwelle überholt wurde. Da Japan von einem schrecklichen Erbeben erschüttert wurde, entstand dort eine riesige Welle, die sowohl auf die japanische Küste auflief als auch über den Pazifik raste. Aufgrund der Tiefe des Meeres traf die Welle unser Schiff nur mit einer Höhe von einem halben Meter und richtete keinen Schaden an. Wie stark die polynesischen Inseln und somit auch Bora Bora betroffen seien, wisse man noch nicht. Ungläubig schauen wir uns an, denn wir hatten im Schlaf nicht das Geringste bemerkt. Erst ganz langsam wird uns klar, in welcher Gefahr wir geschwebt haben, und der Schreck fährt uns in die Glieder.

Schließlich kommt der Lotse von Bora Bora an Bord, um uns sicher durch das Korallenriff bis auf die Reede vor Vaitape zu manövrieren. Er berichtet, dass auf der Insel kein Schaden entstanden sei, weil das geschlossene Riff mit nur einer einzigen engen Passage die Insel perfekt schütze. Unser Schiff ankert sodann auf Reede vor dem Hafen von Vaitape und wir werden mit unseren Rettungsbooten an Land gebracht.

Wir kennen die Insel von einem früheren Besuch und wissen, dass Bora Bora, genau wie Pago Pago (Samoa), im zweiten Weltkrieg nicht von den Amerikanern verschont wurde. Mehr als 4.500 Marinepioniere legten auf der bis dahin unerschlossenen Insel den kleinen Hafen Vaitape, ein Treibstoffdepot und eine Landepiste für Flugzeuge an. Der Krieg tobte tausende Kilometer weiter im Westpazifik und verschonte diese wunderschöne Insel. Nach Abzug der Amis blieben viele verrostete Kanonen auf den Bergen und hellhäutige Mischlingskinder in den Dörfern zurück. Glücklicherweise übernahmen die Inselbewohner nicht den „American Way of Life“, sondern behielten vielmehr ihre französisch-kreolische Lebensart.

Aufgrund der frühmorgendlichen dramatischen Ereignisse entschließen wir uns, den Tag als gemeinsamen Geburtstag zu betrachten und entsprechend zu feiern. Also keine Inselrundfahrt mit dem Fahrrad, sondern ein herrlich entspannter Tag in einem nahe gelegenen Bungalow-Ressort mit eigenem Restaurant und privatem Strand nicht weit vom Landungssteg in Vaitape entfernt. Mit einem traumhaften Blick auf die Berge, das Riff und seine Motus (kleine, meist unbewohnte Palminseln auf dem Riff) räkeln wir uns auf dem weichen Sand und im kristallklaren Wasser der berühmten Lagune mit ihren Farbabstufungen von hellstem Grün bis tiefstem Blau.

Mittags, als der fällige Regenguss pünktlich kommt, gönnen wir uns ein spezielles französisch-kreolisches Menu und bringen einen Toast auf den Geburtstag aller Passagiere, der Mannschaft und die vom Tsunami verschonten polynesischen Inseln aus. Als die nette Französin, die uns bedient, mitbekommt, dass ich Deutscher bin, erzählt sie mir die Geschichte des berühmten deutschen Filmregisseurs F.W. Murnau
(Nosferatu, Tartüff), der auf dem kleinen Motu Tapu 1928 den Stummfilm „Tabu“ drehte. In diesem Film konnte man zum ersten Mal Polynesier auf der Leinwand sehen. Doch Tapu („tabu“) der Drehort war, wie sein Name sagt, ein heiliger Ort im Besitz der Königsfamilie und die Stammesältesten der Insel belegten Murnau mit einem Fluch, nachdem sie erfolglos versucht hatten, die Dreharbeiten dort zu verhindern. Am 11. März 1931, am Abend der Fertigstellung des Films, wurde Murnau bei einem Autounfall in Kalifornien getötet. Viele Sprachen der Welt übernahmen das alte polynesische Wort „tapu“ (tabu, tabú, taboo) im Sinne von unantastbar.

Als das Schiff am Abend die Lagune von Bora Bora verlässt, entschädigt uns die Sonne, die sich morgens verschämt versteckt hatte, mit einem dramatischen, pazifischen Sonnenuntergang.

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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