Lesetipp: "Wer schweigt, stimmt zu" von Ulrike Guérot

Markus Langemann vom "Club der klaren Worte" geht in seinem neuesten Newsletter  mit dem nachstehenden Text auf den Essay von Ulrike Guérot "Wer schweigt, stimmt zu" ein. Ich habe den Essay gelesen. Er liefert meiner Ansicht nach eine ziemlich präzise Zustandsbeschreibung unserer Gesellschaft.

Von der Zeit der semantischen Umdeutungen

Guten Tag, liebe Leserin,
guten Tag, lieber Leser.

Ulrike Guérot ist Politikwissenschaftlerin und hat derzeit die Professur für Europapolitik an der Universität Bonn. Ihr aktuelles Buch „Wer schweigt, stimmt zu“ trägt den Untertitel „Über den Zustand unserer Zeit und darüber, wie wir leben wollen“. Da Medien Wirklichkeit schaffen, möchte man ergänzen: „Über den Zustand unserer Medien und wie wir publizieren dürfen“.

Frau Guérot hat am vergangenen Montag im Rahmen einer Verlagsveranstaltung in Frankfurt Fragen zu ihrem Spiegel-Bestseller beantwortet und auch einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Textes erlaubt, den sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk so beschreibt: „Mein Anspruch war, auf zwei Jahre Pandemiegeschehen zu schauen und darauf, wie das eine Gesellschaft und eine Demokratie verformt hat.“

„Oha!“, dachte sich der in der Verformung lebende Verfasser dieser Zeilen. Wenn mal dieser rasant mutige Anspruch der Autorin selbige nicht noch aus der Diskurskurve trägt. Kaum gedacht, schon von der Autorin selbst beschrieben. Der zwischen Weihnachten und Neujahr entstandene Essay gelangte nach Fertigstellung zu ihrem Verlag. Dieser zeigte sich sodann enteiert.

Der Schilderung nach sagte ihr der Verleger nach Lesen des Textes, ihn so nicht veröffentlichen zu wollen: „Das stehen wir in den sozialen Medien nicht durch!“ Das war der Moment, in dem ich lieber die Flasche Rotwein auf ex angesetzt hätte als nur das mir zugereichte Glas. Die von Guérot beschriebene Verformung hatte also ganz offensichtlich auch schon den Kopf ihres Verlegers erwischt.

Nun, so wechselte sie also zu einem neuen Verlag. Dem mutigen Westend Verlag, der in Turbozeit das Buch produzierte. Recht so.

Im Werk finden sich Sätze wie dieser: „Dass der Mittelstand hinweggefegt wurde, dürfte eine Tatsache sein, und jeder, der ein paar Essays über die Ursprünge totalitärer Herrschaften gelesen hat, weiß, dass diese fast immer mit der Vernichtung des Mittelstandes beginnt.“

In der Veranstaltung spricht Guérot dann weiter Klartext. „Wer von Anbeginn so einen Skeptizismus hatte wie ich, der hat sich andere Quellen gesucht. Die gab es. Die waren nur schwer zu finden und wurden unterdrückt. Die Ersten, die gesprochen haben, Hockertz, Wodarg, wer auch immer, jene mussten das Land verlassen, denen sind die Bankkonten gesperrt worden. Das muss man einfach mal sagen: Es sind Bankkonten gesperrt worden von Leuten, die kritische Videos drehen, es sind Leute entlassen worden, es sind Leute gekündigt worden. Alles in einer Demokratie.“

Vor der Tür des Veranstaltungsortes, draußen, mitten im blauen Dunst der Zigarette danach, sagte mir die Grande Dame der Bemühung um eine europäische Republik, sie habe schon im Kalkül ob ihres klaren Textes nun auch noch mit Kalamitäten an ihrer Uni rechnen müssen.

„Mon dieu!“, denke ich mir. Wo sind wir hingekommen? Sind es tatsächlich nur noch die freien Radikalen, die sagen können, was sie denken? Also jene, die weder vom Wissenschafts- noch vom Medizin- noch vom Medien- oder Politikbetrieb abhängig sind? Es scheint so. So tat mir jüngst eine erfahrene Literaturagentin kund, sie sei enttäuscht von der deutschen Buchbranche. Kein großer Verlag wage sich an ein kritisches Buch zur aktuellen Gesellschaftsverfassung.

Grund genug, Ihnen also das Werk von Prof. Dr. Ulrike Guérot ans Herz zu legen. Machen Sie sich bitte die kleine Mühe und bestellen Sie es im Shop des Westend Verlages und nicht beim transatlantischen Megakonzern.

Stärken Sie den heimischen Umsatz. Der Shop des Westend Verlages heißt etwas kriminell-verwegen „Buchkomplizen“, aber ich versichere Ihnen, die Verlagsmannschaft dahinter habe ich kennengelernt: Sie bewegen sich alle auf der hellen Seite der Straße. Ein wenig kriminelle Energie braucht es allerdings wohl in diesen Zeiten, und sei es nur eine verbale Komplizenschaft, um sich den globalen Internetshopping-Giganten zu widersetzen. Vielleicht ein kleiner Ostershopping-Lesetipp.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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