Vor dem Referendum: Varoufakis sechs Gründe für ein Nein

Mit freundlicher Genehmigung von Norbert Häring

Mögen sich die Leser_innen ein je eigenes Bild von den jeweiligen Positionen machen!

Brief aus Athen:
Varoufakis sechs Gründe für ein Nein

von Markus Barth, Athen.

Die Griechische Regierung sieht das Referendum des kommenden Sonntags nicht als „Abbruch der Verhandlungen“ sondern als einen demokratischen Weg ihre Verhandlungsposition im Euroraum zu stärken. Das betont Finanzminister Varoufakis in einem Blogeintrag (hier) , über den zahlreiche griechische aber auch schweizerische und oesterreichische Medien nicht aber die deutschen Leitmedien berichten. Hier die Übersetzung und eine kurze Analyse.

Gianis Varoufakis: Warum wir ein NEIN beim Referendum empfehlen - in 6 Punkten

"1. Die Verhandlungen sind ins Stocken geraten weil unsere Kreditgeber (a) es abgeleht haben unsere untragbare oeffenliche Schuld zu reduzieren und (b) darauf bestanden, dass diese „parametrisch“ von den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft , ihren Kindern und Enkeln zurückgezahlt werden müssen.

2. Der IWF, die US-Regierung, viele Regierungen rund um den Globus und die meisten unabhaengigen Ökonomen sind - wie wir - davon ueberzeugt, das die Schulden umstrukturiert werden müssen.

3. Die Eurogruppe hat vor kurzem (November 2012) eingestanden, dass die Schulden umstrukturiert werden müssen, verweigert das aber jetzt.

4. Seit Ankündigung des Referendums hat das offizielle Europa signalisiert, dass es bereit ist über eine Restrukturierung zu diskutieren. Diese Signale zeigen, dass das offizielle Europa ebenfalls NEIN zu seinem „finalen“ Angebot sagen würde.

5. Griechenland wird im Euro bleiben. Die Bankeinlagen sind sicher. Die Kreditgeber haben eine Erpressungs-Strategie gewählt, die auf Bankschliessungen beruht. Die gegenwaertge Sackgasse geht auf die Wahl der Kreditgeber zurück und nicht auf die Entscheidung der griechischen Regierung die Verhandlungen nicht fortzuführen oder griechische Vorstellungen von Grexit und Abwertung. Griechenland Platz in der Eurorzone und in der EU sind nicht verhandelbar.

6. Die Zukunft braucht ein stolzes Griechenland in der Eurozone und im Herzen von Europa. Diese Zukunft verlangt, dass die Griechen am Sonntag ein grosses NEIN sagen, dass wir in der Eurozone bleiben und dass wir mit der Kraft, die uns dieses Nein verleiht Griechenland Staats-Schulden neu verhandeln sowie die Verteilung der Lasten zwischen Besitzenden und Habenichtsen."

Diese und viele vergleichbaren Verlautbarungen von Tsipras und anderen griechischen Ministern zeigen welche perfide Strategie von Schäuble, Merkel und insbesondere auch Gabriel es ist, das Referendum zu einer Wahl zwischen Euro und Drachme umzudeuten. Diese Strategie wird im übrigen auch von den griechischen Leitmedien und Privatkanälen, die den Oligarchen gehören, geteilt. Selbstverstaendlich blasem auch die abgewirtschafteten und abgewählten alten Partnerparteien von CDU und SPD sowie die Ersatzsozialisten von Potami ins selbe Horn.

Sie hoffen mit deutscher Hilfe wieder an die Fleischtoepfe zu gelangen. Samaras von der ND will eine „Regierung der Nationalen Einheit“ und Theodorakis von Potami dient sich seit Monaten als alternativer Koalitionspartner an. Bei einem JA waeren auch Neuwahlen nicht auszuschliesssen.

Waffe und Druckmittel der JA-Sager ist natürlich die von der EZB erzwungene Bankenschliessung. Die verstaendliche Angst der Buerger um ihre Spareinlagen und Renten hat dazu gefuehrt, dass die Zustimmung zum NEIN in einer aktuellen Umfrage (hier) von 57 Prozent auf 46 Prozent zurückgegangen ist. (Diejenigen Bürger die jetzt „einknicken“, wollen weder die Fortsetzung der gescheiterten Austeritaetspolitik noch den Sturz von Syriza. Wie ich an dieser Stelle schon berichtete will die grosse Mehrheit der Griechen Syriza und den Euro (hier).

Sie sehen sich vor die Wahl "Pest oder Cholera“ gestellt und verstehen, dass die Weigerung mit der jetzigen Regierung vor dem Referendum weiterzuverhandeln nicht anderes ist als die schamlose, unverbluemte Drohung, das auch nach dem Referendum bei einem unerwuenschten Ausgang zu tun. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür allerdings nicht. Neue Kompromissvorschlaege (hier der Wortlaut von Tsipras Brief) liegen bereits auf dem Tisch.

Im uebrigen sind durchaus nicht alle „Partnerländer“ derselben Meinung. Sowohl der Franzose Hollande als auch der Italiener Renzi haben den Abschluss einer Vereinbarung vor dem Referendum gefordert. Offensichtlich sind sie mehr am unbeschaedigten Weiterbestand der Eurozone interessiert als Deutsche und Holländer. Dass ein erzwungener Grexit auch für andere Euro-Länder eine grosse Gefahr darstellen kann ist jedem Oekonomen ohne ideologische Scheuklappen eine Selbstverständlichkeit.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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