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Rechtsstaat BRD - oder: Was ist los in Deutschland?

Marburg, Anfang Januar 2014

Zwei Ereignisse, die - oberflächlich betrachtet - zunächst nichts miteinander zu tun haben, beunruhigen mich sehr. Zum einen erklärt die Polizei in Hamburg ohne richterliche Genehmigung einen 'Teil der Hansestadt zum "Gefahrengebiet" und zum anderen gibt der Referent für Arbeitslosen- und Sozialhilferecht, Harald Thömé, einen Teil seiner verdienstvollen Öffentlichkeitsarbeit auf, weil Behörden und Behördenmitarbeiter ihn in seiner Existenz bedrohen.

Nun mag man in Sachen Hansestadt Hamburg sagen, das Vorgehen der Polizei ist gerechtfertigt, da den "Chaoten" von der Roten Flora auf andere Weise nicht Einhalt geboten werden kann. Wobei auch hier einiges dafür spricht, dass Polizei und Politik in Hamburg die tatsächlichen Vorgänge, nun ja, "nicht ganz korrekt" wiedergeben.

In Sachen Harald Thomé kann sich niemand damit herausreden, dass ja der "Rechtsbrecher" selbst daran schuld sei, wenn er verfolgt werde. Denn das Verwaltungsgericht Leipzig hat mit Urteil vom 10.01.2013 - 5 K 981/11 entschieden, dass Jobcenter bei Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes auch interne Telefonlisten und Durchwahlnummern herausgeben müssen. Auf seiner Website veröffentlichte Harald Thomé die Telefonlisten der Jobcenter.

Doch nicht alle Behörden und Behördenmitarbeiter fanden und finden diese Transparenz gut. Mit mehr oder weniger brachialen Methoden gehen sie gegen die Veröffentlichung vor. Warum Harald Thomé aufgibt, lesen Sie hier:

Bilanz und Konsequenz: Ein Jahr Veröffentlichung von Jobcenter-Telefonlisten

Am 10. Januar 2013 hat das Verwaltungsgericht Leipzig geurteilt, dass es im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes einen Zugangsanspruch auf Jobcenter Telefonlisten gibt. Aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Jobcenters ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat den Informationsanspruch wie folgt begründet: „Es ist Ausdruck modernen staatlichem Selbstverständnisses, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen unmittelbar sicherzustellen, und zwar auch in sogenannten Massenverfahren und grade auch in Bereichen, wo es um die soziale Existenz gehen kann“.

Nach dem Leipziger Urteil habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, mit der konsequenten Veröffentlichung der mir bekannten Telefonlisten von Jobcentern den Anspruch auf Informationsfreiheit praktisch durchzusetzen. In einem Jahr sind so fast 150 Telefonlisten von Jobcentern an das Licht der Öffentlichkeit gekommen. Die Strategie der Abschottung der Jobcenter konnte so zumindest teilweise durchbrochen werden.

Im letzten Jahr gab es viel Zustimmung, so haben einige Jobcenter mich in ihre Telefonlistenverteiler aufgenommen und mir regelmäßig ihre Listen von Amts wegen übersandt. Einige Jobcenter Geschäftsführer haben mich in der Veröffentlichung bestärkt und ihr Unverständnis über Einschüchterungen durch manche Kollegen zum Ausdruck gebracht, so schrieb beispielsweise ein Jobcentergeschäftsführer er sei „definitiv der Meinung, dass direktes Anrufen und direktes Anmailen die bestmögliche Kundenfreundlichkeit ist“.
Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Es hagelte aber auch Gegenreaktionen und Widerspruch. So gab es eine Reihe von Anfeindungen, Beleidigungen, Drohanrufen, aber auch unmittelbare Gewaltandrohungen, dass man mir beispielsweise „persönlich mit einigen Kumpels“ auch erläutert könne, dass ich die Listen aus dem Netz zu nehmen habe.

Ebenfalls wurden mir angedroht, Strafantrag gegen mich zu stellen, möglichst kostenintensive Unterlassungsverfügungen zu initiieren und mich persönlich für etwaige Folgen von Übergriffen auf Jobcentermitarbeiter verantwortlich zu machen.

Gleichzeitig haben mich unter Androhung von rechtlichen Schritten in zehn Fällen Jobcenter selbst aufgefordert, die Telefonlisten aus dem Netz zu entfernen. Die hessischen Jobcenter haben sich hier besonders hervorgetan. In vier Fällen konnte das ohne große Auseinandersetzungen geklärt werden, in drei Fällen habe ich die Listen aus dem Netz genommen, in einem Fall – gegenüber dem Jobcenter Delmenhorst –habe ich mich gegen die Unterlassungsandrohung gewehrt und es wurde im Ergebnis eine modifizierte Liste ohne Vornamen ins Netz gestellt.

Aktuell laufen von zwei Jobcentern Aufforderungen, die Listen aus dem Netz zu nehmen. Im härteren Fall wurde vom Jobcenter Berlin Spandau mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 angedroht, dass zur Vermeidung von über 500 Einzelanträgen auf Unterlassung durch jede Mitarbeiterinnen und jeden Mitarbeiter des Jobcenter angeraten wird, die Liste aus dem Netz zu nehmen. Auf Deutsch: Eine Unterlassungsverfügung zieht im Fall des Unterliegens einen Prozess- und Anwaltskosten im Wert von rund 800 € nach sich – mal 500 Fälle macht das rund 400.000 €.

Bei diesem Bedrohungsscenario gerät der Konflikt aus den Fugen. Diese unverhältnismäßigen Folgen haben mich dazu bewogen, die Veröffentlichungen einzustellen. Hier werden meine Familie und ich unmittelbar in unserer Existenz bedroht.

