Mindestlohn: Anhebung auf 25 Euro?

Der Berg kreißte und gebar eine Maus: Um sage und schreibe 34 Cent wird der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar 2017 angehoben. So der Beschluss der Mindestlohnkommission. Das ist viel zu wenig. Sozialpolitisch viel zu wenig. Und erst recht viel zu wenig, wenn gesamtwirtschaftliche Überlegungen einbezogen werden.

Für viele Menschen hat der Mindestlohn seit seiner Einführung im Januar 2015 ein deutliches Gehaltsplus gebracht. Der von der Unternehmerlobby beschworene Untergang des Abendlandes ist ausgeblieben. Doch leider hat das Mindestlohngesetz deutliche Mängel: Durch Ausnahmeregelungen sind viele Menschen vom Mindestlohn ausgenommen.

Zu viele Ausnahmen im Mindestlohngesetz

Das Gesetz ist an vielen Stellen höchst unsauber formuliert, so dass Unternehmen die Möglichkeit haben, Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den Mindestlohn anzurechnen. Und: Der Mindestlohn ist deutlich zu niedrig. Christoph Butterwegge begründet im "Vorwärts",
warum der Mindestlohn auf zehn Euro erhöht werden muss.

Die Mindestlohnkommission hat die neue Höhe des Mindestlohns ab 2017 auf 8,84 Euro festgelegt – und bleibt damit in dem Rahmen, der zu erwarten war. Es ist gesetzlich vorgesehen, dass sich die Kommission sich bei der Festsetzung des Mindestlohns an der Tarifentwicklung in der Bunderepublik orientiert. Diese betrug seit dem Jahr 2014 3,2 Prozent.

Mindestlohnkommission: Unternehmerseite kann blockieren

Hätte die Kommission vom Tarifindex abweichen wollen, wären die Stimmen von zwei Drittel der Mitglieder notwendig gewesen. Eine geradezu utopische Vorstellung, angesichts der grundsätzlichen Blockadehaltung der Unternehmerseite, die – wie die Beschäftigten – mit je drei stimmberechtigten Vertreter*innen in der Kommission vertreten ist.

Das ist ein Problem, denn die Höhe des Mindestlohns von 8,50 Euro war schon bei der Einführung deutlich zu niedrig – so niedrig, dass er nicht einmal für das Mindeste im Leben reicht. Das hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gerade erst in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag bestätigt (Bericht hier).

Mindestlohn sichert nicht Existenzminimum

Einer der Zwecke eines Mindestlohns ist es, Menschen ein Mindestauskommen zu sichern. Besonders deutlich wird dies, wenn man auf die Absicherung von Beschäftigten im Alter schaut. Rein rechnerisch müsste der Mindestlohn 11,68 Euro betragen, um im Alter eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung zu ermöglichen – wenn man 45 Jahre lang bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu diesem Lohn beschäftigt und nie arbeitslos war. Auch das hat eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Fraktion DIE LINKE ergeben. Der aktuelle Mindestlohn wird Menschen nicht vor dem Gang zum Sozialamt bewahren. Ein solcher Lohn hat seinen Namen nicht verdient, denn er ist kein Mindestlohn, sondern ein Mangellohn.

Mindestlohn aus gesamtwirtschaftlicher Sicht

Angesichts von Stagnation, Arbeitslosigkeit und zunehmender Ungleichheit in ganz Europa drängt sich ein ganz anderer Aspekt der Mindestlohndebatte auf. Die Diskussion um Sozialhilfe und Mindestlohn muss auch auf der volkswirtschaftlichen Ebene geführt werden. Die Hauptfrage muss sein: Wie müssen die Einkommen verteilt werden, damit der Konsum erreicht wird, der die Produktionskapazitäten ausschöpft.

Um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, braucht ein Land einen „markträumenden“ Konsum. Dabei spielen das Niveau der Sozialhilfe und der Mindestlohn eine zentrale Rolle. Sie bestimmen das Konsumniveau eines großen Teils der Bevölkerung. Werner Vontobel begründet auf makroskop.eu, weshalbEuopa markträumende Mindestlöhne braucht.

Und dieser markträumende Mindestlohn in Deutschland würde etwa 25 Euro pro Stunde betragen. Klngt heute noch ziemlich utopisch. Aber eine schrittweise Anhebung des Mindestlohns in diese Richtung wird unumgänglich sein, wenn die EU zusammengehalten werden soll. Das Geheul von Unternehmenslobby, gemieteter akademischer Volkswirtschaftsleere und Lohnschreiber der Medienhäuser wird fürchterlich sein.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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