Krieg in der Ukraine: Die Wolfowitz-Doktrin

In der Ukraine ist Krieg. In den Medien der Bundesrepublik Deutschland wird dieser Krieg so dargestellt: David kämpft gegen Goliath und benötigt dafür die Hilfe aller guten Menschen. Die meisten Menschen folgen dieser Darstellung. Hingerissen von eigenen Emotionen und dem öffentlichen Zwang zur Parteinahme, erscheint vielen allein schon die Frage nach den Hintergründen dieses Großmachtkonflikts unpassend, als „Whataboutism“, ein Zurückweichen vor dem Feind (Irmtraud Gutschke).

Eine Verurteilung Russlands oder seines Präsidenten ist zwingender Bestandteil jeder politischen Stellungnahme zum Kriegsgeschehen, wenn der Stellung Nehmende nicht geteert und gefedert werden will. Egal ob er sich für eine Eskalation des Krieges durch die Lieferung immer schwererer Waffensystemen an den Goliath – mit der Gefahr der Ausbreitung eines Flächenbrandes bis hin zum Atomkrieg - oder die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen und eine Verhandlungslösung einsetzt.

Wer den Sachverhalt nüchtern betrachtet, kommt zu einer anderen Sichtweise.

Die Wurzel des Übels benennt der deutsche Titel von Zbigniew Brzezińskis Buch "The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives": »Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft«. Wer das nicht kapiert, sollte zum Konflikt in der Ukraine besser schweigen.

Auf dieser geostrategischen Ebene spielen Moral und Menschenrechte keine Rolle. Am allerwenigsten bei unseren "Freunden" aus den USA. In der ARD und im ZDF erfahren Sie derzeit darüber nichts. In der National Security Strategy vom September 2002 (NSS), besser bekannt als  "Bush-Doktrin" oder auch "Wolfowitz-Doktrin", liegen die Wurzeln der Misere.

Laut Wikipedia sah die ursprüngliche Wolfowitz-Doktrin in Erhalt und Ausweitung der US-Hegemonie über die Welt die oberste Priorität:

“Our first objective is to prevent the re-emergence of a new rival, either on the territory of the former Soviet Union or elsewhere, that poses a threat on the order of that posed formerly by the Soviet Union. This is a dominant consideration underlying the new regional defense strategy and requires that we endeavor to prevent any hostile power from dominating a region whose resources would, under consolidated control, be sufficient to generate global power.”

(deutsch: „Unser erstes Ziel ist, das Wiederauftreten eines neuen Rivalen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion oder woanders zu verhindern, der eine Gefahr […] darstellt, wie es einst die Sowjetunion getan hat. Dies ist eine der neuen regionalen Verteidigungsstrategie zugrunde liegende Berücksichtigung, die alles erfordert um eine feindliche Macht daran zu hindern eine Region zu dominieren, deren Ressourcen unter konsolidierter Kontrolle ausreichen würden, eine Weltmacht entstehen zu lassen.“)

Wer sich die Entwicklung im Osten Europas seit 1989/90 genau anschaut, wird leicht sehen, dass der Ablauf der Geschehnisse viel besser von der Wolfowitz-Doktrin erklärt wird, als von der Erzählung vom „irren Putin“ der aus Jux und Tollerei einen Krieg vom Zaun bricht.

Deutschland und die EU widersetzten sich den USA nicht. Im Gegenteil. Sie unterstützten die USA bei ihren Plänen. Die Ukraine-Krise ist konkret dadurch entstanden, weil die EU den Vielvölkerstaat Ukraine, dessen Bevölkerung im Osten starke Bindungen an Russland hat, durch das EU-Assoziierungsabkommen vor die Wahl "Russland oder EU" stellte. Dieser Sachverhalt hat die Ukraine zerrissen. Helmut Schmidt nannte das Assoziierungsabkommen deshalb einen Fehler und warnte vor einem Krieg. Selbst aus der Bundeswehr gabe es warnende Stimmen, wie der Beitrag "Ukrainekrieg: Unerhörte Stimmen aus der Bundeswehr" auf Telepolis belegt.

Warum eine Mehrheit der Menschen davon nichts mitbekommt, steht in Büchern wie „Warum schweigen die Lämmer“ und „Angst und Macht“ von Rainer Mausfeld, „Macht - Wie die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung wird“ von Almut Bruder-Bezzelund Klaus-Jürgen Bruder, „Propaganda. Wie die öffentliche Meinung entsteht und geformt wird“ von Jacques Ellul und nicht zuletzt „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst“ von Albrecht Müller, der Lesern eine praktikable Handreichung gibt, „wie man Manipulationen durchschaut“.

Und im Buch des US-amerikanische Politikwissenschaftlers Sheldon S. WolinUmgekehrter Totalitarismus“, das eine scharfsinnige Analyse neoliberaler Herrschaft bietet. Irmtraud Gutschke hat das Buch auf den NachDenkSeiten heute besprochen..Der viel sagende Titel der Buchbesprechung lautet: "Demokratie – nicht mehr als ein Markenname".

Dass es in der Ukraine nicht um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte geht, sondern handfeste Interessen verfolgt werden, belegt auch diese Nummer von Volker Pispers. Merksatz: "Das schlimmste, was der US-amerikanischen Außenpolitik passieren könnte, wenn sich Westeuropa und Russland einig sind."

Mein Fazit: Wem es darum geht, menschliches Leid zu verhindern, der sollte unverzüglich der Bundesregierung die Unterstützung für deren selbstschädigenden und selbstmörderischen Kurs im Ukrainekonflikt entziehen.

Der sollte öffentlich der manipulativen Darstellung widersprechen, David kämpfe gegen Goliath und benötige dafür die Hilfe aller guten Menschen. Der sollte sich nicht von seinen Emotionen, die bewusst geschürt werden, hinreißen lassen. Und er sollte dem öffentlichen Zwang zur Parteinahme widerstehen.

Vor allem sollte er selbst Denken und sich nicht nur aus den offiziellen Quellen informieren!

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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