Die Bilanz des Behördenhandelns ist erschreckend

Behördlicherseits herrscht wenig Verständnis dafür, dass die fast sieben Millionen Hartz IV-Beziehenden eine Behörde unmittelbar erreichen müssen. Der „Kunde“ wird vielmehr als zu steuerndes Objekt und als potentielle Bedrohung betrachtet. Dabei ist die sofortige Erreichbarkeit für die Existenzsicherungsbehörde unabdingbar: Wenn mal wieder kein Geld zum Monatsbeginn auf dem Konto ist, wenn es um die Bewilligung einer Wohnung geht und der Vermieter bis zum Abend eine Entscheidung einfordert, wenn ein Darlehen aufgrund eines unabweisbaren Bedarfes besteht usw.

Die behördliche Reaktion und das Fortsetzen der Jobcenterabschottung wird mit Datenschutz, potentieller Bedrohung der Mitarbeiter, Eingriff in die Kundensteuerung, Störung der internen Abläufe und Effizienz der Callcenter begründet. Dem können eine Vielzahl von konkreten, aber auch juristischen Argumenten entgegen gehalten werden, worauf ich an dieser Stelle verzichte.
Erschreckend ist der überwiegende Teil der Reaktion en der „Existenzsicherungsbehörde“ Jobcenter Unmittelbare Bedrohung, Beleidigung, Diffamierung bis hin zur Existenzbedrohung zeugen nicht gerade von zivilisierten Umgangsformen, dem Bestreben der Behörde, Zugangshürden abzubauen, oder gar rechtsstaatlicher Sensibilität.

Die Jobcenter werden zu Sonderrechtszonen und Gefahrengebieten erklärt. Es soll für sie keine Informationsfreiheit geben. Der vermeintliche Schutz der Mitarbeiter wird höher gestellt als der Anspruch auf zügigen, zeitgemäßen und umfassenden, sowie barrierefreien Zugang zu Sozialleistungen und deren Trägern (§ 17 Abs. 1 SGB I). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, wie ihn das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil am 9. Februar 2010 klargestellt hat, soll durch vielfach eingezogene Zugangshürden anscheinend nicht für (alle) Hartz IV-Beziehende gelten.

Ich sehe das offene und öffentliche Projekt „Veröffentlichung von Jobcentertelefonlisten zur Durchsetzung einer größeren behördlichen Transparenz und Abbau von Zugangshürden“ als gescheitert an. Es scheiterte an der Reaktion einer Reihe von Jobcentern, die diesen Zugang mit allen Mitteln unterbinden wollen.

Ein solches Projekt, muss ich jetzt in die Hände der kreativen Erwerbslosenbewegung legen und es scheint nur noch als nicht mehr offenes Projekt möglich zu sein. Sollten sich Menschen finden, dies weiter zu betreiben, stelle ich gerne meine Daten zur Verfügung und fungiere als Ansprechpartner zur Weitergabe von Jobcentertelefonlisten.

Meinerseits werde ich zum 15. Januar 2014 die Veröffentlichung der auf meiner Homepage gehosteten Telefonlisten einstellen und würde mich über die Weiterführung des Projekts in den Weiten des www. freuen.
Harald Thomé, am 08.01.2014

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23 Kommentare

> "Ich betrachte Politik nicht aus der Berliner Perspektive. Sondern für mich beginnt Politik unten an der Basis. So blöd es klingen mag, doch es fängt bei einer Brücke an."

Das klingt nicht blöd, das ist so!

> "Da hängt jeder an seinem Posten oder will einen Posten erlangen. Ich glaube, mit dem Einkommen eines Politikers lässt es sich ganz gut leben."

Wenn einer Geld bekommt... manches ist nämlich ehrenamtlich...

> "Wenn das Volk selbst, der kleine Mann, die einfache Hausfrau und der kleine Angestellte nicht selbst korrekt ist, kann er es auch nicht von den Politikern verlangen."

Stimmt.
Teufelskreis.

@ "Ich glaube, mit dem Einkommen eines Politikers lässt es sich ganz gut leben."

In den Ortsbeiräten und Stadtparlamenten arbeiten die meist ehrenamtlich gewählten Politiker für eine vergleichsweise geringe Aufwandsentschädigung. Ein Ortsbeiratsmitglied wie ich es bin erhält 30 Euro/Monat. Nimmt man seine Tätigkeit ernst und möchte etwas für die Bevölkerung erreichen, stellt man zahlreiche Anträge, hält Kontakt mit KollegInnen der Fraktion im Stadtparlament und zur Partei und zu anderen Fraktionen. Vertritt die Anträge nach innen und aussen, schreibt beharrlich und freundlich an die Entscheider im Magistrat und erreicht dann auch oft die Ziele zum Wohle der BürgerInnen.

Dabei geht es nicht ums Einkommen, sondern um viel Idealismus und Nächstenliebe. Das mag in der "grossen" Politik natürlich manchmal anders sein.

> "...stimmt leider nicht ganz. Genau weil bei uns nur gemeckert, gefordert, beschwert und gejammert wird - aber nicht gehandelt - ändert sich eben gar nichts"

Seh ich halt anders. Den meisten geht doch alles am Arsch vorbei und sei es nur, dass sie mit den Wahlgeschenken zufrieden sind. Oder halt das Desinteresse allenorten. Usw. Da ist jeder, der sich auch nur interessiert, informiert, Meinung bildet und Meinung äußert ein mehrfach Handelnder!

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